Einen Teilerfolg kann Dagmar Schmieder, Geschäftsführerin der Kliniken Schmieder, verbuchen: Der Gailinger Gemeinderat wird aufgrund eines Schreibens ihres Anwaltes nicht bereits am 24. Mai beschließen, ob Windkrafträder auf dem Rauhenberg neben der Klinik aufgestellt werden.
Für Schmieder steht fest: Die Anlagen dürfen auf gar keinen Fall auf dem Berg hinter ihren Häusern kommen. „Dann könnten wir unserer Aufgabe nicht mehr nachkommen“, erklärt sie, „hier sind Patienten untergebracht, die selbstständig gehen können und wir ziehen eine heile und heilende Natur in ihren Heilungsprozess mit ein.“ Genau das wäre mit Windkrafträdern im Wald nicht mehr möglich, wie Gerhard Rothacher, Ärztlicher Leiter Neuro-Rehabilitation, erklärt: „Bei hirnverletzten Patienten entsteht durch das zerhackte Sonnenlicht Chaos im Hirn, Netzwerke arbeiten nicht mehr regulär.“
Roger Schmidt, Ärztlicher Leiter der Psychotherapeutischen Neurologie, pflichtet bei: „Wir haben Patienten ohne Duldungsfähigkeit. Wenn wir sie versorgen möchten, dann nur so wie jetzt“, erklärt er. „Aus medizinischer Sicht müssen wir den Patienten empfehlen wegzubleiben, sollten die Windkrafträder auf den Rauhenberg kommen.“
Friedrich Schmieder gründete die Kliniken 1950 in Gailingen im Kreis Konstanz. Er gilt als Pionier der Neurologischen Rehabilitation. Heute behandeln die Kliniken 13 000 neurologische Patienten aller Schweregrade an sechs Standorten. 200 der 300 Gailinger Patienten sind in der Psychotherapeutischen Neurologie untergebracht – sie kommen freiwillig, denn sie besitzen ein Wahlrecht. Sollten sie nicht mehr nach Gailingen gehen wollen, „wäre der Standort Gailingen nicht wirtschaftlich“, so Gesellschafterin Heike Schmieder-Wasmuth.
Die Landesregierung hat als Ziel ausgegeben, bis 2020 mindestens zehn Prozent der Stromerzeugung aus heimischer Windkraft zu decken. Im Windkraftatlas sind im Regionalverband Hochrhein-Bodensee der Gailinger Rauhenberg, der Schienerberg, der Bodanrück oberhalb Liggeringen und die Stettener Höhe oberhalb Engen potenzielle Standorte für Windkraftanlagen. Die Hegauvulkane scheiden als Naturschutzgebiet aus. Die Initiative „Informierte Bürger Gailingen“ spricht sich für die Windräder aus: „Gailingen muss seine Verantwortung wahrnehmen“, heißt es auf einem Flugblatt. Eine Forderung: Gemeinderat und Bürgermeister sollen sich bei ihren Entscheidungen am Energieleitbild orientieren. Bürgermeister Heinz Brennenstuhl: „Ich teile die Einschätzung der Kliniken, das Image der Gemeinde wird über Rehabilitation, Tourismus, Natur, Landschaft, Naherholung, Ruhe, Infrastruktur wahrgenommen. Das zu pflegen, halte ich für die wichtigste kommunale Aufgabe. Das Ziel, die Rahmenbedingungen für die Neurologische Rehabilitation zu erhalten, ist klar.“ Die Reduzierung auf die Frage Rehabilitation oder Windkraft mache es schwer. Die Gemeinde stelle sich immer auf die Seite der Rehabilitationseinrichtungen. „Alles andere wäre blanker Unsinn“.