Manuela Martin ist ehrlich verzweifelt. „Den Igeln geht es schlecht, sehr schlecht“, sagt die Frau am Telefon. Zusammen mit 20 ehrenamtlichen Helfern betreibt sie die Igelstation in Eigeltingen im Hegau.

Etwa 40 Tiere hat sie derzeit in Pflege in einer großen Garage, die direkt neben dem Wohnhaus steht. Was als Hobby begann, ist inzwischen zur zeitraubenden Aufgabe ausgewachsen. Tierfreunde und Tierschützerinnen aus dem Landkreis Konstanz und darüber hinaus tragen verletzte Stacheltiere nach Eigeltingen.

Unfreiwillig ganzjähriger Betrieb

In der Igelstation herrscht inzwischen ganzjähriger Betrieb, und zwar unfreiwillig. Eigentlich hatte sich Martin auf „eine igelfreie Zeit gefreut“ – eine Zeit, in der sie und ihr Team einmal durchschnaufen können. Doch daraus wird in diesem Jahr nichts.

Pflege und Fütterung nimmt sie und ihre Mannschaft inzwischen 12 Monate in Beschlag: Im Winter werden die Igel aufgepäppelt, im Sommer werden die verletzten oder verdurstenden Tiers wieder auf die Beine gestellt.

Ein junger Igel.
Ein junger Igel. | Bild: Fricker, Ulrich

Versorgung ist kostspielig

Seit einigen Jahren hat sich still und leise ein neuer Feind in die stattliche Reihe der Igelfeinde eingereiht: Es sind die sogenannten Mähroboter, die dezent ihr blutiges Handwerk verrichten und manches Tier erwischen.

Die Verletzungen sind stark, die Gartenbesitzer bringen die blutenden Tiere dann zu Manuela Martin. Der Aufwand, der in Eigeltingen betrieben wird, ist enorm. Die Igelfrau leistet eine Erstversorgung. Wenn das nicht reicht, bringt sie das Tier zur Tierärztin nach Lindau. Das ist nicht der nächste Weg, und das bedeutet: Behandlung und Versorgung sind kostspielig.

Ein Brandbrief für die Igel

Das ist aber nicht der Grund, weshalb sich diese engagierte Frau an diesem Wochenende an ihre Zeitung wendet. Es ist Samstagmittag, um 16 Uhr kam sie von ihrer Arbeit in Stockach zurück, dort betreiben sie und ihr Mann ein Sportgeschäft mit Schwerpunkt Golfausrüstung. Das ist eine andere Welt als die Welt lädierten Igel, die sie auf ihrem Grundstück betreut.

Der Grund ihres Anrufs: Sie will auf das Elend der wuseligen Tiere aufmerksam machen. Der Appell ist mit dem Wort „Brandbrief“ überschreiben, er stammt von der Organisation Pro Igel, einer Art Dachverband und Lobby für ein Lebewesen, das sonst keine Lobby hat.

Biorhythmus ist durcheinander

Frau Martin unterschreibt alle Punkte, die von den Tierschützern um Pro Igel aufgeschrieben wurden. „Der Biorhythmus dieser Tiere ist völlig durcheinander“, sagt sie. Es beginnt mit der Nahrung, die das Tier in der Natur vorfindet.

In erster Linie fängt und verspeist es Insekten, die es früher in Fülle vorfand. Das Angebot an Laufkäfern, Tausendfüßer und Spinnen ist ein den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Der Igel tippelt durch Gärten wie durch einen Laden, dessen Regale leer sind. Häufig nimmt die Igelstation deshalb Exemplare lauf, die stark abgemagert sind. Das kommt auch daher, weil ein Igel in viele Gärten nicht mehr hineinkommt.

Zäune sind nicht nur blickdicht (der Nachbar soll nicht hineinsehen), sondern auch tierfeindlich („nur kein Geziefer auf dem eigenen Rasen“). Noch etwas ist Frau Martin aufgefallen: „Es gibt kaum mehr Komposthäufen, sondern Biotonnen“. In Komposthäufen fanden Igel vieles, was sie zum Leben brauchen, zum Beispiel Engerlinge.

Der typische Kleingarten sieht diese nicht mehr früher; seine Rasenfläche ist mehr dekorativ, auf ihm breite Möbel und Sofas oder, noch besser, Außenküchen. Da passt der Igel schlicht nicht mehr rein. Man hat ihn sauber ausgesperrt.

Mit einfachen Mitteln helfen

Die Igelversteherin kann noch viele manches Aufzählen, was das Überleben der stacheligen Gesellen gefährdet. Doch wie kann man dem Igel helfen, wenn man ein Stück Grün verfügt? Da gehen die Meinungen durchaus quer.

Aniela Arnold vom Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg rät von Fütterung ab. Sie sagt: „Wenn ein Igel wirklich unterernährt ist und Hilfe braucht, dann kann man ggf. artgerechtes Futter anbieten. Das sollten aber Ausnahmen bleiben. Aus unserer Sicht ist es nicht empfehlenswert, ein Wildtier wie den Igel vorbeugend zu füttern.“

Manuela Martin kennt diese Einwände, hält aber dagegen: Der Igel finden definitiv zu wenig Nahrung. Sei schaffen es nicht alleine.“ Man sollte sie unterstützen und zum Beispiel Katzenfutter auslegen. Und noch einen Tipp hat sie, der mit wenig Aufwand verbunden ist: Wenn die Tiere Durst haben, dann ist Wasser in einem Blumenuntersetzer sehr hilfreich. Mit einfachen Mitteln könne man schon viel erreichen.