Politik und Wirtschaft im Süden-Baden-Württembergs machen weiter Druck, um eine Abnabelung der Region von einem künftigen Wasserstoffnetz abzuwenden. „Es ist nicht nachvollziehbar, wie eine so wichtige Zukunftstechnologie wie Wasserstoff in unserer Region vernachlässigt werden kann“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Bodenseekreis, Volker Mayer-Lay beim Besuch des Friedrichshafener Großmotorenbauers RRPS in Friedrichshafen.
MTU baut jetzt Motoren für den Wasserstoff-Betrieb
Das Unternehmen hat bis vor wenigen Jahren ausschließlich schwere Dieselmotoren hergestellt, arbeitet seit geraumer Zeit aber an einer Umstellung seiner Produkte hin zu alternativen Brennstoffen. Erst Anfang der Woche hatte das Unternehmen angekündigt, dass schwere Dieselmotoren der 4000er-Baureihe künftig komplett mit Wasserstoff, statt mit Diesel betrieben werden können.
Ein entsprechendes Testat habe der TÜV-Süd erteilt, so RRPS. Werde zum Antrieb grüner Wasserstoff verwendet, der etwa aus Wind- oder Solarstrom gewonnen wird, fielen keinerlei Emissionen an.

Wohin reicht das Kernnetz?
RRPS, das mit gut 6000 Mitarbeitern am Bodensee auch ein großer Energieverbraucher ist und in der Produktion ebenfalls klimaneutral werden will, sorgt sich wie andere Industriefirmen rund um den Bodensee, ob künftig genügend Wasserstoff durch Pipelines in die Region gepumpt werden kann.
Ein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgelegter Entwurf einer leistungsfähigen Pipeline-Infrastruktur, das sogenannte Wasserstoff-Kernnetz, schließt den Industriestandort Bodensee bislang vollkommen aus.

Bodenseeregion ist industriestark
In der regionalen Wirtschaft ruft dies zusehends Kritiker auf den Plan, zumal eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen den Bodenseeraum, zu dem allerdings auch das Bundesland Vorarlberg, Liechtenstein, sowie die benachbarten Schweizer Kantone gezählt wurden, als eine der zehn wirtschaftsstärksten Metropolregionen in ganz Europa ausgewiesen hat.

Auch nach Ansicht der Politik trägt der aktuelle Planungsstand für die künftige Wasserstoffversorgung dem keine Rechnung. Demnach werden die großen Pipelinestränge im Osten in Lindau und im Westen an der französischen Grenze enden. Im Norden sollen lediglich Stuttgart und Ulm angebunden werden.
„Nachbesserungen sind dringlich. Es darf keine weißen Flecken geben und keine Nord-Süd-Schieflage“, sagte dazu der CDU-Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis Konstanz, Andreas Jung. Man kämpfe daher für eine Ausweitung des Kernnetzes, damit wichtige Industriezentren im Bodenseeraum angeschlossen würden.
ZF, Diehl, Constellium – große Verbraucher mit Sorgen
Dazu zählt insbesondere Friedrichshafen, wo neben RRPS auch der weltgrößte Truck-Zulieferer ZF sowie der Zeppelin-Konzern ansässig ist, aber auch Überlingen mit dem Rüstungskonzern Diehl Defence und der Großraum Singen, wo Aluschmelzen und Metallverarbeiter Werke haben. Von RRPS hieß es, dass die fehlende Planungssicherheit durch die unklare Wasserstoff-Strategie des Bundeswirtschaftsministeriums die Investitionsmöglichkeiten erheblich erschwerten.