Am Nachmittag des 20. Juni 2025 werden zahlreiche Passanten rund um das Konstanzer Münster aufgeschreckt durch einen heftigen Streit, der sich vor dem Döner-Imbiss Kervan in der Wessenbergstraße abspielt. Auslöser für die handfeste Auseinandersetzung waren offenbar die Geschehnisse im Nahost-Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten. Eine Situation, die zeigt, wie dieser Konflikt auch bei uns in der Region ausgetragen wird und in vermeintlich harmlosen Alltagssituationen ausbrechen kann.
Laut Augenzeugenberichten bilden sich Menschenmengen, die das Geschehen verfolgen. Ein Mann drückt einen anderen Mann auf den Boden, er wird dabei von einem weiteren Mann unterstützt. Mehrere Personen fordern die zwei auf, sofort damit aufzuhören, „ansonsten bringt ihr ihn noch um“. Ein Passant versucht, dem am Boden Liegenden beizustehen. Das ist auch auf Videos zu sehen, die dem SÜDKURIER vorliegen.
Der am Boden liegende Mann ist Ramadhan Ahmed Ramadhan, ein aus dem Nordirak stammender Kurde, der seit vielen Jahren im Kervan-Imbiss arbeitet. Ihm zur Seite steht der türkische Kurde Musa Cebe, Inhaber des Döner-Lokals. Die beiden anderen Männer sind Basel Azzam und Samer Abboud, zwei Katholiken aus Israel. Die Beteiligten haben einer Veröffentlichung der Namen zugestimmt, ebenfalls einer Veröffentlichung ihrer Bilder. Der SÜDKURIER hat sich mit beiden Seiten getrennt voneinander an einen Tisch gesetzt.
Handfester Streit in der Innenstadt von Konstanz: Das sagt die Polizei
Die Polizei wird am 20. Juni, wenige Minuten nach dem Vorfall, in die Wessenbergstraße gerufen. Auf SÜDKURIER-Nachfrage erklärt Pressesprecherin Katrin Rosenthal: „Vor dem Döner-Imbiss sind drei Männer israelischer und irakischer Herkunft aneinandergeraten, was in wechselseitigen Körperverletzungen und Beleidigungen endete. Die weiteren Ermittlungen, die die Abteilung Staatsschutz der Kriminalpolizei Rottweil übernommen hat, dauern an.“
Die Polizei habe sich entschieden, nur auf Nachfrage und nicht proaktiv über diesen Fall zu berichten. Die Beamten hätten vor Ort Personalien diverser Zeugen aufgenommen, die im Rahmen der Ermittlungen vernommen wurden. Die Personalien aller drei Beteiligten seien bekannt. Personenbezogene Auskünfte erteile die Polizei jedoch nicht.

Doch was genau ist nun geschehen? Dazu gibt es zwei Versionen. Übereinstimmend sind lediglich diese Schilderungen: Da Musa Cebe den Imbiss in der Konstanzer Innenstadt abgeben möchte, sind Basel Azzam und Samer Abboud, die bereits das Schnellrestaurant Saba Deli im Stadtteil Paradies betreiben, am Mittag des 20. Juni vor Ort und begutachten die Immobilie. Beide Seiten sprechen von guten Gesprächen. Dann jedoch bewegen sich die Schilderungen auf unterschiedlichen Pfaden.
Das sagen Basel Azzam und Samer Abboud
Die beiden Geschäftsleute aus Israel, die seit mehreren Jahren in Konstanz leben, erzählen, dass sie sich beim Verlassen des Imbisses auf hebräisch unterhalten: „Daraufhin kam Ramadhan und fragte uns, welche Sprache wir sprechen und woher wir kommen. Nachdem wir diese Frage beantworteten, wurde er laut, beschimpfte uns als Kindermörder, forderte den Tod Israels und aller Juden.“
Er habe sie tätlich angegriffen und mit einem spitzen Gegenstand Samer Abboud am oberen Bauch eine Wunde zugefügt. Daraufhin habe Basel Azzam den Angreifer auf den Boden gezwungen und dort rund zehn Minuten fixiert, bis die Polizei kam.
Beim Gespräch mit dem SÜDKURIER ist auch Gabriel Albilia zugegen. Der stellvertretende Vorsitzende der Synagogengemeinde Konstanz sagt, dass es seit diesem Vorfall zu wiederholten Attacken gegen Basel Azzam und Samer Abboud komme: „Wenn sie am Imbiss vorbeigehen, werden sie beschimpft und bespuckt. Wir können es nicht zulassen, dass sich Israelis auf Konstanzer Straßen nicht mehr sicher fühlen können.“

Er habe bereits den Zentralrat der Juden informiert, „denn der Angriff war klar antisemitisch.“ Darüber hinaus sei er im Austausch mit der Ofek in Berlin, einer Beratungsstelle für antisemitische Gewalt und Diskriminierung in Deutschland. „Wir beraten uns mit einem spezialisierten Anwalt.“
Basel Azzam und Samer Abboud bezeichnen sich selbst als „Geschäftsleute, die erfolgreich sein und nur in Frieden leben wollen. Aber Ramadhan schickt uns immer wieder Polizei vor unser Restaurant. Das schadet unserem Umsatz. Dabei sind wir die Opfer, nicht die Täter.“
Das sagen Ramadhan Ahmed Ramadhan und Musa Cebe
Musa Cebe, Chef des Kervan-Imbisses in der Konstanzer Wessenbergstraße, erzählt, dass er mit einem der beiden Israelis zur Besichtigung in den Keller des Hauses gegangen war. Als sie wieder nach oben kamen, war die Auseinandersetzung bereits in vollem Gange. „Ramadhan wurde geschlagen und gewürgt. Seine Augen haben sich nach außen gewölbt. Wir dachten, er würde sterben.“

Ramadhan Ahmed Ramadhan sagt zum Vorfall: „Ich wurde sofort geschlagen, als ich sagte, ich würde die Politik Israels derzeit nicht mögen. Dann bin ich auf den Boden gedrückt und gewürgt worden. Ich bekam keine Luft, wurde bewusstlos. Seither beschimpfen sie mich immer wieder als Terrorist, der abgeschoben gehört. Ich kann kaum noch schlafen und habe nur noch Angst.“
Musa Cebe, gegen den gegenwärtig nicht ermittelt wird, erzählt von weiteren, regelmäßigen Einschüchterungsversuchen der Männer aus Israel. „Sie bleiben vor dem Imbiss stehen, schauen uns an, zeigen mit den Fingern auf uns. Ich kann Ramadhan nicht mehr alleine lassen. Wer weiß, was sie mit ihm machen wollen.“ Sogar Schläge hätten die Israelis ihm angedroht.
Musa Cebe sagt, die Wunde am Bauch habe der eine Israeli von ihm erhalten: „Beim Versuch, ihn von Ramadhan wegzubekommen, ich ihn mit einem Fingernagel gekratzt. Ein spitzer Gegenstand hätte eine tiefe Wunde hinterlassen und nicht nur einen Kratzer.“ Sowohl Samer Abboud als auch Ramadhan Ahmed Ramadhan wurden im Krankenhaus behandelt. Bilder der Verletzungen liegen dem SÜDKURIER vor.
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