Russlands Krieg in der Ukraine hat nicht nur auf der Erde Auswirkungen, sondern auch im Weltraum. Denn wegen der Ukraine-Invasion und ihrer Folgen stoppt Russland in der Raumfahrt Kooperationsprojekte mit dem Westen wie die gemeinsamen Experimente mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der Internationalen Raumstation ISS oder die ExoMars-Mission mit Europa zur Erforschung des Roten Planeten.

Der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, nahm kein Blatt vor den Mund, als er zuletzt ankündigte, dass Russland keine Raketenantriebe mehr an die USA liefere. „Lasst sie auf ihren Besenstielen in den Weltraum fliegen“, polterte er. Seine Behörde werde ihr Programm drastisch „anpassen“, um Militärsatelliten Priorität einzuräumen. Alle Raumschiffe hätten künftig „duale“ Einsatzmöglichkeiten.
Ende der gemeinsamen Experimente im All
Wegen der massiven Sanktionen des Westens gegen Russland teilte Roskosmos zudem mit, dass sie die gemeinsamen Experimente mit dem DLR auf der ISS beende. Unmittelbar betroffen davon ist der deutsche Astronaut Matthias Maurer, der derzeit an Bord der ISS forscht. Zuvor hatte Roskosmos bereits die Zusammenarbeit mit dem europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana gestoppt.

Auch die russisch-europäische ExoMars-Mission leidet unter dem Krieg. Nachdem der Start des Mars-Rovers „Rosalind Franklin“ zum Roten Planeten 2021 bereits wegen Corona verschoben werden musste, ist es nun nach Angaben der Europäischen Weltraumbehörde (Esa) „sehr unwahrscheinlich“, dass der Start wie geplant im September stattfindet. Das nächste Zeitfenster öffnet sich erst etwa zwei Jahre später. Wenn die Esa die Mission ohne russische Rakete und Landemodul durchziehen will, wird es teuer.
Man hielt Russland an Bord
Ein Analyst in der europäischen Raumfahrtbranche, der anonym bleiben will, betont, dass Russland und der Westen bislang in der Raumfahrt voneinander profitierten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätten die USA und Europa darauf geachtet, dass auch für Russland ein Platz in der Raumfahrt bleibe, sagt der Branchenkenner.
Niemand habe gewollt, dass das Wissen dieser großen Raumfahrt-Nation verlorengehe. Der Analyst betont, tatsächlich hätten Russlands Erfahrungen mit seiner Raumstation „Mir“ maßgeblich zur Entwicklung der ISS, dem größten Raumfahrt-Kooperationsprojekt zwischen Russland und dem Westen, geführt. Dort leben und forschen seit vielen Jahren Kosmonauten und Astronauten Seite an Seite.
Mehr als die Hälfte seiner Zeit auf der ISS ist für den deutschen Astronauten Matthias Maurer (51) vorbei:
Russland habe in kommerzieller Hinsicht „alles getan, um den Zugang zum Weltraum zu erleichtern“, sagt der Experte. So habe es die Dienste seiner Sojus-Raketen auf dem internationalen Markt angeboten. Einige Jahre lang war die ISS vollständig davon abhängig, nachdem im Juli 2011 das letzte Mal eine US-Raumfähre ins All gestartet war.
Russen mussten den Amerikanern helfen
Danach verfügte die Nasa über keine eigenen Raumschiffe mehr, um Astronauten zur ISS zu bringen. Das änderte sich erst im November 2020, als die von der Firma SpacX des US-Milliardärs Elon Musk entwickelte Raumkapsel „Crew Dragon“ drei Amerikaner und einen Japaner zur ISS brachte. Im April 2021 folgten weitere vier Astronauten, darunter einer der Esa.

Das verbesserte die Lage für die Nasa und die Esa deutlich, denn die politischen Spannungen auf der Erde belasteten über die Jahre auch die Zusammenarbeit im All, insbesondere nach Russlands Annexion der Krim 2014. Nun herrscht in der ganzen Ukraine Krieg und wie sich dieser und die Sanktionen auf die Raumfahrt auswirken, ist noch nicht absehbar.
„Zusammenarbeit bleibt eine Brücke“
Esa-Direktor Josef Aschbacher schrieb kurz nach Kriegsbeginn auf Twitter: „Trotz des gegenwärtigen Konflikts bleibt die Zusammenarbeit in der zivilen Raumfahrt eine Brücke.“ Die Leiterin der bemannten Raumfahrtprogramme der Nasa, Kathy Lueders, erklärte, es wäre „ein trauriger Tag für internationale Einsätze, wenn wir nicht weiter friedlich im Weltraum zusammenarbeiten können“.
Russland hatte kurz vor Beginn des Angriffs angekündigt, die betagte Raumstation ISS weitere Jahre nutzen zu wollen. Denkbar ist das. In russischen Medien wird bereits eine Entkopplung des amerikanischen und russischen Teils der Station diskutiert. So etwas sei innerhalb eines Jahres möglich, sagte der wissenschaftliche Direktor des Moskauer Instituts für Weltraumpolitik, Iwan Moissejew.
Was wird aus den europäischen Modulen?
Vor einem Ausstieg Russlands aus der ISS, mit dem in der Vergangenheit bereits gedroht worden war, schreckt Roskosmos bislang aber zurück. Erst 2021 hatte Russland ein Forschungsmodul zur ISS geschickt. In diese Überlegungen sind allerdings andere Module nicht einbezogen. So hat die Esa das Labor-Modul „Columbus“ zur ISS beigesteuert. Für Experimente ist auch das Segment „Kibo“ gebaut worden. Es ist der japanische Beitrag zur Raumstation.