Die Schweiz ist in Habtachtstellung. Der Anstieg an Infektionen mit Corona in Norditalien bereitet besonders dem benachbarten Kanton Tessin sorgen. Täglich pendeln etwa 70.000 Menschen aus Norditalien in die Schweizer Nachbarregion, schreibt die Neue Züricher Zeitung. Bislang gibt es keine festgestellten Fälle in der Schweiz. Doch das kann sich jederzeit ändern. 

Bislang gibt sich das Schweizer Bundesgesundheitsamt (BGA) betont ruhig. Noch gibt es keine Veranstaltungsverbote, keine Einschränkungen im Grenzverkehr. „Wir sind noch nicht in der Situation“, sagt Gesundheitsminister Alain Berset der sozialdemokratischen SP. Aber er sagt auch: „Wir sind in einer Situation, die sich jeden Tag verändern kann.“ Die Behörde arbeite deshalb eng mit den Gesundheitsbehörden der Kantone zusammen, insbesondere des Tessins.

Ein Mitarbeiterin telefoniert in einem Callcenter von Medgate, wo auch die Hotline zum Coronavirus des Schweizer Bundesamt für ...
Ein Mitarbeiterin telefoniert in einem Callcenter von Medgate, wo auch die Hotline zum Coronavirus des Schweizer Bundesamt für Gesundheit bedient wird. | Bild: Georgios Kefalas

Verdachtsfälle bislang negativ

Laut Bundesgesundheitsamt wurden bisher etwa 300 Verdachtsfälle in der Schweiz geprüft – die Tests fielen alle negativ aus. Weil die Fallzahlen in Norditalien übers Wochenende aber „rasch“ zugenommen hätten, erhöhe sich aus das Risiko für die Eidgenossen, heißt es in einer Mitteilung der Behörde.

Italien, Casalpusterlengo: Polizisten der Guardia di Finanza sperren eine Zufahrtsstraße. Ungeachtet drastischer Maßnahmen zur ...
Italien, Casalpusterlengo: Polizisten der Guardia di Finanza sperren eine Zufahrtsstraße. Ungeachtet drastischer Maßnahmen zur Eindämmung steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Italien unvermindert weiter. | Bild: Paolo Santalucia

Besondere Vorkehrungen für Angestellte im Grenzverkehr und der Schweizer Grenzwacht gibt es offenbar noch nicht, die Schweiz will beide Gruppen aber „besonders instruieren“.

Öffentlicher Verkehr ohne Einschränkungen

Bislang hat es aber keine Anweisungen gegeben, wie der SÜDKURIER auf Nachfrage bei der Schweizer Bahn SBB, der Deutschen Bahn sowie dem Busunternehmen Flixbus erfährt. Der Fernbusanbieter hat mit den Linien Mailand-Zürich-Konstanz und Mailand-Basel-Freiburg zwei direkte Verbindung aus dem Corona-Gebiet nach Südbaden im Programm. Derzeit gebe es keine Einschränkungen im Fahrplan, sagt Flixbus-Sprecherin Franziska Köhler. Wie viele Menschen die Fernbuslinie Mailand-Konstanz derzeit nutzen, will das Unternehmen nicht sagen.

Auch die SBB hat „aktuell keine Maßnahmen“ getroffen, sagt Sprecher Martin Meier auf Anfrage. Die Bahn stehe aber in engem Kontakt mit dem Bundesgesundheitsamt. Besondere Vorkehrungen für Mitarbeiter gebe es bislang nicht, man empfehle aber, die allgemeinen Ratschläge des BGA für Zugpersonal zu berücksichtigen. Darin heißt es lediglich. „Häufiges Händewaschen schützt generell vor Virusinfektionen.“ Spezielle Vorsichtsmaßnahmen wie das Tragen von Hygienemasken seien derzeit „nicht angezeigt“.

Ein Zug der SBB im Einsatz.
Ein Zug der SBB im Einsatz. | Bild: Dario Haeusermann/SBB

Auch bei der Deutschen Bahn „gibt es derzeit keine Einschränkungen im Bahnverkehr von und nach Italien“, bestätigt ein Bahnsprecher. „Die Entscheidung über Maßnahmen zur Eindämmung des Virus obliegt den Behörden“, antwortet der Sprecher auf die Frage, ob die Bahn selbst Schutzvorkehrungen für ihre Passagiere und das Zugpersonal treffe.

Virus breitet sich aus

In Deutschland gibt es derzeit 16 bestätigte Fälle, davon 14 in Bayern und zwei Rückkehrer aus der chinesischen Provinz Hubei, die in einer Kaserne in Rheinland-Pfalz untergebracht sind. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die „Corona-Epidemie ist als Epidemie in Europa angekommen“. Er rechne damit, „dass sie sich auch in Deutschland ausbreiten kann.“

Das Landesministerium für Soziales und Integration in Stuttgart, dem auch das Gesundheitsamt unterstellt ist, sieht vorerst aber keinen Anlass zur Sorge. Die Lage in Norditalien habe „keine direkten Auswirkungen auf die Situation in Baden-Württemberg“, sagt Sprecherin Claudia Krüger dem SÜDKURIER auf Anfrage. Dennoch beobachte das Amt die Situation „in unseren Nachbarländern sehr aufmerksam“.

Soldaten tragen Mundschutz und patrouillieren über den Domplatz in Mailand.
Soldaten tragen Mundschutz und patrouillieren über den Domplatz in Mailand. | Bild: Claudio Furlan/dpa

Der Landkreis Konstanz sagt dem SÜDKURIER auf Anfrage, das Gesundheitsamt stehe generell im Austausch mit den Schweizer Behörden. „Im Bedarfsfall kann so eine schnelle Absprache erfolgen.“ Die Kliniken in der Region seien ebenfalls „auf den Umgang mit möglichen ersten Verdachtsfällen vorbereitet.“ Bislang seien aber keinerlei Verdachtsfälle bekannt.

Gefahrenabwehr im Ernstfall

Im Ernstfall, also sollte ein Fall in Baden-Württemberg auftreten, greift das Kompetenzzentrum Gesundheitsschutz am Landesgesundheitsamt ein. Über die Stelle würden dann Maßnahmen koordiniert. Das sogenannte SARS-Cov-2-Virus kann schon seit Ende Januar im Labor des Landesgesundheitsamts in Stuttgart nachgewiesen werden. Proben können direkt aus Arztpraxen dort eingeschickt werden. Besorgte Bürger können sich auch direkt an das Amt wenden: Die dafür eingerichtete Hotline ist unter der Telefonnummer 0711/90439555 erreichbar.

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Die Nachfrage ist groß: Die Experten beantworten täglich mehrere Dutzend Anfragen. „Typische Fragen sind etwa, wie man sich vor einer Infektion schützen kann, wie das Virus übertragen wird, wie der Krankheitsverlauf ist, wer eine Infektion feststellen kann, wie man sich bei Reisen verhalten sollte, ob man sich über Lebensmittel oder Päckchen aus Risikogebieten infizieren kann“, sagt Christiane Wagner-Wiening, Fachvirologin und Epidemiologin am Kompetenzzentrum Gesundheitsschutz.