Die Corona-Schutzmaßnahmen sind praktisch abgeschafft, doch die Infektionszahlen steigen mit den neuen Subvarianten von Omikron. Ein Überblick über die aktuelle Lage, die Frage der Immunität und neuen Impfungen.
Wie viele Bundesbürger sind inzwischen geimpft?
Derzeit (Stand 28. Juni) sind 76,2 Prozent der Bundesbürger grundimmunisiert, also zwei Mal geimpft. 61,6 Prozent haben eine Boosterimpfung. In Baden-Württemberg liegt die Quote etwas niedriger. Hier sind (Stand 27. Juni) 74,4 Prozent der Bürger vollständig geimpft, 65 Prozent geboostert (dritte Impfung).
Was hat es mit der Superimmunität auf sich?
Die Superimmunität, auch hybride Immunität genannt, wird durch die Kombination einer vollständigen Impfung und einer Infektion mit Covid-19 aufgebaut. Aber nicht alle Menschen können sie entwickeln. Das hängt nämlich von der Zahl der B-Gedächtniszellen ab, die nach einer Impfung oder Infektion gebildet werden und anders als Antikörper jahrzehntelang im Blut zirkulieren können.
Je mehr man davon hat, desto höher ist der Schutz. Studien zeigen, dass Geimpfte, die eine Durchbruchsinfektion erleiden, danach oft die stärkste Antikörper- und T-Zellen-Antwort überhaupt bekommen.

Können die neuen Subvarianten von Omikron sie umgehen?
Darauf deuten Studien hin: Demnach spielt es eine große Rolle, ob Infizierte Symptome hatten oder nicht. Je stärker die Symptome, desto stärker die Immunantwort und desto unwahrscheinlicher eine erneute Infektion mit einer Omikronvariante.
Umgekehrt gilt aber das Gleiche: Infizierte mit mildem oder nahezu symptomfreien Verlauf sind weniger immun gegen eine erneute Infektion. Unklar ist noch, wie lange der körpereigene Schutz gegen eine erneute Infektion hält.
Wie unterscheiden sich die neuen Subvarianten von Omikron selbst?
Bei den jüngsten Subvarianten BA.4 und BA.5 wird wieder stärker die Lunge angegriffen, während die vorhergehenden Varianten meist in den oberen Atemwegen blieben. So tritt bei den neuen Omikron-Varianten wieder vermehrt Husten auf, die Symptome sind ähnlich wie bei einer Bronchitis. Dazu gehört auch Fieber. Weitere Symptome können Schnupfen, Müdigkeit, Hals- und Kopfschmerzen sein. Auch Atemnot kann auftreten.
Wie viele Varianten gibt es mittlerweile und wie viele sind aktiv?
Aus der Ursprungsform des Virus, Alpha, entstand die Variante B.1.1.7, mutmaßlich in Großbritannien die im Dezember 2020 entdeckt wurde. Beta – B.1.351 – wurde ebenfalls im Dezember 2020 festgestellt, allerdings in Südafrika. Gamma – P.1 – trat zuerst in Brasilien auf.
Delta – B.1.617.2 – wurde zunächst in Indien festgestellt, wo sich die Variante rasend schnell ausbreitete. Sie gehört zu den ersten Varianten, die auch deutlich ansteckender sind als die Ursprungsvarianten. Delta wird seit März 2021 in Deutschland nachgewiesen und war monatelang die vorherrschende Variante.
Abgelöst wurde sie von Omikron – B.1.1.529, die erstmals in Südafrika Ende 2021 auftrat und Anfang 2022 nach Europa schwappte. Aktuell ist sie die dominante Variante, ihre Subtypen BA.4 und BA.5 nehmen aber stark zu, da auch sie deutlich ansteckender sind als die vorherigen Varianten.
Wie verbreitet sind die neuen Subvarianten?
