Herr Miedreich, als Chef der Antriebssparte von ZF, beschäftigen Sie sich mit der Zukunft der Mobilität. Benziner, Diesel, E-Fahrzeug oder Hybrid – welche Art von Auto werden wir in Zukunft fahren?

Persönlich fahre ich seit Jahren elektrifizierte Fahrzeuge, zuletzt ein rein batterieelektrisches Auto. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass das technisch beste Fahrzeug ein Elektroauto ist. Effizienz und Komfort, gerade auch in Zusammenspiel mit dem Fahrwerk und modernen Sicherheitssystemen, sind beim E-Auto einfach sehr hoch. Die Geräuschkulisse ist sehr gering, die Beschleunigungswerte sind enorm. Und natürlich ermöglicht das E-Auto CO2-freies Fahren, sofern man Ökostrom tankt. Insgesamt ist das batterieelektrische Fahren ein nahezu perfekter Antrieb. Eine Einschränkung ist die Reichweite. Da ist die Industrie noch nicht da, wo sie hinsollte.

Am Horizont deutet sich eine Technologie an, die diesen Makel ausbügeln soll – die Feststoffbatterie mit Reichweiten auf Verbrenner-Niveau und extrem kurzen Ladezeiten. Wann kommt sie?

Die Feststoffbatterie wird ohne Frage ein Quantensprung für die Elektromobilität. Bis sie aber in alle Fahrzeugklassen Einzug hält, wird es sicher noch zehn bis 15 Jahre dauern.

ZF-Vorstandsmitglied Mathias Miedreich (rechts), verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, und Dr. Otmar ...
ZF-Vorstandsmitglied Mathias Miedreich (rechts), verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, und Dr. Otmar Scharrer (links) vor dem Innovationsfahrzeug EVselect. In ihm hat ZF seine neuesten Technologien gebündelt. | Bild: Felix Kästle

Für den Moment ist das reine E-Auto also noch kein Antrieb für alle Autofahrer?

Klar ist, dass für längere Zeit unterschiedliche Antriebskonzepte koexistieren werden, zumal wenn man die Situation global betrachtet.

Dann blicken wir doch nach Asien. China hat die USA als globaler Leitmarkt für Mobilität abgelöst. Was tut sich hier?

In China dominieren bei den Neuzulassungen E-Autos. Neben reinen E-Fahrzeugen und Plug-In-Hybriden mit Ladekabeln gehören dort – anders als in Europa – aber sogenannte Range-Extender dazu. Das sind Fahrzeuge ohne Stromstecker, die aber trotzdem elektrisch fahren. In ihnen speist ein verhältnismäßig kleiner Verbrennungsmotor eine Batterie, mit der wiederum ein E-Motor angetrieben wird. Solche Range-Extender liegen in China grade voll im Trend. Wir bei ZF halten diese Technologie für sehr vielversprechend und haben daher entsprechende Antriebskonzepte entwickelt.

Neuartiger Range Extender (deutsch: Reichweitenverlängerer) von ZF. Bei dem Konzept lädt ein kleiner Verbrennungsmotor eine Batterie, ...
Neuartiger Range Extender (deutsch: Reichweitenverlängerer) von ZF. Bei dem Konzept lädt ein kleiner Verbrennungsmotor eine Batterie, durch die per E-Motor der Antrieb erfolgt. Ein älteres System von ZF läuft seit 2018 in den Londoner Taxis mit Erfolg. | Bild: zf

Warum setzt China auf diesen Antrieb?

Man hat hier kein Reichweitenproblem, weil ein Verbrennungsmotor an Bord ist, der immer schnell nachgetankt werden kann. Außerdem ist die Batterie verhältnismäßig klein, was die Kosten gegenüber einem rein batterieelektrischen Fahrzeug oder einem Plug-In-Hybrid deutlich reduziert. Obendrein braucht man kein teures Netz aus Stromtankstellen, was den Range-Extender zu einem Antrieb macht, der seine Vorteile auch auf dem flachen Land ausspielt.

Er wäre also auch etwas für große Länder wie Deutschland oder USA?

In Nordamerika geht der generelle Trend, ähnlich wie in Europa und Asien, hin zur Elektrifizierung. Man tut sich in den USA aber mit rein batterieelektrischen Fahrzeugen schwer. Die Distanzen sind riesig, was ein Reichweitenproblem aufwirft. Gleichzeitig lieben die Amerikaner große, schwere Fahrzeuge, Pick-Ups. Die heimischen Hersteller sind beim Versuch gescheitert, reine Elektro-Pick-Up in den Markt zu bringen. Daher gehen sie jetzt verstärkt dazu über, Range-Extender-Varianten anzubieten.

Mathias Miedreich, ZF-Vorstand für Antriebe (rechts) im Gespräch mit SÜDKURIER-Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger am Rande einer ...
Mathias Miedreich, ZF-Vorstand für Antriebe (rechts) im Gespräch mit SÜDKURIER-Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger am Rande einer Teststrecke in Zweibrücken/Rheinland-Pfalz. | Bild: SK

Warum hört man in Europa so wenig vom Range-Extender?

Bei ZF glauben wir, dass dieser Antrieb auch in Europa hohes Potenzial hat. Er wäre eine Möglichkeit, die Fahrzeugflotten schnell und zu günstigen Preisen zu elektrifizieren.

Woran hakt es denn?

