Jörg Zittlau

„Frühstücken wie ein Kaiser, mittags essen wie ein König und abends wie ein Bettler.“ Mit dieser uralten Weisheit versucht man bis heute, den Frühstücksmuffel am Tisch wenigstens zu ein paar Happen anzuspornen. Doch macht sie auch ernährungswissenschaftlich Sinn? Aktuelle Studien zeigen: Ja, macht sie. Man sollte sie allerdings nicht als Freifahrtschein fürs ausgedehnte „English breakfast“ interpretieren.

Tradition bewährt sich

In der Toskana gibt es morgens ein paar trockene Cantuccini und auf den Antillen einheimisches Obst wie Orangen, Melonen und Bananen. In Japan steht Fett- und Kalorienarmes wie Fisch, Algen und Soja auf dem morgendlichen Speiseplan. Das klingt schon alles recht gesund. Jedenfalls gesünder als die Marmelade-, Wurst- und Käsestulle, die hierzulande noch als Frühstück dominiert. Doch wer an dieser Tradition festhält, muss sich keine Sorgen machen. Das zeigen neue Studien.

Ein Forscherteam der Universität Lübeck hat 16 normalgewichtige Männer morgens und abends entweder ein hoch- oder aber eine niederkalorische Mahlzeit essen lassen. Im Anschluss daran hat man gemessen, wie die Thermogenese der Probanden ansprang, wie groß also die bei ihnen durch Stoffwechselaktivität produzierte Körperwärme war. Darüber hinaus hat man ihre Blutzucker- und Insulinwerte gemessen und sie danach gefragt, wie viel Appetit sie im späteren Tagesverlauf auf Süßes verspürten.

Morgens ist die Verbrennung höher

Das Ergebnis: Egal, ob die Mahlzeit viele oder wenige Kalorien enthielt – morgens produzierte der Körper der Probanden 2,5-mal so viel Wärme wie am Abend. Die Blutzucker- und Insulinwerte jedoch gingen nicht so stark nach oben, was in der Summe heißt: Die Energieträger wurden mehr verbrannt als gespeichert. „Der menschliche Energieumsatz ist morgens grundsätzlich höher als abends“, resümiert Studienleiterin Kerstin Oltmanns. Und das sei, so die Medizinerin und Neurobiologin weiter, „genetisch bedingt und bei jedem so“.

Steinzeit-Mechanismus bleibt aktiv

Wer also abnehmen will, sollte nicht das Frühstück weglassen, sondern beherzt zugreifen. Denn genau in dieser Phase des Tages heizt er von innen auf, was vermutlich darin begründet ist, dass der Mensch in viel früheren Zeiten – aufgrund kärglicher Kleidung und schlecht isolierter Behausungen – auf seine körpereigene Wärmeproduktion angewiesen war. Dieser Mechanismus ist immer noch aktiv. Zudem stellten die Lübecker Forscher fest, dass man nach einem üppigen Frühstück weniger Heißhunger auf Süßes verspürt. Es kurbelt also nicht nur die Kalorienverbrennung an, sondern bremst auch das gefürchtete Snacking.

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Besser also, man geht beim Frühstück ran an den Speck. Allzu wörtlich sollte man das allerdings auch nicht nehmen, wie ein Internationales Forscherteam um Carolina Schwedhelm vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam (Dife) herausgefunden hat. Demnach spielt es für die gesundheitliche Wirkung von Nahrungsmitteln eine große Rolle, zu welcher Mahlzeit man sie verzehrt.

Auf den Zeitpunkt kommt es an

So führen 50 Gramm Gemüse nur dann zu einer Senkung des LDL-Cholesterinspiegels, wenn man sie zum Frühstück konsumiert. Mittags und abends hingegen kann man diesen Effekt nicht beobachten. Wer also seine Herzkranzgefäße vor den berüchtigten Cholesterin-Plaques schützen will, sollte Salatblätter sowie Tomaten- und Gurkenscheiben eher aufs Frühstücks- als aufs Abendbrot legen.

Obst hingegen entfaltet seine positiven Effekte auf das C-reaktive Protein (CRP) eher in den späten als in den frühen Stunden des Tages. CRP wird in der Leber gebildet und gilt als Indikator für eine Entzündung im Körper. Wer also an Arthritis oder einer anderen entzündlichen Erkrankung leidet, kann womöglich mehr Linderung erfahren, wenn er sich Äpfel, Erdbeeren, Aprikosen und andere Früchte abends in den Salat statt morgens ins Müsli schneidet.

Besser kein Schinken und Speck

Was er jedoch vermeiden sollte: sich rotes und verarbeitetes Fleisch zum Frühstück zu gönnen. Denn das treibt die Entzündungswerte mehr nach oben, als wenn man es mittags oder abends tut. Hinzu kommt, dass auch die langfristigen Blutzuckerwerte nach oben driften, wenn man sich Schinken und Speck zum Frühstück gönnt. Wer also unter Diabetes leidet oder gefährdet ist, die Stoffwechselerkrankung zu bekommen, sollte seine Fleischeslust eher zu den anderen Mahlzeiten befriedigen.

Nicht ratsam: Schinken zum Frühstück treibt die Blutzuckerwerte auf lange Sicht nach oben.
Nicht ratsam: Schinken zum Frühstück treibt die Blutzuckerwerte auf lange Sicht nach oben. | Bild: Adobe Stock - Lucky Dragon

Beim Brot hingegen spielt es keine Rolle, wann es gegessen wird. Egal, ob Weiß oder Vollkorn – seine unmittelbaren Wirkungen auf Blutwerte wie Cholesterin und Zucker und auch die Entzündungsparameter sind in jedem Falle gering. Was aber nicht bedeutet, dass man bedenkenlos Weißbrot statt Vollkorn essen sollte.

Vollkorn mindert das Fett

So belegt eine aktuelle Studie des Bejing-Hospitals in China, dass übergewichtige Menschen seltener an Herz und Kreislauf erkranken und auch eher etwas von ihrem Depotfett verlieren, wenn sie Vollkorn essen. Der Effekt sei jedoch, wie Studienleiter Weihao Wang betont, „nur schwach“.

Experten empfehlen 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag – das entspricht etwa vier Scheiben Vollkornbrot.
Experten empfehlen 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag – das entspricht etwa vier Scheiben Vollkornbrot. | Bild: dpa

Weitaus stärker hingegen ist der Effekt, wenn man sich während des Frühstücks vom Fernseher oder Radio berieseln lässt oder die Nachrichten auf dem Smartphone oder Tablet checkt. Denn laut einer US-Studie führt das dazu, dass man rund 150 Kalorien mehr verzehrt als sonst. Der Grund: Wer beim Essen abgelenkt ist, achtet weniger darauf, wie viel er verzehrt, und er ignoriert die Sättigungssignale seines Körpers.