Späte Genugtuung für Airbus in Immenstaad: 14 Jahre nach dem Verlust eines prestigeträchtigen Milliarden-Auftrags zum Bau von Galileo-Navigationssatelliten für die Europäische Union ist der Luft- und Raumfahrtkonzern aus Immenstaad wieder im Geschäft. Wie das Unternehmen am Freitag mitteilte, habe die Produktion eines ersten Galileo-Satelliten der neuesten Generation am Bodensee begonnen. Bis Ende 2027 sollen sechs Galileo-Erdtrabanten in Immenstaad gebaut werden.
700 Millionen Euro Auftragsvolumen
Das Auftragsvolumen belaufe sich auf mehr als 700 Millionen Euro, sagte Markus Schelke, Galileo-Projektleiter bei Airbus, dem SÜDKURIER. Neben dem mit rund 2100 Mitarbeitern größten Airbus-Satellitenstandort Europas seien auch die Airbus-Werke in Ottobrunn, Toulouse, Madrid und in Backnang beim Bau dabei, hieß es. Die Projektführerschaft liege aber am Bodensee. Allein dort seien rund 130 Mitarbeiter über Jahre mit Montage und Integration der Satelliten beschäftigt.

Airbus hatte Ende 2009 nach der Herstellung von vier Galileo-Satelliten den Auftrag zum Bau der übrigen Systeme völlig überraschend an das Bremer Familienunternehmen OHB verloren. In den Folgejahren produzierten die Bremer gut zwei Dutzend der rund 100 Millionen Euro teuren Fluggeräte. Airbus lieferte allerdings Instrumente, etwa Atomuhren, Signalgeber und Software zu.
Anfang 2021 vergab die Europäische Weltraumagentur ESA den Auftrag für die zweite Generation der Navigationssatelliten dann – ebenso überraschend – wieder zurück an Airbus sowie den französischen Rüstungskonzern Thales. Beide Firmen werden nun je sechs Satelliten herstellen. Fest eingeplant hat die ESA weitere acht Systeme. Die Aufträge sind hier aber noch nicht vergeben. „Wir haben viel investiert und glauben daher, gute Voraussetzungen mitzubringen, auch bei einer neuerlichen Auftragsvergabe zum Zug zu kommen“, sagte Airbus-Manager Silvio Sandrone.
Navigation mit ganz neuer Präzision
Die Galileo-Reihe ist die Antwort Europas auf US-amerikanische GPS-Satelliten sowie die russischen Glonass- und die chinesischen Beidou-Systeme. Sie sollen Europa insbesondere bei Ortungs- und Navigationsanwendungen – von einfachen Positionsbestimmungen bis hin zu autonomem Fahren – unabhängig machen. Es gehe dabei um die Selbstständigkeit Europas in Fragen der Wirtschaft und Sicherheit, sagte Sandrone dem SÜDKURIER.
Die neue Generation der Galileo-Satelliten ist eine Fortentwicklung früherer Modelle. Sie versenden ihre Signale volldigital und -verschlüsselt, was Sicherheit und Leistungsfähigkeit stark steigert. Nach Airbus-Aussagen ermöglichen sie Positionsbestimmungen auf zehn Zentimeter genau und in extremer Geschwindigkeit. Autonomes Fahren und Landen sowie schnellere Banktransaktionen werden so möglich. Das macht die Systeme komplex: Statt 0,7 wiegen sie nun 2,1 Tonnen.
Für Immenstaad bedeutet der Galileo-Auftrag auch den Einstieg in eine Art Serienfertigung von Satelliten. Eigentlich ist der Standort auf große und sehr komplexe Erdbeobachtungssysteme spezialisiert.