Wer hat in der Landesregierung die Lufthoheit in Sachen Arten- und Klimaschutz? Dass das Thema Wahlen entscheiden kann, zeigte zuletzt die Europawahl.
Verblüfft registrieren die Grünen jetzt, dass die CDU sie in Sachen Klimaschutz plötzlich vor sich hertreiben will. Beide Seiten ringen verbissen darum, sich nicht vom Koalitionspartner unterbuttern zu lassen. Das Ergebnis ist eine undurchsichtige Gemengelage. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Dinge:
- Waldzustand: Nachdem CDU-Landwirtschaftsminister Peter Hauk seit Wochen landauf, landab Waldschäden durch den Klimawandel begutachtet, Haushaltsmittel für Gegenmaßnahmen fordert und an einem Masterplan zum Wald arbeitet, begleitete ihn nun der grüne Ministerpräsident selbst in den Wald. Die Bilder gehören jetzt Kretschmann und den Grünen, nicht mehr dem CDU-Minister. Wald- und Klimaschutz, so die außenwirksame Botschaft, ist Chefsache.
- Klimaschutzgesetz: Im Mai schon einigten sich Grüne und CDU auf Eckpunkte zur Fortschreibung des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes, das noch aus dem Jahr 2013 stammt. Das grüne Umweltministerium will auf dieser Basis bis zum Jahresende ein Gesetz vorlegen. Hauptziel: Baden-Württemberg soll weniger Kohlendioxid produzieren. Bis 2030 soll der Ausstoß des Treibhausgases um 42 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden, bis 2050 sogar um 90 Prozent.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart zweifelt Sinn und Zweck der Zahlen an. „Ich kritisiere nicht die Klimaschutzziele, aber wir brauchen konkrete Maßnahmen statt immer neue Jahreszahlen auf Papier“, sagt Reinhart auf Anfrage. Dabei hatten die Grünen auf Druck der CDU erst davon abgesehen, feste Vorgaben in das Gesetz zu schreiben – wie sie Reinhart jetzt fordert.
- Klimaschutzstiftung: Mitten in das Ringen um die Eckpunkte des neuen Klimaschutzgesetzes platzt im April der CDU-Wirtschaftsexperte Claus Paal mit dem Vorschlag, eine Klimaschutzstiftung zu gründen. Die Idee: Das Land selbst solle für seine eigenen CO2-Emissionen Geld in die Stiftung einzahlen, diese wiederum mit dem Geld in Klimaschutzmaßnahmen in Baden-Württemberg investieren. Als Grundstock sollte ein Teil des Bußgelds von einer halben Milliarde Euro dienen, das Porsche wegen Dieselmanipulationen in die Staatskasse bezahlen muss.
Die CDU jubelt über die Idee, die Grünen lehnen prompt vergrätzt ab – und bringen sich in Nöte. Denn auch die Grünen im Bund fordern einen Klimaschutzfonds, aus dem konkrete Projekte bezahlt werden sollen. Widerwillig lassen die Grünen nun über die Landesstiftung prüfen, ob die Stiftung rechtlich möglich wäre.
- Pestizidreduktionsstrategie: Der Einsatz von Pestiziden im Land soll spürbar reduziert werden – das schrieben sich Grüne und CDU schon 2016 in den Koalitionsvertrag. Doch über die Strategie konnten sich Landwirtschafts- und Umweltministerium seit eineinhalb Jahren nicht einigen.
Kurz nach Beginn der Sommerferien sickerte nun eine Einigung auf Arbeitsebene durch. Demnach hätte sich das grüne Umweltministerium auf breiter Linie durchgesetzt: Ausbau des Ökolandbaus auf 30 bis 40 Prozent, schnellstmögliche Beendigung der Glyphosat-Anwendungen, Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent, Neuverpachtung landeseigener Flächen vorrangig an Ökobetriebe.
„Da ist noch gar nichts in trockenen Tüchern, das befindet sich noch in der Abstimmung“, bremst ein CDU-Fraktionssprecher. Schließlich müssen die Fraktionen zustimmen – und die nächste Arbeitskreissitzung dazu ist erst im Oktober.
- Volksbegehren Artenschutz: Die Zielrichtung ist gut, der Gesetzentwurf verbesserungsbedürftig – zumindest in diesem Punkt sind sich Grüne und CDU einig. Klar ist aber: Beide Seiten geraten durch das Volksbegehren in Zugzwang. Kommt das Gesetz zur Abstimmung in den Landtag, müssen beide Seiten Farbe bekennen.
Eine Ablehnung eines Volksbegehrens zur Bienenrettung ohne eigenen Alternativvorschlag wäre dem Wähler kaum zu vermitteln – und der dürfte dann selbst entscheiden. „Ich wünsche mir, dass wir als Landesregierung eine Alternative stellen“, sagt daher der Grünen-Landwirtschaftsexperte Martin Hahn. Was aber kaum etwas nützen würde. Die Initiatoren des Volksbegehrens haben bereits signalisiert, dass sie ihren Antrag auch bei einem Alternativvorschlag von Grünen und CDU nicht zurückziehen.