Sarah Schierack und Thomas Domjahn

Konstanz/München – Sieben Filialen betreibt die Drogeriemarktkette dm mittlerweile im Raum Konstanz. Allein im letzten Jahr kamen drei neuen Zweigstellen hinzu. Auch entlang des Hochrheins ist dm prominent vertreten. So eröffnete dm im letzten Jahr eine neue Niederlassung in Lottstetten (Landkreis Waldshut). Dadurch kommt dm in der Region zwischen Rheinfelden und Friedrichshafen auf 40 Filialen mit 936 Mitarbeitern. „Die neuen Filialen sind auch eine Antwort auf die starke Nachfrage durch Schweizer Kunden“, sagte Daniela Hübner, Gebietsverantwortliche für den Landkreis Konstanz, Jestetten und die Region Bodensee-Oberschwaben.

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Die Drogerie-Dichte ist fast nirgendwo auf der Welt so hoch wie hierzulande. Die Deutschen und ihre Drogerien, das ist, man kann das so sagen, eine Liebesgeschichte. Längst sind die Geschäfte zu Wohlfühloasen geworden, es gibt Bio-Kost, edle Parfums und Regale voller Produkte, die den Alltag ein wenig schöner machen.

Gleichzeitig ist es auch eine der großen Erfolgsgeschichten der deutschen Nachkriegszeit. Das Geschäft mit Toilettenpapier, Zahnpasta und Co. hat die Gründer von dm, Rossmann und Müller längst zu Milliardären gemacht. Die Branche setzte zuletzt etwa 25 Milliarden Euro um, Tendenz steigend. Der Großteil davon entfällt auf die zwei Marktführer dm und Rossmann. Allein bei diesen beiden Drogerie-Unternehmen kaufen täglich rund 3,7 Millionen Menschen ein.

dm und Rossmann füllen Schlecker-Lücke

dm und Rossmann eröffneten in den vergangenen Jahren hunderte neuer Geschäfte – auch, weil die Pleite des einstigen Marktführers Schlecker eine große Lücke in die Drogerielandschaft gerissen hatte. dm machte 2017 im Schnitt jeden vierten Tag irgendwo im Land einen neuen Laden auf.

Deutschlandweit kommen dm und Rossmann zusammen auf etwa 4000 Filialen. Damit teilen die beiden Riesen den Markt weitgehend unter sich auf, erst weit dahinter folgen kleinere Ketten wie Müller aus Ulm mit etwa 500 Geschäften und der norddeutsche Händler Budnikowsky mit knapp 190 Läden.

Gerade bei jüngeren Kunden ist ein regelrechter Hype um den Einkauf im Drogeriemarkt entstanden. Regelmäßig präsentieren Internet-Stars ihren Zuschauern auf der Videoplattform Youtube in sogenannten „Hauls“, was sie bei dm oder Rossmann eingekauft haben. Junge, meist sehr blonde Frauen halten dann Shampoos oder Gesichtsmasken in die Kamera, schnuppern an Bodylotions und schminken sich. Als die Beauty-Bloggerin Bibi vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit dm ihre Duschschaum-Serie herausbrachte, stürmten ihre Fans regelrecht die Läden.

Stabiles Vertrauen der Verbraucher

Aber auch die älteren Kunden sind den Drogeriemärkten ausgesprochen treu. Jeder zweite Euro, den Verbraucher für Kosmetik und Körperpflege ausgeben, landet hierzulande in den Kassen einer Drogerie. Das ist zumindest bemerkenswert, denn auch Supermärkte und Discounter verkaufen Zahnpasta, Toilettenpapier oder Abschminktücher. Wer seinen Wocheneinkauf macht, könnte also gleich auch die wichtigsten Drogeriewaren besorgen. Aber dm und Co. besitzen etwas, das Supermärkte und Discounter zumindest bei Hygieneprodukten nicht haben: das Vertrauen der Verbraucher.

Wer wissen will, wie Kunden hierzulande ticken, sollte Jon Christoph Berndt fragen. Berndt ist Markenentwickler bei der Münchner Beratungsfirma Brandamazing; er weiß, was Firmen tun müssen, um beim Verbraucher zu punkten. „Drogeriewaren ragen stark in den Intimbereich herein“, sagt Berndt. Wer die Produkte benutze, „ist entweder nackt, krank oder ungeschminkt und fühlt sich anschließend sauberer, gesünder oder hübscher“. Ein paar Minuten Wellness für wenig Geld. Zu einem Händler, der diese Artikel verkauft, müsse man Zutrauen haben – ähnlich wie zu einem Apotheker. Ein Drogeriemarkt erwecke den Eindruck, ein geschützter Raum zu sein. Der Verbraucher soll das Gefühl haben, in guten Händen zu sein.

