An der Tankstelle chillen, Sportwagen beim Händler angucken, vor dem McDonald‘s am Hauptbahnhof abhängen und anschließend zum Döbele – so fasste der 24-jährige Angeklagte den Donnerstagabend Ende März 2021 während des Prozesses zusammen. „Man konnte im Lockdown ja nichts machen. Deshalb sind wir aus Langweile einfach mit ein paar Kumpels in unseren Autos herumgefahren.“
Am Döbele die Motoren heulen lassen
Am Döbele-Parkplatz hätten er und der 23-jährige Angeklagte die Motoren ihrer BMWs aufheulen lassen und ihre Kumpels unterhalten, so der 24-Jährige. Bis ein Mann die Nummernschilder ihrer Autos fotografierte und eine Frau die Polizei rief.
„Ich dachte, es sei wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Regeln oder wegen Lärmbelästigung“, sagte der 23-jährige Angeklagte. Doch der Grund war ein anderer – und führte sogar zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz.
Angeklagter: „Wir waren vielleicht nicht schnell, dafür aber laut“
Rund ein Jahr nach diesem Vorfall saßen die beiden, ein 23-jähriger Bürokaufmann aus Konstanz und ein 24-jähriger Fachmann für Autosoftware aus Kreuzlingen, auf der Anklagebank im Konstanzer Amtsgericht. Ihnen wurde zur Last gelegt, an dem Abend im März 2021 an der Oberen Laube ein Drag-Rennen und auf dem Döbele-Parkplatz ein Drift-Rennen gefahren zu haben.
Laut Anklage soll es dabei zur Gefährdung eines zweijährigen Kindes gekommen sein. Beiden war seitdem ihre Fahrerlaubnis entzogen worden.
Die Angeklagten stritten vor Gericht die Tatvorwürfe ab und versicherten, sich an das Tempolimit gehalten zu haben. „Wir waren vielleicht nicht schnell, dafür waren unsere Autos aber sehr laut und auffällig: 360 PS, große Reifen und tiefergelegt“, erzählte der 23-jährige Angeklagte Richterin Marie-Theres Polovitzer. „Wenn Sie sich das lauteste Auto vorstellen, das auf der Straße herumfährt, dann war meines noch zwei Mal lauter“, so der Konstanzer.
Geschädigte: „Habe seitdem wahnsinnige Angst vor Parkplätzen“
Anschließend schilderte die Mutter des Kindes, wie sie ihre zweijährige Tochter vor den vermeintlich rasenden Autos der Angeklagten gerettet habe. „Mein Kind ist aus der Autotür gestiegen, auf die Fahrbahn gelaufen und ich musste es wegreißen“, sagte die 25-jährige Erzieherin aus Konstanz. Anschließend habe sie „total unter Schock“ gestanden. „Seitdem habe ich eine wahnsinnige Angst vor Parkplätzen“, sagte sie.
Wie sich bei ihrer Vernehmung herausstellte, widersprachen sich mehrere Angaben aus ihrer Polizeivernehmung am Tag des Vorfalls und ihren Aussagen vor Gericht. So wusste sie nicht, ob sie die Autos habe driften sehen oder nur das laute Motorengeräusch gehört habe. Oder ob die Autos auf dem engen Parkplatz wirklich nebeneinander gefahren seien. Oder ob die Angeklagten wirklich vor ihrem Kind gebremst hätten – wie sie es sogar vor Gericht erklärte.
Widersprüche bei Aussagen des Vaters
Auch die Aussagen des Vaters des Kindes stützten nicht den Tathergang aus der Anklageschrift. Der 25-jährige sei an dem Abend vom Schnetztor aus zum Döbele-Parkpatz unterwegs gewesen, um Frau und Tochter abzuholen. „Dort habe ich die Autos an der Oberen Laube rasen sehen“, sagte er.
Wie Richterin und Staatsanwaltschaft auf Nachfrage feststellten, habe er auf seinem Laufweg die Ereignisse nicht so verfolgen können, wie er sie in der damaligen Polizeivernehmung und nun vor Gericht schilderte. Demnach habe der 25-Jährige auch nicht klar erkennen können, ob sich die Angeklagten zwischen Oberer Laube und Döbele-Parkplatz wirklich ein Rennen geliefert hätten.
Richterin: „Sehen Sie das als einen Warnschuss!“
Nach den widersprüchlichen Aussagen der Eltern schloss Amtsrichterin Polovitzer bereits die Beweisaufnahme nach der Vernehmung von vier der zehn möglichen Zeugen. Nach den Schlussplädoyers sprach sie die Angeklagten frei und gab dem Konstanzer Angeklagten seinen Führerschein zurück. Der Kreuzlinger erhält diesen bald von den Schweizer Behörden zurück.
Nach der Urteilsverkündung sagte Polovitzer: „Obwohl man Ihnen nichts nachweisen konnte und die Vorfälle nun verjährt sind, war Ihr Verhalten im Straßenverkehr aber nicht StVO-konform.“
Trotz des Freispruchs sollten der vorübergehende Entzug ihrer Führerscheine und die Übernahme der Anwaltskosten für den Prozess eine Lehre für die Angeklagten sein, sodass sie künftig auf ihre Verhalten im Straßenverkehr achten. „Sehen Sie das also als einen Warnschuss!“, so Polovitzer.