Noch sind die Tore der Werft in Friedrichshafen geschlossen. Dahinter in der Halle befindet sich der Anfang der Verkehrswende auf dem Bodensee. Die Artemis ist das erste Personenschiff der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) mit Elektro-Antrieb. Am Dienstag hat sie das erste Mal Bodenseewasser unter dem Kiel gehabt.
Erstes großes Elektroschiff gleitet über den Bodensee
Das neue E-Schiff, ist etwas Besonderes. Ein ganz neues Fahrerlebnis – auch für die Gäste auf der geplanten Route zwischen Mainau und Unteruhldingen. Mit 13 Stundenkilometern soll das Schiff, das noch den Projektnamen Artemis trägt, ab Mitte Juli ohne Emissionen über den See schippern. Schiffe mit anderen Antrieben fahren um die 22 Stundenkilometer, erläutert BSB-Kapitän Rainer Blumenstein.
Die Energiewende auf dem Bodensee beginnt also gemächlich. Doch die BSB möchte die komplette Flotte in den kommenden Jahren klimaneutral gestalten. Der Wandel soll schnell vorangehen, der Bodensee zu einer Modellregion für umweltfreundliche Schifffahrt werden. Das ist Christoph Witte, technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsführung der BSB, ein großes Anliegen. Auch er steht mit großer Anspannung am Hafen vor der Werft, während sich ganz langsam unter Nebelschwaden und mit lauter Musik die Tore der Halle öffnen und erste Blicke auf das Schiff freigeben.

Die gesamte Schifffahrtsbranche probiert sich in der Dekarbonisierung aus, also dem Abschied von fossilen Energiequellen. Immerhin verursacht die internationale Schifffahrt weltweit drei Prozent aller klimaschädlicher Emissionen. „Das ist so viel wie Deutschland als Wirtschaftsnation produziert“, stellt Peter Moller vom Maritimen Cluster Norddeutschland als Vergleich daneben. Er beschäftigt sich intensiv mit dem technischen Wandel, der unsere Mobilität verändert.

„Deutschland hinkt bei Elektroschiffen hinterher“
Elektroschiffe erobern in Deutschland vermehrt die Binnengewässer, doch „hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinterher“, so Moller. Vor allem die Norweger würden in ihren Fjorden und Seen auf Elektroantriebe setzen. Allerdings sei dort der Strom durch die vielen Wasserkraftwerke auch wesentlich günstiger.
So ist die Artemis – bis auf eine kleine Solarfähre auf dem Untersee – das einzige Personenschiff auf dem Bodensee, das ohne Emissionen auskommt. Sie wird mit grünem Strom geladen, in der Mittagspause dauert es eine Stunde, bis 80 Prozent der Kapazität von 1000 kWh aufgeladen sind. Abends nach Feierabend dauert es zwei Stunden, bis der Akku wieder voll ist. 20 Prozent ihrer Energie produziert das Schiff über Solarzellen selbst, sagt Witte von der BSB.
Ganze BSB-Flotte soll klimaneutral werden
BSB-Geschäftsführer Frank Weber steht neben ihm und schaut wie sich das Schiff, wie in Zeitlupe aus dem großen Schuppen schiebt. „Wenn wir die ganze Flotte dekarbonisieren wollen, haben wir mit diesem Schiff gerade zwei Prozent geschafft“, sagt er. Im Vergleich zu einem Schiff mit Dieselmotor, die sonst auf dem See unterwegs sind, spare die Artemis 30.000 Liter an Kraftstoff pro Jahr einsparen. Auch im Unterhalt werde das Schiff günstiger sein, da die E-Motoren eine längere Laufzeit hätten als die sonst üblichen Dieselmotoren.
Ein zweites Elektroschiff könnte bald folgen
Wenn sich der 3,6 Millionen Euro teure Elektro-Katamaran bewährt, dann soll schon bald der Auftrag für einen weiteren folgen. In drei Jahren könnte der Zwillingsbruder Apollo dann auch über den See gleiten. Eine entsprechende Vereinbarung gibt es mit der Werft Ostseestaal in Stralsund schon.
Dort wurde das Schiff fast im Zeitplan gebaut. Neun Monate dauerte es von der ersten Aluminiumplatte bis zum fertiggestellten Katamaran. Entworfen und vorgebaut wurde in Stralsund. Seit Februar erfolgte in der BSB-Werft in Friedrichshafen die Endmontage.
Preissteigerung von 15 Prozent
Ingo Schillinger ist bei der Werft verantwortlich für das Projekt und aus Stralsund angereist, um die Einwasserung live mitzuerleben. Bei dem neuen Bodensee-Schiff sei vor allem die geplante Passagieranzahl eine Herausforderung gewesen. So große Schiffe habe die Werft bislang noch nicht gebaut.
Vor allem habe es während des Baus Schwierigkeiten gegeben, das Material, das beständig im Preis stieg, zu beschaffen, sagt Schillinger. Er schätzt, dass die gesamten Kosten für den Bau der Artemis um 15 Prozent gestiegen sind. Statt 3500 Euro habe eine Tonne Aluminium am Ende mindestens das Dreifache gekostet.
Auch auf dem Zürichsee werden die Boote der Ostseestaal bald unterwegs sein. Drei der Limmatboote sollen ersetzt werden, teilt Roman Knecht, Direktor der Zürichsee Schifffahrt Gesellschaft mit. Auch die ZSG strebt Klimaneutralität an und möchte die erste klimaneutrale Schweizer Schifffahrtgesellschaft sein, so Knecht. So kämen auch die alten Dampfschiffe auf den Prüfstand und würden umgerüstet.
Alle Antriebe werden geprüft
Unterschiedliche Antriebe werden auch bei der BSB, einer Tochter der Konstanzer Stadtwerke, geprüft. „Wir schauen, wofür wir das Schiff einsetzen wollen. Danach richtet sich dann der Antrieb“, sagt Witte. Deswegen habe man sich auch damals vor acht Jahren bei einer neuen Auto-Fähre für einen LNG-Antrieb entschieden, der erheblich mehr Leistung als ein Elektroantrieb bringen könne.

Besagte Autofähre der Stadtwerke steht noch in Konstanz-Staad im Hafen und ist noch nicht fahrtüchtig. Nach der Insolvenz der beauftragen Werft kam es zu Bauverzögerungen. Nun soll die Fähre Anfang 2023 einsatzbereit sein. Allerdings ist das Flüssiggas zwar klimafreundlicher als Dieselkraftstoff, hinterlässt aber dennoch Emissionen.
Witte hält den Antrieb nach wie vor für den richtigen. Er sieht das Gas als Übergangslösung. Wenn sich grünes Methan als Treibstoff durchsetze, dann ließe sich das Schiff sofort damit betreiben und sei klimaneutral. Grünes Methan wird künstlich hergestellt und nutzt dafür vorhandenes CO2 aus der Atmosphäre, das später beim Verbrennen wieder freigegeben wird. Angesichts der Rohstoffknappheit und der Weiterentwicklung der Batterietechnik würde man sich heute vielleicht für einen anderen Antrieb entscheiden, sagt Witte.
Doch nun steht erstmal die Freude über ein gelungenes Projekt im Vordergrund. Das Schiff schwimmt, der Stapellauf ist geglückt. Gleich nach der Schiffstaufe am 17. Juli sollen dann Passagiere das Schiff erleben dürfen.