Gailingen am Hochrhein war einst eine der größten jüdischen Landgemeinden in Südbaden. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Hälfte der Einwohner jüdischen Glaubens, 1858 zählte man fast 1000 jüdische Bürger. Dann begann die Abwanderung, nach 1933 Verfolgung, Vertreibung und Mord durch das NS-Regime. Heute erinnert daran das Jüdische Museum und der kenntlich gemachte Grundriss der im November 1938 von SS-Männern aus Radolfzell gesprengten Synagoge.
Heinz Brennenstuhl (69) kennt diese bewegte Geschichte gut. Der frühere Bürgermeister des Ortes ist Vorsitzender des Vereins für jüdische Geschichte. Die rund 140 Vereinsmitglieder finanzieren zwar den laufenden Betrieb des Museums mit ihren Beiträgen.
„Für die wissenschaftliche Arbeit benötigt der Verein aber jährlich rund 100.000 Euro, um die Personalkosten zu stemmen“, sagt er. Damit das Geld zusammenkommt, steigt Brennenstuhl in die Themenakquise ein.
Die Geschichte lebendig erzählen
Durch Netzwerken ist es ihm gelungen, eine feste jährliche Unterstützung von der Landeszentrale für politische Bildung, dem Landkreis Konstanz, den Gemeinden Gailingen, Rielasingen-Worblingen und Gottmadingen in Höhe von insgesamt 90.000 Euro einzuwerben. Dazu kommen Spenden aus dem jüdischen Umfeld.
Die Geschichte nicht vergessen, sondern lebendig erzählen, das ist der Anspruch. Er erinnert an ein Theaterstück, das Schüler des Singener Hegau-Gymnasiums mit ihrer Lehrerin aus den Tagebuchaufzeichnungen des Gailinger Juden Heinz Heilbronn entwickelt haben. „Da waren 360 Besucher in der Hochrheinhalle, darunter 160 Jugendliche“, sagt er. Ein gelungenes Beispiel gegen das Vergessen.
Aufgaben im Dienst der Gemeinde
Tatenlos rumsitzen, davon hält Brennenstuhl nichts. Dafür ist der frühere Rathaus-Chef zu agil. Die Aufgaben, die er sich im Dienst der Gemeinde gestellt hat, halten ihn jung.
Schon in seinen 32 Amtsjahren als Bürgermeister wusste er die Bedeutung des Ortes am Hochrhein mit den beiden neurologischen Reha-Einrichtungen – den Schmieder-Kliniken und dem Hegau-Jugendwerk (HJW) – richtig einzuordnen. Auch die Fachklinik für Kinder und Jugendliche mit Schädel-Hirn-Trauma ist deutschlandweit bekannt.
Medizinischer Campus am Ortsrand
Die Patienten kommen oft in Begleitung von Eltern und Geschwisterkindern nach Gailingen. Der medizinische Campus am Ortsrand ist der größte Arbeitgeber in der Gemeinde. Grund genug für einen Bürgermeister, besonderes Augenmerk darauf zu werfen.
Und so war es vor 20 Jahren für Heinz Brennenstuhl nur folgerichtig, den „Förderverein Hegau Jugendwerk“ zu gründen. Denn eines ist klar: Nicht alles, was zu einer gelingenden Rehabilitation beiträgt, kann durch Pflegesätze finanziert werden.
Klinik-Clowns und Angebote für Eltern
2011 hat Heinz Brennenstuhl den Vorsitz des Vereins übernommen. Zusammen mit dem Vorstand sammelt er auch dafür Spenden: „Mit dem Geld können wir Dinge finanzieren, die sonst nicht möglich wären“, sagt er. „Die Klinik-Clowns etwa oder die Angebote für die Eltern.“ Für eine bessere Wahrnehmung nannte sich der Verein um in „HegauHelden“.
Gemeint sind sowohl die jungen Menschen, die sich zurück ins Leben kämpfen, als auch die Sponsoren, die ihnen mit ihren Spenden dabei helfen. Das größte Projekt der Helden war der Beitrag zum neuen Elternhaus. Der Verein konnte 170.000 Euro zum Neubau beisteuern.“ Hier können Eltern und Geschwister in modernen Appartements wohnen und ihre schwerkranken Kinder begleiten.