Schlecht gedämmte Fassade, alte Fenster, eine Öl- oder Gasheizung: Rund 16 Millionen Häuser in Deutschland sind energetisch in einem Zustand, den die Europäische Gebäuderichtlinie als zu schlecht einstuft. Um das zu ändern, müssten bis zum Jahr 2033 rund 22 Prozent der Ein- und Mehrfamilienhäuser hierzulande energetisch saniert werden.
Viele Hausbesitzer schieben den Einbau einer Wärmepumpe, die Fassadendämmung oder die Dachsanierung mit PV-Anlage jedoch vor sich her. „Es kommen natürlich hohe Kosten auf einen zu. Und einige haben einfach auch Angst vor einer monatelangen Baustelle zu Hause“, sagt Tobias Bacher, Geschäftsführer der Klimaschutz- und Energieagentur Region Schwarzwald Baar-Heuberg. Hier setzt ein neues Programm des Landes Baden-Württemberg an: der sogenannte Sanierungsprint.
Was ist ein Sanierungssprint?
Innerhalb von nur 22 Werktagen sollen Ein- bis Zweifamilienhäuser in Baden-Württemberg komplett energetisch saniert werden. Die höchsten Einsparungen sind dem vom Umweltministerium geförderten Programm Zukunft Altbau zufolge bei Häusern der Baujahre 1945 bis 1980 zu erwarten, mit umfassendem Sanierungsbedarf bei Heizung, Sanitär, Elektro, Fenstern, Dach, Böden und Fassade.
Die regionalen Energieagenturen in Baden-Württemberg sowie Zukunft Altbau informieren und beraten Eigentümer neutral und kostenfrei zu sämtlichen Themen einer Sanierung und unterstützen auch die Sanierungssprints. Auch die im Land vorhandenen Qualitätsnetzwerke Nachhaltiges Bauen, etwa das Netzwerk der Energieagentur Kreis Konstanz, beschäftigten sich mit dem Sanierungssprint.
Wie ist eine so schnelle Sanierung möglich?
„Der Trick dahinter ist ein stundengenauer Bauzeitenplan“, sagt Energieberater Tobias Bacher. Normalerweise geben sich verschiedene Handwerker bei einer Sanierung die Klinke in die Hand. Die Arbeiten laufen nacheinander ab, es entstehen Leerläufe, nicht immer ist alles Material parat. Andere Baustellen kommen dazwischen. „Bei einem Sanierungssprint dagegen sind die verschiedenen Gewerke parallel vor Ort und haben zuvor genau festgelegt, mit wie vielen Mitarbeitern sie wann was machen und müssen sich dann auch daran halten“, sagt Tobias Bacher.
Wie kommt man als Hausbesitzer zu einem Sanierungssprint?
Wer Interesse an einem solchen Sanierungssprint hat, braucht zunächst einen Energieberater, mit dem die nötigen Maßnahmen besprochen werden. „Dann sucht man sich ein Ingenieurs- oder Architekturbüro, das Interesse an einem solchen Projekt hat oder einen Sanierungssprint-Koordinator, der die Planung übernimmt“, sagt Tobias Bacher. Eine Liste solcher Koordinatoren gibt es beispielsweise auf der Homepage von Zukunft Altbau. Dort können sich auch interessierte Handwerksbetriebe melden oder Architekten sowie Energieberater, die sich zu Sanierungsprint-Koordinatoren fortbilden lassen möchten.
Tobias Bacher empfiehlt, für die Planungen eines Sanierungsprints mindestens zwei bis drei Monate Zeit einzurechnen. Auch das Umfeld gilt es, es mit ins Boot zu holen. „Wenn innerhalb von so kurzer Zeit sehr viele Arbeiten an einem Haus gemacht werden, bedeutet das natürlich kurzfristig auch eine hohe Belastung für gesamte Nachbarschaft“, sagt Gerd Burkert, Geschäftsführer der Energieagentur Kreis Konstanz.
Muss man selbst während des Sanierungsspints anwesend sein?
Geht es dann los, empfiehlt Gerd Burkert, den Bauherren, sich Zeit frei zu schaufeln oder Urlaub zu nehmen. Aber nicht etwa, um der Baustelle zu entfliehen. „Es ist notwendig, vor Ort ansprechbar zu sein. Notfalls fehlendes Material zu besorgen und nach Möglichkeit Verpflegung für alle bereit zu stellen“, sagt Gerd Burkert.
Denn ein gemeinsames Mittagessen auf der Baustelle biete den verschiedenen Handwerkern die Möglichkeiten zum nötigen Austausch – und sorge zudem dafür, dass ein Team entstehe. „Außerdem verkürzt es natürlich die Pausenzeiten, wenn Ab- und Anfahrten wegfallen“, sagt Gerd Burkert.
Funktionieren die Sprints wirklich in 22 Tagen?
Da das Programm in Baden-Württemberg erst angelaufen ist, gibt es bislang nur wenige abgeschlossene Projekte. „Hier hat man jedoch gesehen, dass es klappt“, sagt Tobias Bacher. Entscheidend für das Gelingen sei, dass die Bauherren im Vorfeld klare Entscheidungen treffen können. „Bei so einem ehrgeizen Zeitplan ist es während der Sanierung einfach nicht mehr möglich, sich spontan dann doch für eine andere Fassadenfarbe zu entscheiden“, sagt Tobias Bacher.
Was kostet eine solche Turbo-Sanierung?
Nach Angaben der Informationsplattform Zukunft Altbau kommen auf die Bauherren zusätzliche Kosten für die aufwändige Planung im Vorfeld zu, das Honorar für einen Sanierungssprint-Koordinator liegt demnach bei etwa vier Prozent der Investitionssumme.
Insgesamt könnten die Sanierungskosten den ersten Erfahrungen nach dann aber sogar geringer sein, da die Verfahren standardisiert sind und die Baustelle sehr effizient geführt wird. Diese Einschätzung teilt auch Energieberater Tobias Bacher. „Natürlich fließt ein Teil der Kosten in den höheren Planungsaufwand. Aber durch die stundengenaue Kalkulation können die Maßnahmen am Ende sogar etwas günstiger werden als bei herkömmlichen Sanierungen.“
Gibt es Fördermöglichkeiten?
Finanzielle Förderungen sind wie bei konventionellen Sanierungsmaßnahmen möglich über die Bundesförderung für effiziente Gebäude. „Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn künftig bei einem Sanierungssprint noch eine Extra-Förderung des Landes dazu kommt“, sagt Tobias Bacher.