Sabine Albrecht weiß, dass ihr Körper Antikörper gegen das Coronavirus gebildet hat – das hat der Test ergeben, den die Stockacherin erst vor kurzem gemacht hat.

Fünf Monate nach der Infektion, die sie die 67-Jährige auf einer Kreuzfahrtreise eingefangen hatte. Auch ihr 69-jähriger Mann war erkrankt, doch bildete Bernd Albrecht keine Antikörper, oder nur eine so geringe Menge, dass der Test diese nicht anzeigte. Schon deshalb bleiben beide vorsichtig.

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Das Paar lässt sich schon seit 20 Jahren gegen die Grippe impfen. Sabine Albrecht, weil sie als Lehrerin häufig mit kranken Schülern konfrontiert war. Bernd Albrecht nutzte die Möglichkeit als Ingenieur über den Betriebsarzt.

Beide wollen sich auch weiterhin gegen Grippe impfen lassen. „Ich bin überzeugt, dass es im Herbst wieder schlimm wird“, sagt Sabine Albrecht. Sie werde sich vor Weihnachten noch einmal auf Antikörper gegen Corona testen lassen, kündigt sie an. „Ich will einfach selbst wissen, woran ich bin“, erklärt sie. Dafür nimmt sie die relativ teuren Labortests in Kauf.

Bis es einen Impfstoff gibt, meiden sie größere Zusammenkünfte

„Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass Fastnachtsveranstaltungen oder Weihnachtsmärkte stattfinden können“, sagt sie. Diese Dinge lebten vom „beseelten Beisammensein“, oft auf auch verbunden mit Alkohol, der die Angst vor Corona hemme. Bis es einen Impfstoff gebe, sehen sie und ihr Mann deshalb von größeren Zusammenkünften ab.

Kleinere Feiern im Freundes- oder Familienkreis halten die Albrechts aber für „durchaus vertretbar, solange sich jeder an die Hygienemaßnahmen hält“, sagt Sabine Albrecht. Doch die Angst um ihre Familie schwingt mit, gesteht sie ein. Besonders, wenn die zweite Welle der Pandemie mit der Grippezeit zusammenfalle.

Sorge habe sie besonders um ihre Tochter, die als Lehrerin in vollen Klassenräumen gefährdet sei, sich anzustecken. Von Fernreisen sieht das Paar bis auf Weiteres ab. Derzeit sei beiden das Risiko zu groß. Sie rät auch anderen dazu: „Jeder sollte sich fragen, ob es das Risiko wert ist.“

Die Albrechts hoffen auf einen baldigen Impfstoff gegen Corona. „Wenn der kommt, lassen wir uns auf jeden Fall impfen“, sagt Bernd Albrecht.

Gerade in der Erkältungszeit sollte man sein Immunsystem stärken - das geht zum Beispiel mit einer ausgewogenen Ernährung, ausreichend ...
Gerade in der Erkältungszeit sollte man sein Immunsystem stärken - das geht zum Beispiel mit einer ausgewogenen Ernährung, ausreichend Bewegung und gesundem Schlaf. | Bild: Ramona Lehmann

Folgen der Covid-19-Erkrankung bis heute

Die beiden wissen, wovon sie sprechen. Die Stockacker hatten sich auf einer Kreuzfahrt bei Südamerika infiziert, während einer wochenlangen Odyssee um einen Kontinent, bis sie endlich in einem Hafen in Florida anlegen und von dort nach Hause reisen konnten. Noch am Flughafen ließen sie sich testen. Die Diagnose: Covid-19.

Mit den Folgen der Krankheit lebt Sabine Albrecht bis heute. Die pensionierte Lehrerin bekam Schmerzen in der Brust. Sie erinnert sich noch gut daran: „Es war wie eine Metallschnalle um meine Brust“, sagt sie. Die Schmerzen wurden schlimmer.

Vorsorglich kommt die 67-Jährige ins Krankenhaus nach Singen, wo sie zwei Tage unter Isolation behandelt wird. Tatsächlich zeigt das MRT das typische milchige Bild einer in diesem Fall dennoch schwach ausgeprägte Covid-19-Erkrankung. Eine Woche lang hielten die Schmerzen noch an, sagt Albrecht. Dann wurde das Atmen wieder leichter, der Brustkorb fühlte sich nicht mehr so eingeengt an.

Ihre behandelten Ärzte sagten, dass ihre Impfung gegen Pneumokokken, dem häufigsten Erreger einer bakteriellen Lungenentzündung, möglicherweise dafür gesorgt habe, dass der Krankheitsverlauf nicht schlimmer geworden sei.

