Es war einer dieser Momente, die etwas ins Rollen bringen. Der Oktober vor zwei Jahren war genau so ein Moment. Kein Moment der Freude, eher eine Art heilsamer Schock. Denn nichts weniger als die Zukunft der Werkstattbühne stand auf dem Spiel. Da war dem Verein der Theaterfreunde Konstanz schnell klar: Wir müssen etwas tun. Gesagt, getan.

In Zeiten knapper Kassen und hitziger Haushaltsdebatten stellt sich oft die Frage: Wo kann der Rotstift angesetzt werden? Was ist verzichtbar? Fast zwangsläufig gerät dabei immer wieder ein Posten ins Fadenkreuz: die Kultur. Dem gegenüber stehen Sport, Infrastruktur und Bildung, um nur einige zu nennen.

Vieles erscheint dringlicher. Kein Wunder also, dass beim diesjährigen Bodenseetheatertag das Spannungsverhältnis zwischen Theater und Politik im Mittelpunkt steht. Die Theaterfreunde organisieren die Veranstaltung, die am Sonntag, 20. Juli, ab 16 Uhr in der Spiegelhalle stattfindet. Ihr Titel: „Theater+Politik – Politik+Theater“.

Das könnte Sie auch interessieren

Welche Rolle spielt die Kultur in Zukunft?

Dabei öffnet sich der Vorhang für Fragen wie: Welche Rolle spielt Theater heute in der Gesellschaft? Darf Theater politisch sein – oder muss es das sogar? Soll es Flagge zeigen? Und wenn ja, welche? Vier namhafte Gäste beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und stellen sich den Fragen des Publikums.

Die Debatte ist beinahe so alt wie die Bühne selbst, gewinnt heute aber neue Aktualität: Während in der Antike noch „Brot und Spiele fürs Volk“ galt, rückt heute angesichts von Streamingdiensten und Bildschirmflut die Bedeutung analoger Kulturformate wieder stärker in den Fokus. Auch der Ruf nach Haltung auf der Bühne wird neben den Sparzwängen lauter, getreu Bertolt Brechts Motto: „Ändere die Welt: Sie braucht es.“

Das könnte Sie auch interessieren

Bekannte Namen bringen ihre Expertise ein

Heike Brandstädter und Johannes Schacht, beide im Vorstand der Theaterfreunde, haben hochkarätige Gäste eingeladen: Neben den in Konstanz bekannten Insa Pijanka (Sozialwissenschaftlerin und Dramaturgin) und Karin Becker (Intendantin des Stadttheaters Konstanz) sind auch Bernhard Stengele, ehemaliger Schauspieler und Umweltminister in Thüringen, sowie Simon Strauß, Historiker und Theaterkritiker, mit dabei.

Insa Pijanka, Sozialwissenschaftlerin und Dramaturgin, beleuchtet die Instrumentalisierung des Musiktheaters.
Insa Pijanka, Sozialwissenschaftlerin und Dramaturgin, beleuchtet die Instrumentalisierung des Musiktheaters. | Bild: Scherrer, Aurelia
Karin Becker, Intendantin des Stadttheaters Konstanz, spricht über das Theater in unruhigen Zeiten.
Karin Becker, Intendantin des Stadttheaters Konstanz, spricht über das Theater in unruhigen Zeiten. | Bild: Scherrer, Aurelia
Bernhard Stengele, ehemaliger Schauspieler und Umweltminister in Thüringen, berichtet von seinen internationalen Erfahrungen.
Bernhard Stengele, ehemaliger Schauspieler und Umweltminister in Thüringen, berichtet von seinen internationalen Erfahrungen. | Bild: Andreas Poecking

Das Grußwort spricht Landrat Zeno Danner. „Das finde ich gut“, sagt Schacht schmunzelnd, „denn so wird deutlich, wie wichtig die Kultur für die Lokalpolitik ist.“ Die Auswahl der Rednerinnen und Redner sei nicht einfach gewesen, berichtet Brandstädter. „Uns war wichtig, Schnittstellen zwischen Politik, Journalismus und Theater zu besetzen.“ Dabei gehe es nicht nur um Prominenz, sondern um inhaltliche Tiefe und Erfahrung.

Nicht alles wird bereits im Vorfeld verraten

Was genau gesagt wird, wollen die Organisatoren nicht verraten. Auch der offene, dialektische Titel gibt keine konkreten Hinweise. Doch einige Einblicke gibt es: Stengele wird von seinen Erfahrungen an internationalen Bühnen (von Israel bis Burkina Faso) berichten und die Frage stellen, wie Kultur in politischen Konflikten wirkt.

Die frühere Konstanzer Philharmonie-Intendantin Pijanka wird erläutern, wie Musiktheater historisch immer wieder für politische Botschaften genutzt und mitunter instrumentalisiert wurde. Die Rolle des Theaters in unruhigen Zeiten wird von Becker beleuchtet. Und zu guter Letzt stellt Strauß die Frage, wie das Gegenwartstheater politischem Druck begegnet.

Das könnte Sie auch interessieren

Theatertag will mehr als ein Kulturtreffen sein

Moderiert wird der Theatertag von Brandstädter, die darauf achtgibt, dass die Vortragenden ihre 20 Minuten Redezeit nicht überziehen. Jeweils im Anschluss an die Vorträge gibt es eine Diskussion, bei der das Publikum zu Wort kommt. Zur Halbzeit ist eine Pause von etwa 30 Minuten vorgesehen.

Die Veranstaltung richtet sich nicht nur an Theaterfreunde, sondern an ein breites kulturinteressiertes Publikum. Schacht hofft auf Gäste aus der Bodenseeregion: „Zürich, Friedrichshafen, St. Gallen – wir denken den See mit und wenden uns auch an Parteien, Gemeinderäte, Uni und Studierende.“ Brandstädter ergänzt: „Natürlich ist es auch ein Angebot an unsere rund 270 Mitglieder.“ Der Theatertag will mehr sein als ein Kulturtreffen. Er versteht sich als Plattform für gesellschaftlichen Dialog.

Das könnte Sie auch interessieren

Auf einen weiteren Punkt kommen die beiden schließlich auch noch zu sprechen, denn dieses Jahr steht eine Neuerung an: Gab es beim Theatertag 2023 noch freien Eintritt, so wird dieses Jahr ein Eintrittspreis von fünf Euro erhoben. Der Grund dafür ist rein praktisch-wirtschaftlicher Natur: Die Mietkosten für die Spiegelhalle beliefen sich auf einen hohen dreistelligen Bereich, der gedeckt werden müsse.

Mit an Bord ist auch ein regionaler Sponsor, der jedoch lieber anonym bleiben möchte. Die Veranstalter hoffen, dass sich ihr Theatertag als feste Größe etabliert. Oder, wie Brandstädter sagt: „Wir träumen von einer Biennale.“