Wer hilft mir beim Ticketkauf? Wo hält der Wagen mit meiner Platzreservierung? Wer hilft über die hohen Tritte in den Zug?
Für solche Fragen und Hilfen gibt es an 92 Prozent aller deutschen Bahnhöfe kein Servicepersonal mehr. Verbände kritisieren den Staatskonzern für die personelle Ausdünnung.
Die Hälfte der Bahnhöfe ist sanierungsbedürftig
„Es darf nicht sein, dass Bahnhöfe immer seltener Serviceangebote vorhalten. Damit erschweren sie ihren treuesten Kunden – den Älteren und den Menschen mit Behinderung – das Bahnfahren“, schimpft Roland Sing, der Vorsitzende des Sozialverbandes VdK Baden-Württemberg.
Neben dem bundesweiten Abbau des Servicepersonals in der Fläche verschärft der Zustand der Bahnhöfe die Situation für Fahrgäste.
Von den 787 Bahnhöfen, die es laut Verkehrsministerium in Baden-Württemberg gibt, ist die Hälfte als sanierungsbedürftig eingestuft. Oft sind die Stationen nicht barrierefrei. Bereits 2009 hat die damals noch CDU-geführte Landesregierung sich an einem Bahnhofsmodernisierungsprogramm finanziell beteiligt.
Land gibt Zuschüsse
„Das Programm ist gut angekommen“, bilanziert der heutige Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Initiative. Nicht an allen der 38 Stationen sind die Bauarbeiten nach zehn Jahren abgeschlossen.
Für Hermann war klar, dass angesichts des Sanierungsstaus das Programm neu aufgelegt werden sollte. Mehr als ein Jahr hat er mit der Bahn über das neue Förderkonzept verhandelt, das nun neben der Herstellung von Barrierefreiheit auch Zuschüsse für neue Mobilitätsideen vorsieht. „Bahnhöfe sollen Drehscheibe der Mobilität werden“, betont der Grünen-Politiker.
Dazu gehören für ihn Anschüsse zum Busverkehr, Autoparkplätze und sichere Fahrradabstellplätze. Zudem gibt das Land künftig auch Zuschüsse, wenn Kommunen Bahnhofsgebäude erwerben und diese zur Mobilitätszentrale mit Ticketverkauf, Warteraum und Toilette aufwerten. In der Summe wollen beide Partner über 400 Millionen einsetzen.
Die Bahn verteidigt sich
Für Matthias Lieb, den Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland, muss die Bahn im Service dringend umsteuern: „Es müssen wieder mehr Bahnhöfe zu Mobilitätszentren mit Personal gemacht werden.“ Er bedauert, dass die Bahn die Schalterbeamten, die Universaldienstleister waren, aus Kostengründen an so vielen Standorten abgezogen hat.
Die würden nun als Ansprechpartner fehlen und könnten durch die oft defekten elektronischen Anzeigen nicht ersetzt werden. Lieb: „Für einen attraktiven öffentlichen Verkehr ist mehr Personal notwendig.“
Die Bahn selbst kann für Baden-Württemberg keine Zahlen nennen. Bundesweit würden sich 11 000 Mitarbeiter an Bahnhöfen um die Kunden kümmern, darunter 3000 Serviceleute, 2300 Berater in 400 Reisezentren und 2000 Reinigungskräfte sowie 4000 Kollegen des konzerneigenen Sicherheitsdienstes, erläutert ein Sprecher. An Bahnhöfen ohne Personal werde grundsätzlich über Aushänge oder elektronische Anzeiger informiert.
Für Ältere sind schon die Fahrkartenautomaten ein Problem
Dem Landesseniorenrat ist das zu wenig. Ältere Menschen, die in ländlichen Gegenden auf das Auto verzichten müssen, seien auf attraktive Angebote angewiesen, erklärt Vorstandsmitglied Bernd Ebert.
Sein Wunschkatalog ist umfangreich: „Pünktlich, bezahlbar, den ganzen Tag bis in die Nacht zur Verfügung stehend, barrierefrei auch für Rollstühle und Rollatoren und vor allem bekannt“, müssten Züge und Busverbindungen sein.
Für Ältere seien schon die Fahrkartenautomaten oft ein Problem. Vor Ort bieten die Seniorenräte zusammen mit der Bahn Automatenschulungen an und zeigen, wie Tickets im Internet gekauft werden können. Als vorbildlich lobt er dabei den Verkehrsverbund Rhein-Neckar, der spezielle Schulungen für Behinderte anbietet.
Klagen von Fahrgästen
Die Bahntochter Station & Service verweist auf ihr umfangreiches Hilfsangebot rund 400 Reisezentren. Dort gebe es einen kostenlosen Ein- und Umsteigservice für Menschen mit Behinderungen. Viele Bahnhöfe seien mit mobilen Hubgeräten, Rampen oder Elektromobilen ausgerüstet. „An anderen Bahnhöfen werden je nach Bedarf Servicekräfte zur Hilfeleistung entsandt“, heißt es in Richtlinien.
Allerdings müssten sich die Betroffenen 24 Stunden vor der Fahrt anmelden. „Als Mensch mit Behinderung kann man eigentlich nicht flexibel Bahn fahren“, sagt eine Sprecherin des Behindertenverbandes ISL.
Auf einer eigens eingerichteten Internetseite sammelt der Verband Klagen von Fahrgästen, wenn der Service nicht geklappt hat. Die Zahl der Einträge wächst schnell.