Angela Stoll

„Was geht mich das an? So alt bin ich noch nicht!“ So reagieren viele Menschen mittleren Alters auf das Thema Diabetes. Doch sie irren sich gewaltig. Denn Typ-2-Diabetes ist keine Alterskrankheit mehr, sondern trifft auch jüngere Leute, mitunter sogar Kinder.

„Die Zahl der Patienten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, außerdem ist das Durchschnittsalter gesunken“, sagt Nicole Weh, Oberärztin am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen. „Schuld ist unsere Lebensweise.“ Bewegungsarmut und Überernährung sind nämlich entscheidende Faktoren beim Entstehen der Krankheit. In Deutschland leiden schätzungsweise etwa sieben Millionen Menschen an der „Zuckerkrankheit“, die meisten davon an Diabetes mellitus Typ 2.

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Dass Patienten ihr Krankheitsrisiko oft unterschätzen, kann fatale Folgen haben. Da Typ-2-Diabetes anfangs so gut wie keine Beschwerden macht, bleibt er manchmal lang unentdeckt. Typische Zeichen wie Müdigkeit, Durst, Harndrang und trockene Haut entwickeln sich erst mit der Zeit „Wenn man Symptome bemerkt, hat man schon Diabetes – und zwar zum Teil schon lang“, betont Weh. „Immer wieder haben wir Patienten, bei denen Diabetes im Spätstadium festgestellt wird, ohne dass sie selbst etwas davon gemerkt hätten.“

Diabetes als Ursache für viele Folgeerkrankungen

Manchmal wird die Krankheit dann erst in Zusammenhang mit Komplikationen, etwa einem Herzinfarkt, entdeckt. Solche Folgekrankheiten sind es auch, die Diabetes so gefährlich machen: So kann er Veränderungen der Blutgefäße und Nervenschäden nach sich ziehen und unter anderem zu Herzinfarkten, Schlaganfällen, Nierenschäden, Sehstörungen oder zum „diabetischen Fuß“ führen, bei dem Wunden schlecht heilen und Infektionen drohen. Sogar das Risiko für Demenz und Depressionen ist deutlich erhöht. Besonders groß ist die Gefahr für derlei Folgen bei Menschen, bei denen Diabetes lange nicht entdeckt wurde, deren Blutzuckerwerte schlecht eingestellt sind und die weitere Risikofaktoren (etwa Bluthochdruck und gestörte Blutfettwerte) haben. Für sie sind regelmäßige Kontrollen beim Arzt besonders wichtig.

Vor diesem Hintergrund stößt sich Nicole Weh daran, wenn sie von Patienten Sätze hört wie „Das bisschen Zucker macht doch nichts!“ Solche Verharmlosungen gehören zu den gängigen Fehlannahmen, die über Diabetes kursieren. Daher fordert die Ärztin: „Man müsste mehr Aufklärungsarbeit leisten.“

Nicole Weh ist Oberärztin am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen.
Nicole Weh ist Oberärztin am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen. | Bild: Angela Stoll

Diabetes möglichst früh erkennen

Um dem Diabetes früh auf die Spur zu kommen, ist es sinnvoll, gelegentlich die Blutzuckerwerte kontrollieren zu lassen. So wird beim Gesundheits-Check-up, auf den gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle drei Jahre Anspruch haben, unter anderem auch der Nüchternblutzucker gemessen. Erhöhte Werte können ein Hinweis auf Diabetes oder eine Vorstufe davon sein. „Besonders aufpassen sollten übergewichtige Menschen und solche, deren Eltern Diabetes haben“, sagt die Diabetologin Weh. Denn auch die Veranlagung spielt beim Typ-2-Diabetes eine große Rolle.

Die gute Nachricht: In jedem Stadium können Patienten durch eine Lebensstiländerung viel erreichen. Besonders groß sind die Erfolge oft, wenn sich der Diabetes erst anbahnt. Durch Bewegung, bewusste Ernährung und Gewichtsreduktion können Patienten mit Prädiabetes ihre Blutzuckerwerte verbessern. Allerdings hat sich gezeigt, dass nicht alle Menschen gleich gut auf solche Maßnahmen ansprechen – warum das so ist, versuchen Wissenschaftler derzeit herauszufinden. „In der Zukunft wird es verstärkt darum gehen, individualisierte Empfehlungen zu geben“, sagt Weh.

Sonst gibt es heute eine größere Palette an Medikamenten, die helfen, den Blutzuckerspiegel optimal einzustellen. „Inzwischen sind auch gute Alternativen zu Insulin auf dem Markt“, berichtet die Expertin. Bei manchen Mitteln ist nachgewiesen, dass sie auch das Risiko für Folgeschäden mindern.

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