Meine Mutter hat einen Oberschenkelhalsbruch und kann sich nach dem Krankenhausaufenthalt nicht alleine zuhause versorgen. Welche Möglichkeiten gibt es als Angehöriger, sie zu unterstützen?
Wer aus einer akuten Situation heraus einen Familienangehörigen zuhause pflegen muss, der kann sich für einen begrenzten Zeitraum von der Arbeit freistellen lassen. Angehörige können sich so auch kurzfristig um einen Pflegefall kümmern. Und haben Zeit, sich um das Nötigste zu kümmern sowie eine möglicherweise notwendige anschließende Pflege zu organisieren. Um den Verdienstausfall aufzufangen, zahlt die Pflegekasse das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld für die Dauer von bis zu 10 Tagen. Ausgezahlt werden 90 Prozent des Nettoverdienstes, jedoch maximal 112,88 Euro. Der Bedarf der Pflege muss zeitnah durch eine ärztliche Bescheinigung bei der Pflegekasse nachgewiesen werden. Der pflegende Angehörige erhält von der Versicherung eine Bescheinigung, die er dem Arbeitgeber vorlegen muss.

Ein Elternteil baut körperlich immer stärker ab und braucht regelmäßig Unterstützung. Welche finanzielle Unterstützung bekomme ich, wenn ich deswegen nicht mehr voll arbeiten kann und die Arbeitszeit reduzieren muss?
Eine finanzielle Entschädigung soll pflegenden Angehörigen das Pflegegeld bieten. Einen Anspruch darauf gibt es, wenn die zupflegende Personen mindestens einen Pflegegrad von Stufe 2 erreicht hat, erklärt Pia Aigner-Faller vom Pflegestützpunkt des Landkreises Konstanz. „Das Pflegegeld stellt allerdings nur eine Aufwandsentschädigung dar.“ Das Pflegegeld reicht von 316 Euro in der Pflegestufe II bis zur Höhe von 901 Euro in Pflegestufe V. „Für die Pflegenden Angehörigen reicht das hinten und vorne nicht“, bewertet Aigner-Faller die Zahlungen.
Unter welchen Voraussetzungen wird das Pflegegeld gezahlt?
Um Pflegegeld beantragen zu können, muss der Antragssteller pflegebedürftig sein und mindestens den Pflegegrad II haben. Gezahlt wird das Geld an Angehörige oder Bekannte, die die Pflege zuhause übernehmen können. Wird eine Pflegestufe beantragt, kommt ein Gutachter der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes. Dieser beurteilt die Pflegbedürftigkeit anhand eines Kriterienkatalogs im privaten Umfeld. Nach der Erteilung der Pflegestufe, kommt in regelmäßigen Abständen ein Experte ins Haus – für den sogenannten „Pflegepflichteinsatz“. Dieser dient dazu, die Qualität der häuslichen Pflege zu sichern und die Pflegenden zu beraten und anzuleiten.
Ich pflege meinen Vater, muss deswegen aber meine Arbeitszeit reduzieren. Wie wirkt sich das auf meine Rente aus?
Durch die Lohneinbußen zahlen die Pflegenden weniger in die Rentenkasse ein. Auch um der Altersarmut vorzubeugen, zahlt die Pflegekasse für die Pflegeleistung einen Beitrag zur Rente. Hier ist allerdings der Pfleggrad II der zu pflegenden Person notwendig. Mindestens zehn Stunden, verteilt auf zwei Tage pro Woche muss die Angehörige oder Bekannte sich um die Person kümmern – und zwar im häuslichen Umfeld. Das können die Kinder, Geschwister oder Ehepartner sein, aber auch Nachbarn oder Freunde. Die Rentenversicherung rechnet zudem die Pflegezeit als Beitragszeit an.
Ganz ohne Arbeit geht es nicht. Wie kann ich einen Betreuung meiner Mutter sicherstellen, wenn ich für zwei Tage ins Büro muss?
Die Pflege von Angehörigen bedeutet eine außergewöhnliche Belastung für die Pflegenden. Wer nicht ganz auf seine Arbeit verzichten will oder möchte, muss die Betreuung der Mutter anders organisieren. So lässt sich ein Teil des Pflegegeldes auch als Pflegesachleistungen einsetzen, rät Pia Aigner-Faller. Ein Pflegedienst übernimmt dann bestimmte Aufgaben, wie das Waschen. Eine Entlastung kann dann auch die Tagespflege bringen. Die Pflegebedürftige werde abgeholt und außer Haus den Tag über betreut, erklärt die Fachfrau.
Und wenn das die Mutter nicht mitmacht?
Dann sei es richtig, das deutlich anzusprechen, sagt Aigner-Faller. Wer auf die Pflege durch eine vertraute Person nicht verzichten möchte, müsse auch mal in den sauren Apfel beißen, damit die Angehörigen weiter ihrer Arbeit nach gehen könnten oder anders Entlastung fänden. „Pflege bedeutet oft Streit und Ärger und nicht so viel Dank.“
Ich brauche mehr Zeit, um mich um meinen Vater zu kümmern. Den Job will ich jedoch nicht ganz aufgeben. Habe ich auch eine andere Möglichkeit?
Für Arbeitnehmer besteht die Möglichkeit sich über eine Pflegezeit (sechs Monate) oder eine Familienpflegezeit (24 Monate) über einen längeren Zeitraum von der Arbeit freistellen zu lassen, auch nur teilweise. Allerdings funktioniere das nur, wenn einem die eigene Familie den Rücken stärke, sagt Pia Aigner-Faller. Das gelte vor allem in finanzieller Hinsicht. „Man muss sich das schon leisten können“, sagt die Pflegeexpertin. Es gibt nämlich keine Lohnersatzleistungen. Kostenfaktor kann die Krankenversicherung werden. Wer nur reduziert, bleibt in der Regel über den Arbeitgeber versichert. Wer ganz aussetzt, dem bleibt eventuell die Möglichkeit sich über die Familienversicherung abzusichern. Anderenfalls bleibt nur die freiwillige Krankenversicherung.
Wo gibt es Unterstützung oder eine Beratung?
Die Landkreise bieten über Pflegstützpunkte eine unabhängige und kostenlose Beratung für Betroffene an, etwa im Landkreis Konstanz und im Landkreis Waldshut. Das ist eine gute erste Anlaufstelle. Die Berater haben einen Überblick über möglich Unterstützungen und wie sie beantragt werden müssen. Beraterin Pia Aigner-Faller sagt, dass der Pflegestützpunkt im Kreis Konstanz vor Corona etwa 5100 Kontakte pro Jahr gehabt habe, davon seien 570 persönliche Vorsprachen und 345 Hausbesuche gewesen.