Für die Top-Riege der deutschen Zulieferunternehmen geht eine jahrelange Zitterpartie zu Ende. Eine juristische Auseinandersetzung zwischen dem Volkswagen-Konzern, US-Umweltbehörden und geprellten Autobesitzern aus den USA steht kurz vor der Beilegung – nach Informationen des SÜDKURIER ohne dass die ebenfalls beteiligten Zulieferkonzerne finanziell Federn lassen müssen. Mehrere Unternehmen bestätigten dies am Mittwoch unserer Zeitung.

ZF-Logo vor Friedrichshafener Zentrale: In der Abgassache ermitteln Staatsanwälte noch. In den USA neigt sich die Entwicklung zum Guten.
ZF-Logo vor Friedrichshafener Zentrale: In der Abgassache ermitteln Staatsanwälte noch. In den USA neigt sich die Entwicklung zum Guten. | Bild: dpa

„Bosch leistet keine Zahlungen in Zusammenhang mit dem Vergleich“, sagte ein Sprecher des Gerlinger Stiftungskonzerns dem SÜDKURIER. Von ZF Friedrichshafen hieß es, dem Unternehmen entstünden „keine finanziellen Belastungen aus dem Vergleich“. Der Hannoveraner Continental-Konzern, der in dem Fall ebenso wie ZF von den US-Klägern als „Mit-Verschwörer“ (“Co-Conspirator“) geführt wurde, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Aus Kreisen verlautete aber, auch Conti müsse aus dem Verfahren nicht mit finanziellen Belastungen rechnen.

Es geht um Benzin-Motoren, nicht um Diesel

In dem Fall ging es um Abgasmanipulationen bei knapp 100 000 Benzin-Autos in den USA. Betroffen waren vor allem schwere Modelle von VW und der Konzerntochter Audi, aber auch der Edel-Marken Porsche und Bentley. Den Beklagten – Audi und Bosch – wurde vorgeworfen, die dem Spritverbrauch zugrunde liegenden CO2-Emissionen auf dem Prüfstand geschönt zu haben. Erreicht wurde das nach Darstellung der Kläger durch Tricksereien am Getriebe und der Getriebesteuerung. Die betreffenden Fahrzeuge waren mit 8-Gang-Automatik-Getrieben der Friedrichshafener ZF ausgerüstet.

Bosch-Logo auf Bosch-Parkhaus bei Leinfelden-Echterdingen. Auch Bosch musste im Abgasskandal schon Federn lassen
Bosch-Logo auf Bosch-Parkhaus bei Leinfelden-Echterdingen. Auch Bosch musste im Abgasskandal schon Federn lassen | Bild: dpa

In einem 520 Seiten starken Papier der US-Kanzlei Lieff Cabraser Heimann & Bernstein, das unserer Zeitung vorliegt, wurde beispielweise ZF vorgeworfen, „direkt oder indirekt“ in die Manipulation der Verbrauchswerte verwickelt zu sein. ZF habe die betreffenden Achtgang-Automatikgetriebe – interne Bezeichnung AL 551 – entwickelt, geliefert und insbesondere deren Steuerung designt. Diese entscheidet etwa über die Gangwahl und die Schaltzeitpunkte. All das sei in die Betrugssoftware integriert worden, schreiben die US-Anwälte in ihrer Sammelklage.

Gab es wirklich „Mitverschwörer“ im VW-Abgasfall in den USA?

Die Verwicklungen sowohl von ZF, aber auch von Bosch, Continental sowie des Berliner Ingenieursdienstleisters IAV waren im Juni diesen Jahres durch SÜDKURIER-Recherchen bekannt geworden. Damals wurde auch öffentlich, dass sich ZF in Folge der US-Ermittlungen von seinem langjährigen Entwicklungschef Harald Naunheimer sowie dem Leiter der PKW-Getriebeentwicklung, Jürgen Greiner, getrennt sowie Dutzende weitere Mitarbeiter arbeitsrechtlich belangt hat. Bestätigt hat das das Unternehmen bis heute nicht. Mittlerweile ermittelt aber die Staatsanwaltschaft Stuttgart in der Sache.

