Es ist Waldwetter an diesem Morgen, an dem Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seinem Forstminister Peter Hauk und einer großen Delegation durch die Wälder von Ühlingen-Birkendorf (Kreis Waldshut) stapft. 13 Grad, leichter, aber dauerhafter Regen – das brauchen die Fichten und Tannen des Südschwarzwaldes, um zu überleben. Für viele ihrer Artgenossen kommt der Regen jedoch zu spät. Deren von Borkenkäfer und Dürre dahingerafften und dann gefällten Stämme säumen dutzendfach die Wege, über die der grüne Ministerpräsident drei Stunden lang schreitet und fährt.

„Die Situation ist dramatisch“, fasst Kretschmann am Ende zusammen. Sein Minister Hauk fährt schon seit Wochen durchs Land und lässt sich tote Bäume zeigen. Nichts anderes machen die Förster im Land, die täglich hundert Fußballfelder an Fläche ablaufen und Baum um Baum an Buchdrucker, Kupferstecher und krummzähnige Tannenborkenkäfer verloren geben müssen. Jetzt hat Kretschmann seinen Urlaub unterbrochen, um sich das einmal persönlich anzuschauen.

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„Wir lieben den Wald“

Die Wahl fiel nicht zufällig auf den Wald im Kreis Waldshut: Kaum eine Region ist schlimmer vom Waldsterben, dieser Klimakrise zum Anfassen, betroffen. Und kaum eine Region ist inniger mit dem Wald verwachsen: Jeder zehnte Einwohner des Kreises besitzt selbst Wald. „Der Wald ist ja auch Teil unseres Gemütes“, weiß Kretschmann, als er neben einer frisch notgerodeten Fläche steht, „wir lieben den Wald.“

Winfried Kretschmann packt an und schaut zu: Er pflanzt eine Buche in einen Privatwald, der besonders vom Waldsterben betroffen ist.
Winfried Kretschmann packt an und schaut zu: Er pflanzt eine Buche in einen Privatwald, der besonders vom Waldsterben betroffen ist. | Bild: Patrick Seeger/dpa

Die Exkursion führt in die Höhen des Ühlingen-Birkendorfer Teilorts Riedern am Wald – namentlich passend. Das Dorf ist die Heimat von Papstsekretär Georg Gänswein. Auch er besitzt hier Wald, und auch seine Bäume werden vom Borkenkäfer zerfressen. Der Käfer ist ein weltliches, wirkliches Problem. Besonders für die Tausenden Privatbesitzer. Einst war ihr Wald Geldanlage, jetzt müssen sie für die Entnahme des Totholzes draufzahlen.

Finanzhilfen für Privatwälder?

Einer, der viel baumgebundenes Vermögen verloren hat, ist Edgar Probst. Er besitzt in Riedern 40 Hektar Wald – wovon 40 Prozent dem Borkenkäfer zum Opfer fielen. Symbolisch pflanzt Kretschmann ihm eine junge Buche auf eine Brachfläche, Hauk setzt daneben eine Douglasie. Und was ist mit den vielen anderen Privatwaldbewirtschaftern? Kretschmann lässt durchklingen, über finanzielle Hilfen für sie nachzudenken: „In dieser Notsituation müssen wir helfen, gerade den privaten Besitzern“, sagt er.

Ein gefällter Baum liegt auf einer gerodeten Waldfläche bei Riedern am Wald.
Ein gefällter Baum liegt auf einer gerodeten Waldfläche bei Riedern am Wald. | Bild: Patrick Seeger

Über konkrete Zahlen will er aber noch nicht sprechen. Und auch von Aktionismus halte er nichts, die langfristige Perspektive des Waldes müsse man in Ruhe besprechen. Derzeit bringe der Staatswald dem Landeshaushalt 30 Millionen Euro im Jahr ein: „Das macht den Kohl nicht fett und nicht mager“, sagt der Landeschef mit Blick auf das Haushaltsgesamtvolumen von 51 Milliarden Euro.

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Kretschmann sieht den Wald künftig nicht primär als Einnahmequelle: „Die wichtigste Funktion des Waldes in Zukunft wird die ökologische sein.“ Den Wald flächendeckend sich selbst zu überlassen, wie von Umweltverbänden gefordert, sieht er wie sein Minister Hauk nicht als Lösungsweg. Stattdessen betont er nochmals die Wichtigkeit des Kampfes gegen die „Jahrhundertaufgabe Klimawandel“ und fordert eine zügige Bepreisung von CO2-Ausstoß.

Kretschmann mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner.
Kretschmann mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner. | Bild: Patrick Seeger

Da bleibt noch eine Frage offen: Will Kretschmann diese Aufgabe auch nach 2021 noch als Ministerpräsident angehen? Über den Sommer wollte er sich bewusst werden, ob er noch einmal als Spitzenkandidat zur Landtagswahl antritt. Vom Sommer war in Ühlingen-Birkendorf keine Spur mehr, von Kretschmanns Entscheidung aber auch nicht: „Immer noch 50/50“, blieb er vage. Nach einer weiteren Woche Urlaub – es geht nach Griechenland – stünden aber die entscheidenden Gespräche dazu an.