Die Erleichterung ist rundum spürbar, als sich um kurz nach zehn Uhr am Montagvormittag der Rettungswagen mit dem zweiten geborgenen Höhlengänger den Weg durch das Durcheinander von Rettern, Material und Einsatzfahrzeuge bahnt und den Waldparkplatz zwischen Bad Urach und Grabenstetten in Richtung des nächsten Krankenhauses verlässt. „Eine reine Vorsichtsmaßnahme“, sagt Markus Metzger, Rettungsdienstleiter beim DRK-Kreisverband Reutlingen, die Geretteten sind wohlauf.

Die Einsatzleiter informieren die Medienvertreter über den Ablauf der Rettung.
Die Einsatzleiter informieren die Medienvertreter über den Ablauf der Rettung. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

Schon zwei Stunden zuvor war der erste der Männer wieder ans Tageslicht gebracht worden – nach einer langen Nacht, in der die Festsitzenden von vier Höhlenrettern betreut und versorgt wurden. „Beiden geht es soweit gut, es sind junge, fitte, Männer, die die Aktion einmal abgesehen von einer leichten Unterkühlung gut überstanden haben“, sagt Metzger.

Ende gut, alles gut? Seit Sonntagabend waren über 90 Helfer vor Ort im Einsatz, „das ganz große Besteck“, sagt Einsatzleiter Andreas Müller. Bergwacht, Höhlenrettung Baden-Württemberg mit allen verfügbaren Kräften, Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz, Ersthelfer, Polizei. Um die 20000 Euro könnte der Einsatz kosten, so vorsichtige Schätzungen.

Großer Einsatz von Rettungskräften vor Ort.
Großer Einsatz von Rettungskräften vor Ort. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

In die Erleichterung mischen sich die ersten kritischen Stimmen: Die Wetterverhältnisse am Sonntag waren anspruchsvoll, mit viel Wasser in der Höhle war zu rechnen und die beiden Männer – ein Höhlenführer und sein Kunde – wohl nicht entsprechend ausgerüstet. Michael Hottinger, Einsatzleiter Höhlenrettung, hat eine lange Nacht hinter sich. Er findet klare Worte: „Wer bei solchen Verhältnissen hineingeht, dem muss klar sein, dass etwas passieren kann. Entweder muss man draußen bleiben oder vernünftige Ausrüstung mitnehmen“, sagt er, „da reichen keine zwei Rettungsdecken.“

Einsatzleiter Michael Hottinger Video: Bäuerlein, Ulrike

Denn viel mehr an Sicherheitsreserven hatten die beiden Männer wohl nicht dabei, als sie am Sonntag in die Falkensteiner Höhle eingestiegen waren. Für die meisten Touristen, die einen Blick in den Schlund der Höhle werfen wollen, endet der gangbare Weg ins Höhleninnere knapp 20 Meter nach dem Eingangsportal mit der ersten Engstelle des Ganges, durch die es nur gebückt hindurchgeht. Wer weiter will, muss sich vorher bei der Gemeinde Grubenstetten anmelden und eine Bergeversicherung nachweisen – mehr Voraussetzungen gibt es nicht.

Bild 3: Nach der aufwendigen Rettung von zwei Männern aus der Falkensteiner Höhle hinterfragen Helfer deren Ausrüstung

Die beiden Männer hatten sich bis zur sogenannten „Reutlinger Halle“ vorgearbeitet, einer etwas erhöhten Felshalle im Berg. Dabei passierten sie auch drei sogenannte Siphons – Gangabschnitte, die zum Teil unter Wasser stehen und normalerweise zu Fuß passiert werden, aber bei starkem Wassereindrang bis zur Decke volllaufen können.

Ein Plan der Falkensteiner Höhle.
Ein Plan der Falkensteiner Höhle. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

Ohne Tauchgerät ist der Rückweg dann verschlossen. Und genau das passierte: Das Regenwetter am Sonntag ließ unablässig Wasser in die Karsthöhle nachfließen, die Siphons liefen voll, die Männer saßen fest. Als ihre abendliche Rückmeldung ausblieb, informierte ein Angehöriger die Rettungskräfte.