Welche Rolle spielte der Zulieferer Conti in der Abgasaffäre in den USA?
Welche Rolle spielte der Zulieferer Conti in der Abgasaffäre in den USA? | Bild: dpa

Ende vergangener Woche kam nach monatelanger Hängepartie Schwung in den Fall. Aus damals veröffentlichten Gerichtsunterlagen geht hervor, dass sich der Volkswagen-Konzern mit den US-Auto-Besitzern und der Umweltbehörde EPA geeinigt hat. Stimmt das federführende US-Gericht im kalifornischen San Francisco dem Vergleich Ende kommender Woche zu, fließen 96,5 Millionen US-Dollar (88 Millionen Euro) an Entschädigung an die klagenden Auto-Besitzer. Bosch, Conti, ZF und Co. können dann aufatmen.

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„Wenn der Vergleich vom Gericht gebilligt wird, sind die Zulieferer, darunter Bosch, von der Haftung ausgeschlossen“, sagte der Bosch-Sprecher unserer Zeitung. Dass der zuständige Richter, der auf Abgas-Klagen spezialisierte Charles R. Breyer, den Fall durchwinkt, gilt unter Kennern der US-Gerichtsbarkeit als „ziemlich wahrscheinlich“.

Experte: Unschuld von Bosch, ZF und Conti nicht bewiesen

Hält also Volkswagen seine schützende Hand über die Top-Riege seiner Zulieferunternehmen und begleicht die volle Rechnung alleine? Immerhin ist der Autobauer von seinen Top-Lieferanten abhängig. Allein von ZF bezieht der Wolfsburger Konzern dem Vernehmen nach jedes Jahr Teile im Wert von sieben Milliarden Euro. Diese These ist umstritten. Wahrscheinlich ist, dass die Zulieferfirmen doch noch zur Kasse gebeten werden. Der jüngst abgeschlossene Vergleich bedeute jedenfalls nicht, „dass kein schuldhaftes Verhalten der Zulieferer in dem Fall vorliegt“, sagt Alexander Bruns, Uni-Professor in Freiburg und Fachmann für internationales Zivil- und Wirtschaftsrecht.

Demnach ist es durchaus möglich, dass VW den Millionen-Vergleich schultert und die alleinige Haftung übernimmt, sich Teile der Kosten durch die Hintertür von seinen Zulieferern aber wiederholt. Aktienrechtlich wäre Volkswagen unter bestimmten Voraussetzungen sogar verpflichtet, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, sagt Bruns.

Über Umwege könnten Zahlungen auf ZF und Co wegen der Verbrauchs-Tricks zukommen

Andere Experten stützen die Auffassung. Aus Informierten Kreisen verlautete, ZF könne durchaus von VW am Schaden beteiligt werden. Im Hintergrund steht die sogenannte Vermögensbetreuungspflicht, der auch die Vorstände von Volkswagen unterliegen. Im aktuellen Fall sei es daher geboten, dass der Wolfsburger Konzern wenn möglich Teile des geleisteten Schadensersatzes „weiterreicht“, schlicht um sich keinem Untreuevorwurf von Seiten der eigenen Aktionäre auszusetzen.

Wird die Sache über Schiedsgerichte geklärt?

Allerdings würden derartige Vereinbarungen zwischen Unternehmen vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten geklärt, sagt der Freiburger Jurist Bruns. Er hält es zudem für möglich, dass sich die Zuliefererunternehmen in internen Absprachen mit Volkswagen verpflichtet haben könnten, den Automobil-Giganten für finanzielle Schäden zu kompensieren. Auch dies würde im Hinterzimmer stattfinden. Bruns sagt: „Die Öffentlichkeit erfährt im Normalfall darüber dann nichts.“