Am Samstag endet nach 70 Jahren die Ära der zivilen Nutzung der Kernkraft in Deutschland. Mit Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland gehen die letzten drei Kernmeiler vom Netz. Es wird auch Zeit.
Kernkraft – hoch gefördert und aus der Not geboren
Kernenergie war immer eine Energiequelle, die nie vom Ende her gedacht wurde. Sie hat ihre Ursprünge in den 1950er- und 1960er-Jahren, einer Zeit des Aufbruchs, aber auch der bedingungslosen Technikgläubigkeit, in der ein Besinnen auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen keinen Platz hatte. Ihren Durchbruch im Energiemarkt feierte sie als Reaktion auf die beiden Ölkrisen der 1970er-Jahre. Damals stand die Angst Pate, dass Deutschland ohne die neuen Wundermeiler der Saft ausgehen könnte.
Kurz: Kernkraft überzeugte nie aus sich selbst heraus, sondern immer nur wegen der Umstände, unter denen sie vorangetrieben wurde. Das ist übrigens der große Unterschied zu den erneuerbaren Energien, die einfach, risikolos und billig sind.
Teuer und komplex – Kernenergie hat nie gehalten, was sie versprach
All das trifft auf die Kernenergie nicht zu. Vielmehr wurden die Anlagen, die zum Komplexesten gehören, was Menschen jemals geplant haben, nur errichtet, weil der Staat die Technologie mit Milliardenbeträgen, insbesondere in der Forschung, förderte. Die versicherungsrechtliche Haftung bei Unfällen konnte genau wie große Teile der Endlagerungskosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Und die AKW-Betreiber konnten sich sicher sein, mit den Meilern über Jahrzehnte Monopolgewinne im Strommarkt einzufahren. Gezahlt haben das am Ende alles die Steuerzahler und die Verbraucher – und sie werden es in den kommenden Jahrzehnten weiter bezahlen.

Viele Deutsche haben all das immer irgendwie gespürt. Und daher war die Gesellschaft beim Thema Kernkraft von Anfang an zerrissen. Insbesondere die Angst vor Unfällen ließ sich nie abschütteln und klebt bis heute zäh an der Technologie. Im Nachhinein stellt es kein Ruhmesblatt der Kernkraftkritiker dar, diese Angst bei jeder sich bietenden Gelegenheit instrumentalisiert zu haben, um gegen die Energieform mobil zu machen. Denn tatsächlich gehören die deutschen Kernmeiler zu den sichersten überhaupt.
Angst vor dem Gau
Andererseits ist Sicherheit relativ. Die Folgen eines Gaus sind absolut, wie mehrere schwere Zwischenfälle bewiesen haben. Und wenn kernkraftkritische Fachleute behaupten, dass die über mehrere Jahrzehnte immer wieder nach-, ab-, auf- und umgerüsteten deutschen Meiler nie und nimmer eine technische Vollabnahme nach modernen Maßstäben bestehen würden, ist da sicherlich etwas dran. Nicht von der Hand zu weisen ist auch, dass viele Staaten das anders sehen. Weltweit ist die Kernkraft auf dem Vormarsch.
Dahinter ist aber wieder ein altes Muster erkennbar. Die Welt setzt nach jahrelanger Zurückhaltung nicht deshalb wieder auf die Meiler, weil sie plötzlich von der Technologie überzeugt wäre. Im Gegenteil! Neue Reaktoren werden nur errichtet, weil sie den vermeintlich einfachsten Weg darstellen, sich schnell das lästige Klimaproblem vom Hals zu schaffen, das zu bekämpfen man sich feierlich verpflichtet hat.
Der Ausstieg – eine enorme Verpflichtung für Bürger und Politik
Zukunftsträchtig ist die Kernkraft deswegen aber noch lange nicht. Alle bisher schon drängenden Fragen – von der Endlagerung über die Sicherheit bis zu den Kosten und der Akzeptanz – sind ungeklärt. Wenn Deutschland jetzt aussteigt, beantwortet das Land diese Fragen. Das ist konsequent und richtig.
Die Chuzpe, mit der die Bundesrepublik voran prescht, ist aber gleichzeitig eine enorme Verpflichtung. Sie besteht darin, das Chaos der Energiewende zu beenden und den Ausbau erneuerbarer Energien massiv zu beschleunigen. Politik und Bürger müssen sich bewusst sein, dass sie ab dem 15. April 2023 mit erhöhtem Risiko unterwegs sind. Ein Scheitern ist keine Option mehr, ein Zurück zur Kernkraft ebenso wenig.
Der Weg, auf den sich Deutschland begibt, ist der beste und ehrlichste, aber auch der bei Weitem anstrengendste und steinigste.