Frau Walker, Baden-Württemberg hat den Weg freigemacht, den Bodensee mittels großer Wärmepumpen als Heizung zu nutzen. Wie klappt die Wärmewende mit der Seethermie?
Einige Projekte sind sehr weit gediehen, wie zum Beispiel in Meersburg. In der Schweiz ist man mit Projekten am Zugersee und am Zürichsee schon deutlich weiter als in Deutschland. Die Seethermie ist ein Baustein der Wärmewende, nicht nur hierzulande.
Wie viele Menschen im Einzugsgebiet des Bodensees können mit dieser Art von Wärmeversorgung planen?
Eigentlich fast alle. Das Potenzial ist sehr groß, am Bodensee, deutlich größer als der Bedarf. Das ist ein Segen für die Region. Natürlich heißt das nicht, dass jedes Haus quasi seine Wärmepumpe in den See stellen sollte. Klugerweise plant man Wärmenetze mit vielen Nutzern – so wie aktuell die Stadt Konstanz. Auf jeden Fall geht es nur in Orten, die direkt am See liegen. Wir machen hier keine Wärme für die Landeshauptstadt.
Ist irgendwann der Punkt erreicht, wo dem See zu viel Wärme entzogen würde?
Das sehe ich nicht. Was sich da temperaturmäßig verschieben würde, wäre so minimal, dass es kaum wahrnehmbar ist. Der Klimawandel hat den See deutlich wärmer gemacht, in jedem Jahrzehnt ein halbes Grad. Demgegenüber hat es kaum Auswirkungen, wenn dem See per Wärmepumpe Wärme entzogen wird. Aber natürlich muss man das beobachten – auch mit Blick auf die Gewässerökologie.
Nahwärmenetze und auch Fernwärmenetze zu bauen, ist extrem kapitalintensiv. Wie sehr ist man auf staatliche Förderprogramme angewiesen?
Förderung ist auf jeden Fall wichtig. Wärmenetze mit großen See- oder Flusswärmepumpen sind ein lohnendes Geschäftsmodell – für die Anbieter wie für die Kunden. Fürs Klima und die Unabhängigkeit von fossilen Importen sowieso. Aber die Anfangsinvestitionen sind sehr hoch und für Kommunen oder Stadtwerke alleine nicht stemmbar. 40 Prozent werden daher vom Bund finanziert, allerdings begrenzt bis 2028. Das reicht einfach nicht. Wir brauchen die Verlässlichkeit, dass auch weit über dieses Datum hinaus Geld da ist.
Die Stadtwerke in Mannheim haben angekündigt, komplett aus der Gasversorgung auszusteigen. Ist das was, womit jetzt alle Bürger in Baden-Württemberg rechnen müssen?
Klimaneutral heißt keine fossilen Brennstoffe mehr. Aber es wird niemandem übergangslos der Gasherd zugedreht. Die Energieunternehmen sind verpflichtet, ihre Kunden entsprechend zu versorgen. Deswegen ist ja die kommunale Wärmeplanung so wichtig. Denn die zeigt den Bürgern vor Ort die Wege zur klimaneutralen Wärmeversorgung 2040 auf. Ersatz kann dann der Anschluss an ein Wärmenetz sein, aber auch eine eigene Wärmepumpe oder eine Holzpelletheizung. Dafür gibt es lange Übergangsfristen. Da muss sich keiner Sorgen machen.
Der Bodensee ist der größte Trinkwasserspeicher Deutschlands und das Wasser wird auch immer begehrter. Dieses Jahr hat auch Bayern den Vorstoß gewagt, den Bodensee als Trinkwasserquelle für seine Städte anzuzapfen. Wie stehen Sie dazu?
Man kann ja sich viel wünschen, das ist klar. Am Ende muss man erstmal Planungsgrundlagen vorlegen. Wir haben in Baden-Württemberg den Masterplan Wasserversorgung. Wir machen für jede Kommune einen Klimacheck und schauen: Wie ist die Lage die nächsten zehn, 20 Jahren? Wir planen möglichst dezentral.
Was heißt das für Bayern?
Ich würde von Bayern erwarten, dass sie auch mal eine detailliertere Planung vorlegen, bevor sie sagen, wir nehmen vorsorglich so und so viel Wasser vom Bodensee. Danach kann man über solche Wünsche reden, davor nicht. Ich will jedenfalls keine Abstriche für Baden-Württemberg oder den Bodensee. Darauf müssen sich die Menschen hier im Land verlassen können.
Kann Baden-Württemberg dagegen ein Veto einlegen?
Wir haben ein Mitspracherecht über die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee. Bayern müsste darlegen und abstimmen, wie sich zusätzliche Entnahmen auf den See auswirken. Noch haben wir dazu nichts auf dem Tisch.
Die Bodensee-Wasserversorgung realisiert in Sipplingen gerade ein Megaprojekt, das Projekt Zukunftsquelle. Dabei sind die Kosten explodiert, von 360 Millionen auf 4,6 Milliarden. Mehrere Spitzenbeamte aus Ihrem Ministerium sitzen im Verwaltungsrat. Erzählen Sie uns doch mal, was da gerade schiefgeht.
Bei der Bodensee-Wasserversorgung haben im Verwaltungsrat die Kommunen das Sagen, wir sind beratende Mitglieder ohne Stimmrecht. Nach Angaben der Geschäftsführung haben die Kostensteigerungen verschiedene Gründe, etwa fortlaufende Konkretisierung der Planungen sowie Kostensteigerungen im Baugewerbe seit 2017 und gestiegenen Zinskosten. Es sind hohe Investitionen, die aber sicherlich notwendig sind.
