Wer von Singen, dem wichtigsten Knotenpunkt in unserer Region, mit dem Zug nach Stuttgart fahren will, muss für diese Reise fast zwei Stunden einplanen. Die Strecke Zürich-Stuttgart nimmt – selbst bei der schnellsten Verbindung – fast drei Stunden Fahrtzeit in Anspruch. Dabei wurde schon 1996 im Staatsvertrag von Lugano zwischen der Schweiz und Deutschland vereinbart, den Fernverkehr auf dieser Strecke deutlich zu beschleunigen.
Die Schweiz hat ihre Hausaufgaben bereits gemacht und die Ausbauarbeiten im Jahr 2014 abgeschlossen. Auf deutscher Seite lässt die Beschleunigung der Strecke weiter auf sich warten. Gegen diesen Stillstand haben sich nun zwölf Wirtschaftsverbände aus Deutschland und der Schweiz formiert. Sie wollen den Druck auf die Politik erhöhen, damit die Strecke möglichst bald ausgebaut werden kann. „Die Strecke muss endlich den Ansprüchen der Wirtschaft gerecht werden“, sagte Birgit Hakenjos-Boyd, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg, bei einer Pressekonferenz in Rietheim-Weilheim. Wir fassen für Sie die aktuelle Situation rund um den Gäubahn-Ausbau zusammen.
- Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Gäubahn? Die Gäubahn verbindet mit Zürich und Stuttgart zwei der wichtigsten wirtschaftlichen Ballungszentren in der DACH-Region. Die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg sind eng, so dass beide Seiten auf einen möglichst schnellen und reibungslosen Transport von Waren und Personen angewiesen sind. Zudem befinden sich entlang der Gäubahn viele Städte, in denen Unternehmen von Weltrang angesiedelt sind, die eine gute Anbindung zu den Flughäfen in Stuttgart und Zürich sowie zu den Meereshäfen in Hamburg und Genua brauchen. So ist beispielsweise Tuttlingen die Heimat vieler Weltmarktführer im Bereich der Medizintechnik. Auch der Autozulieferer Marquardt mit Sitz in Rietheim-Weilheim unweit von Tuttlingen würde sich einen Ausbau der Gäubahn wünschen. „Das würde uns als Arbeitgeber noch attraktiver machen und viele Autofahrten für Mitarbeiter und Kunden ersparen“, sagte Marquardt-Chef Harald Marquardt, zugleich Vizepräsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg.
- Wie wichtig ist die Gäubahn für den Güterverkehr? Neben dem Transport von Pendlern, Geschäftsreisenden und Touristen ist die Gäubahn auch für den Güterverkehr von großer Bedeutung. „Unsere Branche ist auf einen Ausbau der Gäubahn angewiesen“, sagte Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg. So sei die Rheintalbahn zwischen Basel und Mannheim schon heute überlastet, so dass die Wirtschaft auf Alternativrouten angewiesen sei.
- Wie stehen die Chancen auf einen zügigen Ausbau? Die Modernisierung der Gäubahn ist ein Dauerthema. Der Ausbau hat sich in den letzten Jahren immer weiter verzögert. Trotzdem gibt es zumindest Lichtblicke. So haben Bund und Deutsche Bahn zuletzt eine Finanzierungsvereinbarung für den Ausbau des fünf Kilometer langen Abschnitts zwischen Horb und Neckarhausen geschlossen. Mit einem Baubeginn ist allerdings nicht vor 2021 zu rechnen. Wann der zweigleisige Ausbau der Abschnitte Rottweil-Neufra und Rietheim-Wurmlingen erfolgen soll, steht noch in den Sternen. Die Gäubahn ist auf einer etwa 70 Kilometer langen Strecke zwischen Horb und Tuttlingen nur eingleisig. Durch den zweigleisigen Ausbau sollen die Züge auf der Strecke 20 Minuten schneller sein. Hoffnung, dass nun Bewegung in den Gäubahn-Ausbau kommt, gibt den Wirtschaftsverbänden zudem die Tatsache, dass mit Steffen Bilger ein Staatssekretär aus Baden-Württemberg im Verkehrsministerium sitzt.
- Investiert Deutschland genug in die Deutsche Bahn? Nach Ansicht der Allianz pro Schiene hat Deutschland bei den Investitionen ins Schienennetz viel aufzuholen. Wie der Verband erklärte, gab der deutsche Staat vergangenes Jahr pro Bürger 77 Euro für das Eisenbahnnetz aus. Das ist zwar eine deutliche Steigerung – andere europäische Nationen geben aber viel mehr für den Erhalt und Ausbau der Gleise aus. Spitzenreiter in dem Ranking, das die Allianz – ein Verbund aus Umweltorganisationen, Hochschulen und Bahnunternehmen – zusammen mit der Unternehmensberatung SCI Verkehr erstellt hat, ist wie in den Vorjahren die Schweiz mit 365 Euro. Dahinter folgt Österreich mit Ausgaben von 218 Euro. In den beiden Alpenländern treiben allerdings unter anderem Tunnelbauten die Kosten. Hinter Deutschland liegen noch Frankreich (40 Euro) und Spanien (29 Euro).