Die Deutschen sind, was Krankheiten angeht, merkwürdig gelassen. In der Liste der größten Ängste der Deutschen, die seit einigen Jahren von der R+V Versicherung erstellt wird, belegt die Angst vor einer schweren Erkrankung nur den 15. Platz. Ob die Teilnehmer der Umfrage anders entschieden hätten, wenn sie diese Meldung des Statistischen Bundesamtes gekannt hätten?
Demnach war eine Herz-/Kreislauferkrankung 2017 die häufigste Todesursache in Deutschland. 37 Prozent aller Sterbefälle waren darauf zurückzuführen. Es folgen die Krebserkrankungen, denen ein Viertel aller Verstorbenen erlag. Fazit: Fast zwei Drittel von mehr als 900.000 Deutschen, die 2017 starben, fielen einer sogenannten Volkskrankheit zum Opfer. In diese Kategorie werden Krebs sowie Herz-Kreislauf-Leiden eingeordnet, da sie sehr viele Menschen treffen. Bis zu 500.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Krebs.
Eine Milliarde Euro pro Tag
Die Mediziner sind sich einig: Eine große Zahl von Erkrankten könnte noch leben, wenn sie mehr für Vorsorge und Gesunderhaltung getan hätten. Aber nicht nur der Einzelne hätte davon etwas, sondern die ganze Gesellschaft. „Die Krankenkassen könnten Milliarden an Behandlungskosten sparen, wenn wir in Deutschland mehr Geld für die Gesundheitsvorsorge ausgeben würden“, sagt Karin Michels, Professorin am Institut für Prävention und Tumorepidemiologie der Universität Freiburg.

Michels denkt an den gigantischen Betrag, der jährlich in das deutsche Gesundheitssystem gepumpt wird: 375,6 Milliarden Euro waren es 2017 (mehr als der Bundeshaushalt 2020). Damit wurde erstmals die Marke von einer Milliarde Euro Gesundheitsausgaben pro Tag überschritten. Daher steht für Karin Michels fest: „Die Prävention muss vorangetrieben werden, sonst bricht unser Gesundheitssystem zusammen.“
Prävention heißt, die Menschen von einem gesünderen Lebensstil zu überzeugen. Das konzentriert sich auf drei Handlungsfelder: gesündere Ernährung, mehr körperliche Bewegung und Einbremsen oder Aufgabe des Tabak- und Alkoholkonsums.
Jeder Zweite ist übergewichtig
Alle drei Faktoren sind den Menschen bekannt. Dennoch bleibt das bei vielen Deutschen ohne Wirkung. So war 2017 jeder zweite Bundesbürger ab 18 übergewichtig, bei den Männern ab 55 haben sogar 70 Prozent zu viel auf den Rippen. „Prävention ist schwierig zu verkaufen, denn die Menschen leiden ja erst während einer Erkrankung und nicht vorher“, sagt Karin Michels.
Um die Vorsorge anzuschieben, hat die Bundesregierung 2015 das Präventionsgesetz verabschiedet. Damit soll die Gesundheitsförderung die Lebenswelten der Menschen erreichen: Kindergärten, Schulen, Pflegeheime und Betriebe. „Vor allem bei der betrieblichen Gesundheitsförderung können die Arbeitsbedingungen spürbar verbessert werden“, sagt Sebastian Gülde, Sprecher beim Bundesgesundheitsministerium.
„Aber die Vorsorge endet nicht am Werkstor“, sagt Mathias Bellinghausen, Professor für Prävention und Gesundheitskompetenz an der Hochschule für angewandtes Management (HAM) in Unna. „In den Lebenswelten der Kommunen müssen Projekte angestoßen werden, um die Menschen zu sportlicher Bewegung und ausgewogener Ernährung anzuhalten“, fordert Bellinghausen. Er sagt aber auch: „Mit dem Besuch eines einzelnen Fitnesskurses ist es nicht getan. Menschen fallen gern in alte Gewohnheiten zurück.“