Range-Extender kommen nicht zum Durchbruch, weil solche Antriebe in Europa vom Gesetzgeber nicht als elektrisch eingestuft werden und daher nicht von Förderung oder Steuerbefreiung profitieren können. Nach jetzigem Stand dürften sie in Europa ab 2035 nicht mehr neu zugelassen werden. Wir halten das für einen Fehler und hoffen, dass ihn die Politik korrigiert. Der Verbrennungsmotor im Range-Extender arbeitet hocheffizient, weil er quasi immer auf der optimalen Drehzahl läuft. Mit regenerativen Kraftstoffen betankt, sinkt sein CO2-Ausstoß auf nahe null. Man sollte ihn daher in die bestehende EU-Gesetzgebung einarbeiten, genauso wie es etwa bei Plug-In-Hybriden mit besonders großer elektrischer Reichweite geschehen ist.

Der Range-Extender ist kein neues Konzept. Hersteller wie Mazda bieten solche Fahrzeuge schon lange an. Die deutschen Autobauer wollten sie aber nie haben, weil der Antrieb nicht so recht auf schwere, leistungsstarke Limousinen passt. Was macht sie zuversichtlich, dass Mercedes, BMW und Volkswagen nun mitziehen?

Ich sehe, dass das Interesse der deutschen Autobauer an unseren Systemen steigt. In China sind wir gerade im Serienanlauf für einen besonders kompakten und leistungsstarken Range-Extender. Bei den Autobauern gibt es heute keine Scheuklappen mehr. Gegenwind für die Technologie kommt noch von Seiten der EU-Regulierung.

Ein Arbeiter baut in einem Werk der ZF Friedrichshafen AG in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) ein Getriebe. Für seine Antriebssparte ...
Ein Arbeiter baut in einem Werk der ZF Friedrichshafen AG in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) ein Getriebe. Für seine Antriebssparte will sich ZF Partner mit frischem Geld an Bord holen. | Bild: Felix Kästle, dpa

Um ein Elektroauto zu bauen, braucht es weniger Menschen in den Fabriken, als für einen Verbrenner. Was bedeutet der Schwenk zum E-Auto für die Beschäftigung in Deutschland?

Im Moment sehen wir, dass die Transformation zum E-Auto länger dauert, als man das noch vor fünf Jahren gedacht hat, und dass Mischkonzepte wie der Plug-In-Hybrid und der Range-Extender eine größere Rolle spielen werden. Das gibt uns in den Produktionswerken mehr Zeit, auf die Veränderungen zu reagieren. Klar ist aber, dass der Druck auf die Beschäftigung groß bleiben wird und sich eher noch verstärkt. Wir werden um schwierige Einschnitte, auch in der Belegschaft, nicht herumkommen. Sollte die EU ihre aktuellen Pläne anpassen und auch nach 2035 mehr Technologieoffenheit für den Verbrennungsmotor zulassen, wäre das aber ein ganz klares Zeichen für Beschäftigungssicherung bei ZF und in Europa.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Verbrenner-Aus nach 2035 sollte also fallen?

Es muss nicht fallen, es sollte nur technologieoffener an die Ziele einer CO2-freien Antriebswelt angepasst werden. Beim Grundproblem brauchen wir uns nichts vormachen. Die Batterietechnologie als Herzstück von Elektroautos ist im Kern eine asiatische Technologie. Das rein batterieelektrische Fahren durch Mischkonzepte zu ergänzen, die auch Verbrennerkomponenten enthalten, wäre eine Chance für Europa, seine Autoindustrie und die Arbeitsplätze.

Als Leiter der Antriebssparte bei ZF verantworten sie sowohl das klassische Getriebegeschäft, also den Kern von ZF, als auch den Bereich von Elektromotoren und -komponenten. Welcher Teil macht Ihnen beim Blick auf die Geschäftszahlen mehr Spaß?

Ich bin überzeugt, dass die Zukunft vollelektrisch ist. Und ich weiß, dass ZF alle Technologien bereit hat, hier künftig zu punkten. Allein deswegen macht mir das E-Geschäft sehr viel Spaß. Beim Getriebegeschäft freut mich aktuell, dass wir hier viel Erfahrung haben und es die für ZF wichtigen Ergebnisbeiträge bringt.

Das ZF Forum, die Zentrale des Stiftungskonzerns in Friedrichshafen. ZF plant, seine Sparte für Antriebe auszugliedern und für Partner ...
Das ZF Forum, die Zentrale des Stiftungskonzerns in Friedrichshafen. ZF plant, seine Sparte für Antriebe auszugliedern und für Partner zu öffnen, um frisches Kapital zu bekommen. | Bild: Ambrosius, Andreas

Legt man beim Verkauf von Elektroantrieben immer noch drauf?

Jede Technologie braucht eine gewisse Zeit, bis sie die gleiche Profitabilität erreicht hat wie die bislang bestehenden Produkte. Das Problem ist, dass der Markt für Elektroautos nicht so schnell angesprungen ist, wie sich die Branche das erhofft hat. In einer Zeit, in der der Hochlauf geplant war, sinken nun die Stückzahlen im Gesamtmarkt. Die gesamte Industrie – Hersteller wie Zulieferer – befindet sich daher in einer schwierigen Situation – auch ZF.

ZF will ihr Antriebsgeschäft mit 32.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 11,5 Milliarden Euro ausgliedern und für Partner öffnen. Gibt es Interessenten?

Wir suchen einen oder mehrere Partner. Das muss aber auch wirklich passen. Grundsätzlich kommen mehrere Unternehmen für eine solche Partnerschaft in Betracht. Wir nehmen auf diesem Weg aber keine Abkürzungen, wenn das zu Lasten der Qualität der angestrebten Lösung geht. Wir sind sehr wählerisch, was eine mögliche Braut oder einen Bräutigam angeht. Das braucht Zeit, und diese nehmen wir uns auch.