Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hatte zum Sommerfest in ihren Räumlichkeiten geladen – und 500 Gäste kamen zum großen Treffen vor der Sommerpause am Donnerstagabend, 17. Juli.
Die IHK-Präsidentin machte deutlich, dass die mittelständische Wirtschaft mit dem Schlingerkurs der Politik zu kämpfen habe – festzumachen etwa am Thema Elektromobilität.
Noch vor kurzem sei Botschaft gesendet worden, darin liege die Zukunft. „Es gab eindeutige Vorgaben, Förderkulissen, politische Botschaften“, sagte die Kammerpräsidentin. Daraufhin habe der Mittelstand in Maschinen, Schulungen und neue Geschäftsmodelle investiert – und das oft mit hohem Risiko.
Kritik an neuen Vorgaben
Dann die Fahrplanänderung durch die neue Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD: Jetzt sei die Technologieoffenheit ausgerufen worden. Die Konzerne könnten diese Kurskorrektur möglicherweise gut verkraften. Der Mittelständler aus Mönchweiler, Deilingen oder Tuttlingen müsse sich plötzlich fragen: „Was machen wir jetzt mit der Halle voller Teile für die Elektromobilität?“
Die Unsicherheit im Mittelstand packte sie in das sprachliche Bild: „Heute stehen wir da wie jemand, der am Bahnsteig pünktlich auf den Zukunftszug gewartet hat, nur um festzustellen: Der Fahrplan wurde geändert.“

Raum für differenzierte Stimmen
In dieser Einschätzung bestärkte sie Gastrednerin Tanit Koch. Die ehemalige „Bild“-Chefredakteurin und Organisatorin des Armin-Laschet-Wahlkampfes 2021 sprach von der Erwartungen der Öffentlichkeit an die Unternehmer, sich zu gesellschaftlichen und politischen Fragen zu äußern. „Der Raum für differenzierte Stimmen muss zurückgewonnen werden“, forderte die in Konstanz geborene Rednerin.

Vertrauen auf das offene Wort sinkt
Doch das Vertrauen auf das offene Wort, die Äußerung ohne die Befürchtung sozialer Ächtung, hat nach Einschätzung Tanit Kochs schon bessere Zeiten erlebt.
Sie zitierte in diesem Zusammenhang einen Allensbach-Studie: In einer Umfrage von Ende 2023 sagten nur noch 40 Prozent der Befragten, dass man sich frei äußern dürfe. Anfang der 70er-Jahre waren es nach den Daten des Meinungsforschungsinstituts vom Bodensee noch 83 Prozent, und diese Zahl war über lange Zeit stabil.
Sind Politiker zu dünnhäutig?
Koch sieht in diesem Zusammenhang zwei Probleme: Zum einen seien viele Politiker reichlich dünnhäutig geworden und bemühten zunehmend die Gerichte, wenn sie sich ungerecht angegangen fühlten.
Namentlich nannte sie in diesem Zusammenhang den ehemaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine Parteikollegin, Ex-Außenministerin Annalena Baerbock. „Zugespitzte Kritik am Wirtschaftsminister ist keine Fall für die Justiz“, sagte Tanit Koch – eine Meinung, womit sie bei den Gästen des Sommerfestes wohl offene Türen einrannte.
Sonderparagraphen für Politiker in der Verfolgung harscher Kommentare hält sie für grundlegend falsch: Sie erschütterten das Vertrauen in die Politik.

Was in der Kommunikation hilft
Doch nicht nur gegenüber der Politik und ihren Akteuren ist der Ton rauer geworden. Koch mahnte im gegenseitigen Umgang zu mehr Gelassenheit und einer Stärkung der zwischenmenschlichen Gesprächskultur.
Worte wägen, andererseits nicht alles sofort als Angriff werten („weg von der Opfermentalität“), das seien Strategien, um einer vernünftigen Kommunikation auf die Sprünge zu helfen.
Nach den Reden folgte der gesellschaftliche Teil. Das Haus der Wirtschaft und sein Außenbereich boten in den folgenden Stunden reichlich Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.