Die Rohstoffkrise greift in immer mehr Bereiche über und wird zur Belastung für die gesamte Wirtschaft. Mittlerweile werden in Deutschland sogar Papier und Verpackungen knapp. „So dramatische Preissteigerungen und Lieferprobleme habe ich in 30 Jahren im Geschäft nicht erlebt“, sagt beispielsweise Steffen Würth, Co-Geschäftsführer des Bräunlinger Verpackungsherstellers Straub.

Sein Unternehmen verpackt so ziemlich alles – von Getränken und Lebensmitteln bis hin zu Gefahr- und Industriegütern. An allen Ecken und Enden herrsche Mangel, sagt Würth, der zugleich Vorsitzender des Verbands der deutschen Wellpappenindustrie (VDW) ist.

Steffen Würth, Co-Geschäftsführer der Firma Straub Verpackungen in Bräunlingen kennt das Pappe- und Papiergeschäft seit Jahrzehnten. Was ...
Steffen Würth, Co-Geschäftsführer der Firma Straub Verpackungen in Bräunlingen kennt das Pappe- und Papiergeschäft seit Jahrzehnten. Was derzeit passiert, sei eine Ausnahmesituation, sagt er. | Bild: Straub

Nicht nur im Schwarzwald, überall in der Republik gibt es das gleiche Problem: Papier und Pappe ist Mangelware. In manchen Filialen des Einzelhändlers Rewe waren Mitte Oktober Papiertüten vergriffen.

Um die Einkäufe zu verstauen, musste wieder auf Plastiktragetaschen zurückgegriffen werden. Und beim Bouletten-Bräter Burger-King gingen zeitweise Trinkhalme aus. Am Rande der Frankfurter Buchmesse wurde zudem bekannt, dass Verlage um die Auslieferung ihrer Bestseller zu Weihnachten fürchten. Nachdrucke beliebter Werke seien in vielen Fällen derzeit nicht mehr möglich, hieß es. Auch hier ist der Papiernachschub das Problem.

Branche spricht von „erheblichen Versorgungsengpässen“

Von „erheblichen Versorgungsengpässen im Papiermarkt bundesweit“ spricht Gregor Andreas Geiger, Bereichsleiter beim deutschen Branchenverband Papierindustrie. „Wir haben da gerade eine absolute Ausnahmesituation“, ergänzt der Fachmann im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Knapp seien vor allem Papiersorten, die aus Altpapier hergestellt würden und beispielsweise bei Zeitungen, Magazinen, Katalogen oder Broschüren zum Einsatz kämen.

So kündigte Anfang Oktober die Lokalzeitung „Mindener Tageblatt“ an, in Zukunft nur noch in abgespeckter Form zu erscheinen. Statt 28 Seiten täglich erhalten die Leser des in Westfalen erscheinenden Blatts demnächst nur noch 24 Zeitungsseiten in ihre Briefkästen. Der Zeitung gehe das Papier aus, teilte die Verlagsleitung mit. Der Markt sei leer gefegt. Man erscheine lieber reduziert, als bald womöglich gar nicht mehr. Auch andere Zeitungen wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ oder die „Kölnische Rundschau“ haben angekündigt, ihre Blattstruktur anzupassen. Auch hier herrscht akuter Papiermangel.

Der Paket-Boom verknappt die Papiermengen in anderen Bereichen.
Der Paket-Boom verknappt die Papiermengen in anderen Bereichen. | Bild: Bernd Wüstneck, dpa

Tatsächlich haben die Spätfolgen der Corona-Krise des Jahres 2020 die Rohstoffmärkte mit voller Wucht getroffen. In der Auto- und Elektronikindustrie sind es Mikro-Chips, in der Chemiebranche Kunststoffe und Fasern, im Baubereich Hölzer und Eisen, die nicht verfügbar oder spürbar teurer geworden sind.

Die Papierindustrie trifft es mit einiger Zeitverzögerung, deswegen aber nicht minder hart. Um rund 70 Prozent hätten sich Rohstoffe wie Altpapier innerhalb eines Jahres verteuert, heißt es aus der Branche. Und weitere Preiserhöhungen stünden in den kommenden Monaten an.

Weniger Briefe, mehr Pakete

Wer auf die Suche nach den Gründen für die Ausnahmesituation geht, stößt auf langfristige Trends und kurzfristige Einflussfaktoren, die derzeit zusammenfallen und in einer Versorgungskrise kulminieren.

Papier als Rohstoff gilt schon seit Jahrzehnten als Auslaufmodell. Die Digitalisierung der Kommunikation, etwa durch E-Mails, E-Books oder Messangerdienste hat das Briefaufkommen gesenkt und das Buch teilweise verdrängt. Hinzu kommen sinkende Auflagen von Tageszeitungen.

Bild 3: Papier wird zur Mangelware: Wer Weihnachten Bücher verschenken will, sollte sich beeilen
Bild: Rosenberger, Walther

Die Corona-Krise mit ihren Lockdowns hat diese Entwicklung beschleunigt. Weil beispielsweise Läden geschlossen waren, wurde von vielen Geschäften auf Werbe-Flyer verzichtet. Als Folge sank die Nachfrage nach Papier.

Lieferverträge wurden storniert, und Papierfabriken mussten sich nach anderen Absatzwegen umsehen. „Neue Abnehmer gab es vor allem im Export“, sagt VDW-Chef Würth. Als die Wirtschaft zügiger als gedacht wieder ansprang, habe den klassischen Abnehmern Papier gefehlt, sagt Würth.

Hunderte Millionen Verpackungen für Corona-Impfdosen und Tests

Verschärft wurde die Entwicklung durch den kometenhaften Aufstieg des Online-Handels. Hunderte Millionen von Päckchen und Pakete mussten versandt werden. Übrigens genauso wie gigantische Mengen von Corona-Tests und Impfdosen. „Da kam in kurzer Zeit sehr viel zusammen“, sagt Steffen Würth. Im Moment könne man bei Weitem nicht so viel Papp-Verpackungen liefern, wie die Kunden wünschten. Die Lieferzeiten hätten sich verdoppelt. Bis sich die Lage entspanne, könne es noch Monate dauern.

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Ähnlich hört es sich bei Andreas Jörger an, der als Leiter Materialwirtschaft, sicherstellen muss, dass für Millionen von Druckprodukten, die im SÜDKURIER Medienhaus jedes Jahr verarbeitet werden, immer genug Nachschub vorhanden ist.

„Ich kämpfe im Moment um jeden Lkw mit Papier“, sagt Jörger. Noch sei die Versorgung sichergestellt, sagt er. Auch weil der SÜDKURIER anders als mancher Konkurrent noch Lagerkapazitäten habe, die den Druck über etwa eine Woche retten könnten und von den Papierfabriken beliefert wird. An eine Reduktion der Zeitungs-Umfänge werde daher beim SÜDKURIER im Moment auch noch nicht gedacht, sagt er.

Energiepreise schießen in die Höhe

Allerdings schießen auch am Bodensee die Rohstoffpreise in die Höhe. Ab Anfang 2022 muss der SÜDKURIER-Einkäufer fürs Druck-Papier rund 50 Prozent mehr als derzeit auf den Tisch blättern. Die Extrakosten schätzt er auf „einen siebenstelligen Betrag“.

Und der nächste Preisschock steht bereits vor der Tür. Pünktlich zur Heizsaison gehen die Strom- und Gaspreise auch für Großkunden durch die Decke. Jörger sagt: „Da kommt noch was auf uns zu.“