Der Eingang zur Falkensteiner Höhle liegt im Wald unterhalb einer Felssteilwand. Direkt nach dem hohen Eingangsportal biegt der Gang ...
Der Eingang zur Falkensteiner Höhle liegt im Wald unterhalb einer Felssteilwand. Direkt nach dem hohen Eingangsportal biegt der Gang nach links in den Berg hinein, nach 20 Metern kommt bereits die erste Engstelle. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

Werner Gieswein, Höhlentaucher von der Höhlenforschungsgruppe Ostalb, erläutert das Notfallprozedere: „Wer so etwas unternimmt, hinterlegt einen Ablaufplan und eine Alarmzeit – wenn die verstrichen ist, wissen Angehörige zu 100 Prozent, dass es einen Notfall gibt, und alarmieren die Rettung“, sagt er.

Höhlenretter Werner Gieswein beschreibt, wie es im Inneren des Berges aussieht.
Höhlenretter Werner Gieswein beschreibt, wie es im Inneren des Berges aussieht. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

Noch in der Nacht dringen die ersten Hilfskräfte zu den Festsitzenden vor, sie brauchen Stunden. „Das war brutal, wirklich anstrengend, eine irre Strömung“ sagt einer der beteiligten Taucher vor den Journalisten. Wegen der enormen Wasserströmung aus der Höhle heraus müssen erst Seilsicherungen für die Retter gelegt werden, um Rettungsmaterialen nach innen zu schaffen.

Die ganze Nacht über brachten Bergwacht und Höhlenrettung Material ins Innere. Wegen der starken Wasserströmung mussten ...
Die ganze Nacht über brachten Bergwacht und Höhlenrettung Material ins Innere. Wegen der starken Wasserströmung mussten Seilversicherungen für die Taucher angebracht werden. | Bild: Christoph Schmidt

„Das war kein Spaziergang, sondern harte Arbeit, extrem anstrengend“, sagt Einsatzleiter Hottinger. „Eine wirkliche Gefährdungslage hatten wir zu keiner Zeit, aber wir haben das Zehnfache des Normalen an Zeit gebraucht für die Strecke.“

Vor Ort bei den Eingeschlossen zeigt sich schnell, so der Einsatzleiter, dass die Männer unverletzt sind, aber unterkühlt. An ein Heraustauchen noch in der Nacht bei den Wasserständen ist nicht zu denken, ohnehin habe nur einer der beiden Taucherfahrung mit Atemgeräten gehabt. „Die Pegelstände sind in der Nacht aber wieder gesunken, deshalb haben wir abgewartet“, sagt Hottinger.

Ein Helfer der Bergwacht (links) und der Höhlenrettung vor dem Eingang zur Falkensteiner Höhle, aus der zwei eingeschlossene Männer ...
Ein Helfer der Bergwacht (links) und der Höhlenrettung vor dem Eingang zur Falkensteiner Höhle, aus der zwei eingeschlossene Männer befreit werden mussten. | Bild: Marijan Murat

Albrecht Schlierer von der Höhlenrettung Baden-Württemberg, vor Ort Teil der Einsatzleitung, war selbst schon oft in der Falkensteiner Höhle. „Die Höhle ist stellenweise sehr eng, man muss schwimmen, tauchen klettern, kriechen.“ Er beschreibt, wie sich so eine Nacht in der Höhle anfühlt: „Sauerstoff gibt es genug, aber es ist völlig dunkel, es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent, überall gluckst und gluckert es“, sagt er.