Um die Kunden an sich zu binden, lassen sich die Drogeriemärkte einiges einfallen: Das Licht ist warm, es gibt Wasserspender und die Mitarbeiter tragen weiße Kittel, die an die Kleidung von Ärzten und Apothekern erinnern. „Drogerien sind heute Erlebnisstätten“, sagt Berndt. Wohlfühlwelten, in denen zwar immer die üblichen Regale mit Shampoos und WC-Reiniger stehen, aber eben auch Ständer mit jenen Produkten, die nebenbei noch im Einkaufskorb landen: Lippenstifte, Müsliriegel, Nahrungsergänzungsmittel, Entspannungstees oder Smoothies. Noch mehr als Supermärkte leben die Drogerien von Impulskäufern. Von Menschen, die nur eine Zahnpasta einpacken wollen und den Laden am Ende mit Produkten für 50 Euro verlassen.

Deutschland ist das Erfinderland der günstigen Drogerie

Und das, obwohl Drogeriewaren in Deutschland so günstig sind wie in kaum einem westlichen Land. Wer im Urlaub Zahnpasta oder Sonnencreme einkauft, wundert sich nicht selten über die deutlich höheren Preise. Diese Entwicklung ist historisch bedingt: Deutschland ist das Erfinderland der günstigen Drogerie. Dirk Roßmann, Gründer der Kette Rossmann, eröffnete in Hannover den ersten Laden, der nach dem einige Jahre zuvor von den Aldi-Brüdern erfundenen Discounterprinzip funktionierte.

Götz Werner, Gründer des Konkurrenten dm, besuchte Roßmann damals, um sich das neuartige Konzept erklären zu lassen. Einige Jahre lang waren die Männer sogar befreundet. In der Folge teilten sie den Drogeriemarkt unter sich auf: Roßmann eroberte mit seinen Filialen den Norden des Landes, Werner breitete sich mit seinen dm-Geschäften im Süden aus. Heute ist diese Revier-Aufteilung Geschichte, genauso wie die enge Beziehung der beiden Pioniere. „Wir haben uns auseinandergelebt“, notierte Roßmann in seiner Autobiografie, die in letzten Monat erschienen ist. In den vergangenen Jahrzehnten seien die beiden immer mehr zu Wettbewerbern geworden.

Das ist allerdings noch nett formuliert. In der Branche tobt ein erbitterter Kampf um Kunden und Marktanteile, der sich in immer wieder neuen Niedrigpreisen äußert. Die Unternehmen haben sich unterschiedliche Strategien zurechtgelegt: dm wirbt mit einem „Dauerniedrigpreis“, Rossmann will Kunden regelmäßig mit Rabattaktionen in die Läden locken.

Konkurrenz durch Zalando, Otto und Edeka

Der Druck könnte sich künftig noch steigern. Denn weil das Geschäft vor allem mit Kosmetik so ertragreich ist, wollen längst auch andere Unternehmen daran mitverdienen. Der Internet-Shop Zalando verschickt seit diesem Jahr Kosmetik. Auch Otto, Deutschlands zweitgrößter Online-Händler, ist in das Geschäft mit der Schönheitspflege eingestiegen und versendet in seinen Paketen unter anderem Produkte des Kosmetik-Riesen L’Oréal.

Der Supermarkt Edeka will den Drogerien ebenfalls Marktanteile abnehmen. Der Lebensmittel-Riese hat sich mit dem Drogerie-Unternehmen Budnikowsky verbündet und will von Hamburg aus den Markt mit Zahnpasta und Co. aufrollen. Ende August eröffnete die von Iwan Budnikowsky im Jahr 1912 gegründete Kette ihre erste Filiale in Berlin. Weitere Geschäfte sollen folgen, erst in Niedersachsen und in der Hauptstadt, dann auch weiter südlich. Für Experten ist das eine klare Kampfansage an die Großen aus der Branche – und ein Zeichen, dass es hinter den Kulissen der Wohlfühlwelt Stück für Stück ein wenig ungemütlicher wird.