Wasser wird ein knapperes Gut werden. Klimaprognosen bis 2050 zeigen, dass in manchen Teilen des Landes bis zu 20 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet wird. Gleichzeitig rechnen wir mit höherem Verbrauch bei längeren Hitze- und Dürreperioden.

Am Ende sind es dann die Wasser-Kunden, die die Kostenexplosion zahlen…
Ja, das ist leider so. Grundsätzlich stehen wir in Deutschland an vielen Stellen vor der Herausforderung, Infrastruktur, die vor vier, fünf Jahrzehnten gebaut wurde, zu erneuern, zu modernisieren und auszubauen. Als Land haben wir aber derzeit nicht die Möglichkeit, diese Investitionen zu unterstützen. Das geben unsere Programme einfach nicht her. Dafür müsste man im Landeshaushalt einen Extratopf für Zukunftsinvestitionen schaffen. Was ich gut fände – aber es gibt ihn nicht. Deshalb plädiere ich auch für eine Reform der Schuldenbremse, die Investitionen in neue Infrastruktur ausnimmt, von der wir ja auch wieder Jahrzehnte profitieren werden.
Im Koalitionsvertrag war vor drei Jahren von 1000 neuen Windrädern die Rede. Wie viele stehen davon heute?
Im Koalitionsvertrag steht: Wir schaffen die Voraussetzungen für 1000 neue Windräder, nicht, dass wir in vier Jahren 1000 Windräder bauen. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Wir haben insgesamt Projekte von 884 Anlagen in der Pipeline. Davon sind 160 bereits genehmigt, 182 beantragt und 542 vorgestellt. Wir haben die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt auf in diesem Jahr durchschnittlich sieben Monate. Damit sind wir deutschlandweit Spitzenreiter. Ich bin recht sicher, dass wir so auch unsere Ziele bis 2030 in Sachen Windenergie in Baden-Württemberg erreichen können.
Der allgemeine Boom der Windkraft führt allerdings zu Lieferengpässen, die Branche leidet an Fachkräfte-Mangel. Wir stellen fest, dass die Kapazitäten vorrangig in Projekte fließen, die unkomplizierter zu realisieren sind – also eher in der norddeutschen Tiefebene als auf Schwarzwaldhöhen mit engen Straßen. Für die nahe Zukunft bin ich trotzdem optimistisch. Die Regionalpläne sind Mitte nächsten Jahres fertig, da haben wir dann überall im Land Minimum 1,8 Prozent Vorrangflächen mit beschleunigten Genehmigungsverfahren. Das wird nochmal einen Schub geben.
Wie viele Windkraftanlagen sind denn in Ihrer Amtszeit, also seit Mai 2021, in Betrieb gegangen?
62 Anlagen mit einer installierten Leistung von über 250 Megawatt. Es sind aber knapp 800 Anlagen in Bearbeitung, die es vorher nicht gab. Wir haben das Genehmigungsverfahren durchdigitalisiert und Stabsstellen auf den Regierungspräsidien eingerichtet, die sowohl die Antragsteller als auch die Landratsämter unterstützen. Da haben wir echte Fortschritte erzielt. Bei der Nutzung der Solarenergie sind wir in Baden-Württemberg übrigens auf Platz zwei in Deutschland.

Im Bodenseeraum gibt es die Windwende de facto nicht. Im LK Konstanz sind drei Anlagen sind in Betrieb, drei weitere in Genehmigung. Im Bodenseekreis gibt es keine einzige. Wie kann man so eine Energiewende durchziehen?
Hier in der Region tut sich tatsächlich wenig. Die Gegend um den Bodensee ist, was die Windhöffigkeit und den Naturschutz angeht, auch weniger gut geeignet als zum Beispiel der Main-Tauber-Kreis oder der Ostalbkreis. Ich sehe hier ein großes Potenzial für die Solarenergie. Die Kombi-Projekte zur Agri-PV rund um den Bodensee laufen sehr gut. Aber natürlich wird man auch hier Windräder sehen, über kurz oder lang.
Südbaden ist nur unzureichend an ein künftiges Wasserstoffnetz angeschlossen. Was tun?
Dieses Netz gibt es noch nicht. Es gibt jetzt eine Planung – Deutschland ist das erste Land in Europa, das so einen Plan vorlegt. Das Ziel muss sein, dass erste Wasserstoff-Oasen entstehen, von denen aus dann weitere Wasserstoff-Pipelines geplant werden. Das ist ein marktwirtschaftlicher Prozess. Das heißt, wir haben Energieunternehmen, die überlegen, ob es sich für sie lohnt, hier eine Pipeline zu bauen. Damit sie das machen, müssen genügend Firmen möglichst verbindlich Bedarf anmelden. Dann wird auch gebaut.
Das heißt, das Problem war eher, dass diejenigen, die potenziell Wasserstoff brauchen, nichts gesagt haben?
Doch, aber nicht genügend und nicht zu dem Zeitpunkt, als die erste Planung gemacht wurde. Viele Unternehmen waren da noch nicht ausreichend informiert. Deshalb haben wir – übrigens als einziges Bundesland – mit vielen Partnern wie den IHK eine zusätzliche Abfrage gemacht. Die hat uns Landkreis-scharfe Daten geliefert. Die gute Nachricht ist, dass die Planung alle zwei Jahre fortgesetzt wird. Also überall, wo dann Bedarf angemeldet wird, kann zum Beispiel die EnBW entscheiden, eine Leitung zu bauen. Unsere Abfrage ist dafür die Grundlage.