Wie ist es in so einer Höhle Video: Bäuerlein, Ulrike

„Ganzjährig herrschen acht Grad, wenn man sich eine Weile nicht bewegt, kriecht die Kälte in einen hinein. Und man verliert schnell jedes Zeitgefühl.“ Von bequemem Sitzen oder Liegen könne aber keine Rede sein, die Reutlinger Halle sei eine Art Geröllhalde. Die Retter sorgten daher in der Nacht vor allem für Licht, Zuspruch, warme Getränke, Essen und Kälteschutz für die Eingeschlossenen.

Zu viel Andrang in der Höhle

Schlierer selbst geht nicht mehr gerne in die Höhle. „Zu viel Rummel, zuviel kommerzielle Führer“, sagt er. Auch Einsatzleiter Hottinger weiß, dass hier viel Verkehr herrscht. „Die Falkensteiner Höhle wird zu Tode getrampelt“, sagt er. Er nennt sie eine „Opferhöhle“ – weil dadurch andere Höhlen vor dem Massenandrang geschützt werden.

Als am Morgen die beiden Verunglückten ans Tageslicht gebracht werden, abgeschirmt vor der wartenden Reportermenge, hat sich der Regen vom Vortag längst verzogen. Die Julisonne lässt vor dem Höhleneingang dampfende Feuchtigkeit aufsteigen.

Die Lage vor der Höhle Video: Bäuerlein, Ulrike

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne), ist eigens an vor Ort geeilt, um sich bei den Rettern zu bedanken. „Super habt ihr das gemacht“, lobt Lucha. Auch Roland Deh, Bürgermeister von Grabenstetten, zeigt sich erleichtert. Vor Journalisten hat er den Leichtsinn der Geretteten gerügt. „Vielleicht trägt die Aktion ja zur Sensibilisierung vor den Gefahren bei“, hofft er. Dennoch: Besonders aufregend sei die ganze Rettungsaktion nicht gewesen. „Bei uns ist letztes Jahr die Schule abgebrannt“, sagt Deh. „Da herrschte Aufregung.“

Fünf Kilometer tief in den Berg hinein

  • Längste Höhle der Alb – Die Falkensteiner Höhle, zwischen Bad Urach und Grabenstetten gelegen und über einen Waldpfad leicht zugänglich, ist mit etwa fünf Kilometern Länge eine der längsten Höhlen der Schwäbischen Alb. Aus ihr entspringt die Elsach, ein Zufluss der Erms. Die Höhle ist eine aktive Wasserhöhle. Das heißt, dass äußere Niederschläge durch Karst der Albhochfläche sickern, sich in wasserführenden Spalten und Gängen sammeln und durch die Höhle ins Freie gelangen. Der Wasserstand in der Höhle kann daher – etwa durch Schneeschmelze oder bei starkem Regen – rasch ansteigen.
  • Publikumsmagnet – Die Falkensteiner Höhle zieht auch aufgrund ihrer leichten Zugänglichkeit viele Höhlenfans an. Aber sie ist keine Schauhöhle mit befestigten Gängen, sondern eine sogenannte wilde Höhle. Schautafeln und ein Stoppschild nach den ersten 20 Metern weisen darauf hin, dass die Erkundung nicht ungefährlich ist. Lediglich die ersten 20 Meter können bei anhaltend trockenem Wetter nur mit Helm und Taschenlampen erkundet werden. Wer tiefer eindringen will, muss sich zuvor bei der Gemeinde Grabenstetten anmelden und eine entsprechende Bergeversicherung nachweisen.
  • Höhlenrettung – Bei Einsätzen wie in der Falkensteiner Höhle werden die Experten Höhlenrettung Baden-Württemberg e.V. alarmiert. Die 1985 gegründete Rettungsorganisation hat derzeit landesweit in mehreren Ortsgruppen rund 150 Mitglieder, die allermeisten sind selbst aktive Höhlenforscher. Zu den Höhlenrettern gehören Ärzte, Techniker, medizinisches Personal und Höhlentaucher. Die Experten arbeiten bei den Einsätzen eng mit der Bergwacht und anderen Hilfsdiensten zusammen. (uba/dpa)