Nach dem Studium schreckte sie die Schule als Arbeitsplatz eher ab. „Es war mir zu verkopft“, begründet Sonja Fahlenbock (50) ihren Wechsel zur Sozialpädagogik. Statt auf die Wissensvermittlung wollte sie ihren Schwerpunkt auf die Persönlichkeitsentwicklung legen, um Potenziale zu fördern und das Miteinander zu stärken.

Die Zeit an einer Schule in freier Trägerschaft gab ihr den Impuls, ins Schulwesen zurückzukehren. Seit mehr als zehn Jahren leitet Fahlenbock die Grundschule im Salemer Teilort Beuren.

2019 wurde Sonja Fahlenbock fast so etwas wie prominent, weil sie ihre Kritik am Schulsystem öffentlich formulierte. Mit drei weiteren Schulleitungen stand sie landesweit im Fokus, als sie gemeinsam mit einem offenen Brief an die damalige Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) die Grundschulen „weg vom Abstellgleis“ bringen wollte. Die Medien ernannten die mutige Gruppe zu „Schulrebellen“.

Für die gesamte Bandbreite zuständig

Die Kampagne fiel der Corona-Pandemie zum Opfer, aber dem Ziel von damals bleibt Fahlenbock treu: „Kinder zu begleiten ist der schönste Beruf der Welt“, sagt sie. „Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft und die Politik erkennen, dass wir mit der wichtigsten Ressource arbeiten“, so die leidenschaftliche Lehrerin. Es sei wichtig, in den Anfang zu investieren, „denn wir setzen den Grundstein“.

Die Rektorin macht klar: Grundschulen sind für die gesamte Bandbreite an Schülern verantwortlich, erhalten aber das wenigste Geld und keine Poolstunden für Förder- oder Zusatzangebote. „Wir bemühen uns, allen gerecht zu werden, aber die Möglichkeiten sind irgendwann erschöpft“, erklärt sie auch stellvertretend für ihre Kollegen.

Im beschaulichen Beuren habe man zwar entgegen der landläufigen Tendenz ehrenamtliche Helfer, um einzelne Kinder zu fördern, sagt Fahlenbock. Es sei etwas Kostbares und ein Riesengeschenk, „aber andererseits ein Armutszeugnis, dass wir das brauchen“.

Was Grundschulen brauchen

Dazu komme, dass sich die Gesellschaft und die Aufgaben der Schule verändert haben: „Die Schule muss viel mehr auffangen, das Unterrichten ist oft Nebensache.“ Daher setzt sich die Pädagogin für Tandems aus einer Lehrperson und einer pädagogischen Fachkraft in jeder Klasse ein.

Konflikte habe es zwar immer gegeben, doch man versuche, dem Warum mehr Raum zu geben, um die Kinder auf ihrem Weg zu verantwortungsbewussten, eigenständig denkenden Individuen zu unterstützen. „Uns ist allen klar, wie es geht, aber dafür brauchen wir Zeit und Personal.“ Und um Letzteres zu gewinnen, benötige es mehr Wertschätzung und Anreize.

Den Kommunen kann sie keinen Vorwurf machen: „Die haben auch Schwierigkeiten, mit dem zu arbeiten, was ihnen vorgegeben wird.“ Daher sieht sie den Ball im Feld der Politik.

Jedem Kind einen guten Start ermöglichen

Aktuell gebe es alle paar Jahre eine Studie, gefolgt von einem Aufschrei, worauf an Stellschrauben gedreht werde, kritisiert sie das Bildungssystem. „Ich wünsche mir, dass man Schule unabhängig von Wahlkampfphasen grundsätzlich neu denkt und entstaubt, um den veränderten Bedingungen begegnen zu können“, fordert Fahlenbock stattdessen.

So wäre es möglich, jedem Kind einen guten Start in eine gelingende Zukunft zu ermöglichen. „Wir haben den schönsten Beruf der Welt und wir haben Schüler, die gerne kommen und uns mit einem Strahlen begegnen“, sagt sie. Damit dieses Strahlen nicht verloren gehe, müsse man an der Basis ansetzen. „Denn auf den Anfang kommt es an – und wer in den Anfang investiert, investiert in die Zukunft.“