
Am Bodenseeufer sieht man den Winter nicht nur an den kahlen Bäumen. Man riecht ihn auch, wenn keine Schwaden von Gegrilltem über die Wiesen ziehen. Und man kann ihn an den vielen Wintermäntel und wenigen Badehosen erkennen. Außer den Eisbadern geht jetzt niemand in den Bodensee. Das Wasser ist zu kalt zum Baden, aber gleichzeitig ist es zu warm. Nicht für die Menschen, sondern für den See.
Der See sollte sich im Winter umwälzen
Wie die meisten tiefen Seen ist der Bodensee an der Oberfläche deutlich wärmer als in der Tiefe. Im Sommer kann der Unterschied über 20 Grad Celsius betragen. Im Winter wird es auch an der Oberfläche kalt und wenn der ganze See die gleiche Temperatur hat, lösen sich die Dichteunterschiede des Wassers auf und der See wälzt sich um.
„Dies geschieht im Bodensee bei Oberflächentemperaturen nahe 4 bis 5 Grad Celsius, also bei winterlichen Temperaturen, die über einen längeren Zeitraum anhalten“, sagt Tatjana Erkert von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Aber „Solche Temperaturverhältnisse wurden in diesem Winter noch nicht erreicht.“
Das zeigen auch die Daten, die der SÜDKURIER-Sensor im Yachthafen von Konstanz sammelt. Die niedrigste Temperatur, die Sensor im Yachthafen von Konstanz in einem Meter Tiefe gemessen hat, waren 5,5 Grad am Morgen des 20. Januar.
Sauerstoff wird nicht nach unten transportiert
Der See ist also zu warm, um sich zu durchmischen. „Dies hat einen schwächeren Austausch des Tiefenwassers zur Folge, das kann negative Auswirkungen auf Organismen und Wasserqualitätsparameter haben, die Sauerstoffverhältnisse über Grund können sich verschlechtern“, erklärt Erkert. An der Oberfläche des Sees gibt es mehr Sauerstoff, bei der Durchmischung gelangt dieser zum Grund und damit zu den Organismen, die dort leben.
Letzte annähernd vollständige Durchmischung vor sechs Jahren
Aber dieses Jahr ist nicht das erste, in dem es nicht kalt genug dafür ist. „Die letzte annähernd vollständige Durchmischung des Bodensees fand Ende des Winterhalbjahres 2017/18 statt“, sagt Erkert. Auch früher gab es immer wieder Jahre, in denen der See sich nicht durchmischt hat. Aber laut einer Studie der internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee gibt es immer häufiger und mehr direkt aufeinanderfolgende Jahre, in denen es nicht zur Durchmischung kommt. So wie seit 2018 bis jetzt. Wie die Luft wird auch das Wasser durch den Klimawandel immer wärmer.
Die Linie zeigt die Wassertemperatur an der Oberfläche des Sees und macht deutlich, dass das Wasser immer wärmer wird. Aber nicht nur dort steigt die Temperatur, sagt Erkert: „Am 22. Januar wurde für die Tiefenwassertemperatur der außergewöhnlich hohe Wert von 5,5 °C ermittelt. Dies ist ein Rekordwert, der zeigt, der Klimawandel wirkt sich bereits bis in die Tiefe des Bodensees aus.“