Er hatte Großes mit sich vor, und seine Gewerkschaft, die IG Metall, eigentlich auch. Aber dann kam das Jahr 2023. Und an dessen Ausklang sagte Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Bezirksleiter des mächtigen Bezirks Baden-Württemberg, jetzt folgenden Satz: Nach einem intensiven Denk- und Reifeprozess sei für ihn am Ende die Entscheidung gestanden, seine „hauptberufliche Funktion bei der IG Metall bis Ende März 2024 zu beenden und nach einer Auszeit etwas ganz Neues zu beginnen.“

Wendejahr 2023

Das wars. Der gebürtige Badener Zitzelsberger, den viele vor nicht mal einem Jahr schon an der Spitze der größten Einzelgewerkschaft der freien Welt gesehen hatten, geht. Warum es so weit kam, ist immer noch nicht gänzlich klar.

Respekt, aber nicht gerade Freundschaft: Roman Zitzelsberger (links), Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, und Harald ...
Respekt, aber nicht gerade Freundschaft: Roman Zitzelsberger (links), Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, und Harald Marquardt, stellvertretender Vorsitzender Südwestmetall, und Chef des gleichnamigen Autozulieferers in Rietheim, geben sich nach der Tarifrunde 2022 die Hand. | Bild: Marijan Murat, dpa

Klar ist: Mit dem 57-Jährigen kommt der Metall-Gewerkschaft einer ihrer wohl fähigsten Tarifexperten und Bezirksleiter abhanden. Auf sein Konto gehen seit 2013 – damals übernahm er den Bezirk von seinem Vorgänger Jörg Hofmann – die Aushandlung gleich mehrerer Pilotabschlüsse fürs Bundesgebiet mit seinen 3,9 Millionen Beschäftigten.

Gleichzeitig geht einer, der als gelernter Maschinenschlosser die Realität der Arbeit an der Basis kannte und den die Gegenseite der Metallarbeitgeber respektierte und auch vertraute. Hart, aber pragmatisch auftretend blieb die IG Metall unter dem gebürtigen Ettlinger (Landkreis Karlsruhe) was sie immer war: Ein Taktgeber für die Lohnentwicklung in Deutschland im Tarifbereich. Aber es kam Neues hinzu.

Mit der Durchsetzung des Wahlrechts zwischen Freizeit und Geld für die rund 450.000 Beschäftigten im Südwesten entwickelte sich der Metall-Tarif unter Führung Zitzelsbergers zu einem der innovativsten Regelwerke der Republik in Arbeitszeitbelangen. Und dass es ihm gelang, mindestens 10.000 dual Studierende in Baden-Württembergs Unternehmen in den Tarif aufzunehmen, sicherte der Branche den so wichtigen Zuspruch der Jugend.

Peer-Michael Dick (links), der Geschäftsführer von Südwestmetall und Roman Zitzelsberger kennen und schätzen sich durch viele ...
Peer-Michael Dick (links), der Geschäftsführer von Südwestmetall und Roman Zitzelsberger kennen und schätzen sich durch viele Tarifverhandlungen. | Bild: Bernd Weißbrod

Dass einer, der lange als natürlicher Kronprinz für den Bundesvorsitz, gehandelt wurde und dies immer auch selbst anstrebte, nun abtritt, entbehrt daher nicht einer gewissen Tragik.

Setzte sich gegen Zitzelsberger durch: Christiane Benner, seit wenigen Wochen IG-Metallchefin im Bund
Setzte sich gegen Zitzelsberger durch: Christiane Benner, seit wenigen Wochen IG-Metallchefin im Bund | Bild: Arne Dedert, dpa

Auch wenn er das wahrscheinlich niemals selbst so sagen würde, stand ihm eine Frau im Weg, die sich ebenfalls um die Gewerkschaft verdient gemacht hatte – Christiane Benner. Auch die Nummer zwei der IG Metall auf Bundesebene wollte den Top-Job der Vorsitzenden und ließ sich nicht an die Spitze des DGB wegloben. Als die Idee einer Doppelspitze – die wohl beide Kontrahenten mitgetragen hätten – Vor einem halben Jahr am Votum der Mitglieder scheiterte, zog Zitzelsberger den Stecker. Oder besser: Es zog ihm den Stecker.

Rückzug aus gesundheitlichen Gründen

Aus gesundheitlichen Gründen, gab er den Kampf um den Bundesvorsitz auf, um sich nach einer Auszeit wieder ganz auf Tarifpolitik im Südwesten zu konzentrieren. Manche sprachen damals schon von einem Abschied auf Raten, der gestern zur Gewissheit geworden ist. Bei „aller Schwere des Abschieds“, sei jetzt die richtige Zeit zu gehen, sagte Zitzelsberger in einer persönlichen Erklärung, die dem SÜDKURIER vorliegt. Er danke allen Wegbegleitern für das Erreichte „und die gemeinsame Zeit.“

Was wird aus den Aufsichtsratsmandaten, etwa bei ZF Friedrichshafen oder Merdedes-Benz?

Auch seine übrigen Ämter, darunter etwa der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitz beim Autozulieferer ZF Friedrichshafen oder die Aufsichtsratsposten bei Mercedes-Benz oder Daimler Trucks, werde Zitzelsberger nach seinem Ausscheiden aus der IG Metall nach einer Übergangsphase abgeben, hieß es von Seiten der Gewerkschaft. Ganz ins Private werde er sich aber nicht zurück ziehen. Ein Schaffer bleibe ein Schaffer.