Rottweil – Mit großer Mehrheit haben sich die Rottweiler am Sonntag für den Bau einer Hängebrücke zwischen Innenstadt und dem Testturm ausgesprochen. 71,6 Prozent stimmten mit Ja bei einer Wahlbeteiligung von 48,4 Prozent. „Rottweil zeigt sich mutig“, freute sich OB Ralf Broß in seiner kurzen Ansprache nach der Verkündung des Wahlergebnisses vor dem alten Rathaus. Und der Gemeinderat werde sich jetzt schnellstmöglich an den nächsten Schritt, nämlich die Einleitung des Planungsverfahrens, machen.
Diskutiert wurde viel in den vergangenen Monaten: Die Brückengegner um den ehemaligen Stadtarchivar Winfried Hecht, fürchten um das Stadtbild, den herrlichen Blick auf die Stadtmauer und die Türme, und wurden dabei vom Denkmalamt unterstützt. Das Stadtbild werde durch die Brücke „aufgebrochen“, betonte dessen Vertreterin Ulrike Plate bei der Bürgerversammlung zehn Tage vor der Abstimmung. Das Amt hat die Möglichkeit, die Pläne zu verhindern, Insider gehen jedoch davon aus, dass es das nicht tun wird. Die Gegner fürchten noch mehr: Der Bockshof, an dem der Einstieg in die Brücke geplant ist, könnte seinen Erholungscharakter verlieren, zum vermüllten Tummelplatz für die vielen erwarteten Touristen werden. Auch die Suizidgefahr bringen die Gegner auf den Plan, immerhin hat Rottweil erst vor Kurzem fast 600 000 Euro in ein Fangnetz an der Hochbrücke investiert, weil es hier häufig zu Selbstmorden kam. Außerdem würde das Neckartal, über das die Brücke schwingen soll, beeinträchtigt – darunter der hier lebende Eisvogel.
Der Gewerbe- und Handelsverein erhofft sich durch die erwarteten 1,4 Millionen Touristen eine Belebung der historischen Innenstadt. Vor allem jüngere Menschen werde die Brücke, die den neuen Aufzugstestturm von ThyssenKruppElevators mit seiner höchsten Aussichtsplattform Deutschlands, mit der Innenstadt verbinden soll, anlocken, sagt Marketingexperte Alexander Seiz. Immerhin hat Rottweil seine Übernachtungszahlen in den letzten zehn Jahren auf 60 000 pro Jahr verdoppelt. Und allein der Turm, der im Oktober eröffnet wird, hat laut Touristinfo jährlich etwa 50 000 Baustellenbesucher angelockt. Die Stadtverwaltung, die sowohl den Turm-Investor als auch den der Hängebrücke befürwortet, setzt ebenfalls auf die vielen Touristen. Was manch Rottweiler kritisiert: Den Investoren würden alle Wege geebnet, zuviel Kräfte gebündelt, um die beiden Projekte voranzubringen. Anderes hingegen bleibe liegen. Es solle weniger an Touristen als an die Einwohner der Stadt gedacht werden, die Rottweil nicht nur finanziell am meisten brächten, finden beispielsweise die beiden Immobilienfachleute Harald und Norman Sailer, die in Rottweil seit Langem zahlreiche Projekte realisiert haben.
Für die Hängebrücke hatte sich im Vorfeld die Rottweiler CDU ausgesprochen: Die Brücke würde im wahrsten Sinne tiefe Gräben überwinden, hieß es. Auch die FDP reihte sich bei den Befürwortern ein: Die Brücke sei ein Glücksfall für die Stadt Rottweil. Sie soll etwa sechs Millionen Euro kosten, die komplett von einem privaten Investor kommen: Günter Eberhardt, Chef der gleichnamigen Firma für Bewehrungsbau, will die Brücke unbedingt bauen: Er hat auch beim Testturm mitgebaut und dann beschlossen, ihn durch die Hängebrücke mit der Innenstadt zu verbinden. Ursprünglich sollte die Brücke mit 900 Metern die weltweit längste Fußgängerbrücke der Welt werden. Daraus wird nun aber wohl nichts werden, da Eberhardt nicht alle dafür nötigen Grundstücke bekommt, die Brücke wird dann nur gut 600 Meter lang.
Die Hängebrücke
Das Bauwerk soll den neuen Thyssen-Testturm für Aufzüge im Industriegebiet der Stadt mit Rottweils historischen Gemäuern verbinden und als eine der weltweit längsten Fußgänger-Hängebrücken der Welt einen neuen Superlativ für die Stadt begründen. Dafür will der Investor sechs Millionen Euro ausgeben. Er braucht von der Stadt das Nutzungsrecht für städtisches Gelände. Die Brücke soll pro Jahr 100 000 Besucher anziehen, die zu den bislang von der Stadt gezählten 800 000 Tagesgästen pro Jahr dazukämen. (mom)