Welche Impfungen werden empfohlen?

Tatsächlich empfiehlt die ständige Impfkommission die Pneumokokken-Impfung Menschen der Risikogruppe über 60 Jahren. Auch der Virologe Martin Stürmer hält diese Impfung für wichtig. Der Leiter eines Privatlabors und Dozent für Virologie an der Universität Frankfurt empfiehlt die Impfung sogar grundsätzlich, nicht nur für ältere Menschen.

Martin Stürmer, Virologe und Leiter des IMD Labors in Frankfurt
Martin Stürmer, Virologe und Leiter des IMD Labors in Frankfurt | Bild: privat

Auch die Grippeimpfung wird von der ständigen Impfkomission nicht für jüngere Menschen empfohlen, doch Stürmer hält sie für sinnvoll und „kann es nur jedem empfehlen“. Er erklärt: „Je flacher die Grippewelle, desto besser können wir uns mit Coronapandemie auseinandersetzen.“ Eine Doppelinfektion sei für jeden Körper eine große Belastung.

Sabine Albrecht hat es trotz beider Impfungen erwischt. Aber sie sagt selbst: „Ich bin glimpflich davon gekommen“ und glaubt, die Impfungen haben dazu beigetragen.

Geschmackssinn auch nach Monaten nicht zurück

Ihren Geschmackssinn hatte sie schon auf der Kreuzfahrt verloren, er kehrt erst jetzt, gut fünf Monate später, langsam zurück. „Salzig und sauer kann ich schmecken, süß weniger“, sagt sie. „Es fühlt sich an, als würde man durch einen Nebel hindurch schmecken“, versucht sie zu beschreiben, was das Virus in ihrem Körper ausgelöst hat.

Auch ihr Geruchssinn ist beeinträchtigt: Nur intensive Gerüche wie der Gestank von Gülle nehme sie war, sagt sie. „Aber ich kann damit leben, es gibt Schlimmeres“, findet Albrecht. Mit der Auswirkung der Krankheit ist sie nicht alleine: Viele Patienten berichten über den verlorenen Geschmacks- und Geruchssinn.

Bernd Albrecht kam dagegen verhältnismäßig glimpflich davon. Zwar bekam der 69-Jährige schon auf dem Schiff Fieber, doch nach einer Nacht fühlte er sich wieder besser, weitere Symptome hatte er nicht.

Antikörper nicht zwingend vorhanden

Den Antikörpertest wollten beide, auch wenn er nicht von ihrer Krankenkasse übernommen wurde. Schon, um andere nicht potenziell zu gefährden durch eine mögliche erneute Ansteckung. Sabine Albrechts Mutter ist 90 Jahre alt und damit noch gefährdeter als das Ehepaar selbst.

Ob eine erneute Infektion nach überstandener Covid-19-Krankheit möglich ist, ist medizinisch zwar noch nicht eindeutig belegt, erklärt Virologe Martin Stürmer, der in Frankfurt zu dem Virus forscht. Es gebe keine verlässlichen Daten zu Patienten, die sich erneut infizieren, sagt Stürmer. „Es ist schwierig zu beurteilen, es gibt einzelne Berichte, aber sie sind schwer nachzuvollziehen. Wir können nicht ganz sicher sein“, sagt der Experte.

Dauer der Immunität noch unklar

Die Studiendaten deuteten demnach darauf hin, „dass bei vielen mit wenig und gar keinen Symptomen die Antikörper schnell abfallen oder gar nicht erst gebildet werden“, sagt der Experte. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass keine Immunabwehr bestehe, macht er deutlich.

So besteht die Immunabwehr aus mehreren Teilen. Der Körper kann über die unspezifische Immunreaktion mit sogenannten T-Zellen töten infizierte Zellen ab und können sogenannte B-Zellen dazu bringen, Antikörper zu bilden. Nach überstandener Infektion nimmt die Zahl der Antikörper wieder ab. Aber die jüngsten Studien deuten darauf hin, dass sie nicht ganz verschwinden, der Körper also ein Immungedächtnis auch zu diesem speziellen Virus behält – anders als zunächst befürchtet.

Aber: „Wir sind da noch relativ am Anfang“, betont Stürmer. Doch auch der Virologe geht davon aus, „dass der Körper eine Immunabwehr hat, wenn er dem Virus erneut begegnet und dass ein gewisser Schutz besteht“.