Das lässt sich nicht genau sagen, weil Virussequenzierungen nur zu einem kleinen Prozentsatz der Proben vorgenommen werden, der je nach Inzidenz bei fünf bis zehn Prozent der Laborproben liegt. Bei einer Stichprobe des Landes Anfang Juni lag der Anteil der Virusvarianten BA.4 und BA.5 aber schon bei über 20 Prozent – Tendenz steigend.

Wie sinnvoll ist eine vierte Impfung für alle?
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer empfiehlt eine weitere Boosterimpfung mit den Impfstoffen der zweiten Generation im Herbst. Diese sind zwar an Omikron orientiert, dürften aber den Schutz gegen die Varianten deutlich besser gewährleisten als die Impfungen, die sich an der Ursprungsvariante des Virus orientierten.
Warum sollen sich bislang nur Ältere ein viertes Mal impfen lassen?
Älteren Menschen ab 70 Jahren und Risikopatienten sowie Pflegekräften empfiehlt das RKI schon jetzt eine vierte Impfung, wenn ihre Boosterimpfung schon mehr als sechs Monate zurückliegt. Bundesweit haben bislang 6,9 Prozent der Bürger eine vierte Impfung bekommen.
Wie sieht die Impfempfehlung für Kinder aus?
Kindern ab zwölf Jahren wird uneingeschränkt die Impfung gegen Corona empfohlen. Bei jüngeren Kindern zwischen fünf und elf Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission zwei Impfdosen nur bei Vorerkrankungen. Kindern zwischen fünf und elf Jahren ohne Vorerkrankung empfiehlt die Stiko nur eine Impfdosis.
Wo kann man sich noch impfen lassen?
Hausärzte bieten weiterhin Impfungen an, aber auch einige Apotheken. Je nach Stadt- oder Landkreis gibt es auch noch vereinzelt Impfaktionen. Informieren können sich Impfwillige über dranbleiben-bw.de.
Sind die neuen Impfstoffe besser geeignet, um gegen die Varianten von Omikron zu schützen?
Darauf deuten die jüngsten Daten aus Studien der Impfkandidaten etwa von Moderna hin. Probanden, die den neuen Impfstoff erhielten, waren demnach deutlich stärker gegen Omikron geschützt: So wurden 75 Prozent mehr Antikörper als in der Vergleichsgruppe mit dem ersten Vakzin festgestellt.
Wie oft oder regelmäßig müssen wir uns langfristig gegen das Virus und seine Varianten impfen lassen?
Das ist noch unklar. Denn vieles hängt davon ab, wie lange die Boosterimpfung ihren Schutz behält, was derzeit noch erforscht wird. Auch wie schnell sich das Virus verändert und weiterentwickelt, spielt dabei eine Rolle. Mit Blick auf andere Impfungen zeigt sich jedoch häufig, dass nach der dritten Impfung ein ausreichender Impfschutz vor schweren Verläufen entsteht, der oft über Jahre oder sogar lebenslang hält. Andere Impfungen wie die Grippeimpfung müssen allerdings wegen der immer neuen Virusvarianten jährlich wiederholt werden – mit entsprechend angepassten Vakzinen.
Welche Faktoren bestimmen, wie sich das Virus weiterentwickelt?
Auch das ist noch Gegenstand der Forschung. Möglich ist etwa, dass zwar neue Virusvarianten entstehen, aber nicht ansteckender als ihre Vorgänger werden, so dass es nur noch zu saisonalen Ausbrüchen kommt. Dem widerspricht allerdings die aktuelleBA.5-Variante, die trotz warmer Temperaturen weiter zunimmt.
Denkbar ist auch, dass es immer wieder zu Infektionswellen kommen wird, die je nach Variante mal mehr oder weniger heftig ausfallen. Wissenschaftler schließen aber auch nicht aus, dass es dem Virus gelingen könnte, eine immer bessere „Immunflucht“ zu entwickeln, also vorhandene Antikörper durch Impfungen auszutricksen.
Einig ist sich die Wissenschaft aber über eines: Das Virus wird bleiben.