Es dauert keine 14 Minuten, bis der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen den Direktor des Lörracher Weihnachtscircus das erste Mal unterbrochen werden muss. Eine Lörracher Polizistin sitzt da schon im Zeugenstand – sie hatte den Abschlussbericht zum Einsatz am 3. Januar 2024 geschrieben.
Doch Verteidiger Kolja Prieß widerspricht: Die Beamtin habe keine eigenen Wahrnehmungen gemacht, dürfe also nicht gehört werden. Minuten später lehnt die Richterin den Antrag ab.
Schon am Vortag war der Versuch einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung erneut gescheitert. Auch diesmal wird sofort klar: Einfacher wird es auch zwölf Tage nach dem ersten Verhandlungstag nicht. Zwar sagte der 52-jährige Angeklagte erneut, er wünsche, dass es endlich vorbei ist – doch es kommt anders.
Nach dem abgelehnten Antrag wird im Sitzungssaal erneut laut diskutiert. Richterin Camilla Kronthaler macht deutlich, dass der Prozess einen weiteren Termin braucht Ende Juli. „Was ist, wenn ich da nicht kann?“, fragt der Zirkusdirektor. „Sie sind Angeklagter. Sie haben zu können“, erwidert die Richterin. Der Ton wird rauer im Sitzungssaal.
„Halt doch mal die Schnauze“
Dass es überhaupt so weit kam, liegt auch am Auftritt des Verteidigers. Kolja Prieß unterbricht, widerspricht, lässt weder Zeugen noch Richterin ausreden. Immer wieder erhebt er Einspruch gegen Vernehmungen, stellt Beweisanträge, greift in Aussagen ein. Als sich sein Mandant wiederum in eine Zeugenbefragung einmischt, fährt Prieß ihn hörbar an: „Halt doch mal die Schnauze, ich muss mich konzentrieren!“ – was auch im Publikum für Irritationen sorgt.
Dabei bleibt Prieß seiner Strategie treu: Er erklärt, die Polizei habe falsch gehandelt, der Einsatz am 3. Januar sei rechtswidrig gewesen. Der Zirkusdirektor, so argumentiert der Anwalt, habe sich an dem Polizisten nur vorbei drängeln wollen.
Als der Polizist ihn unmittelbar wegstieß und auf Abstand brachte, hätten die Beamten ihn sofort über seine Rechte aufklären müssen. Alles, was danach geschah – der vermeintliche Widerstand, der Tumult, der Einsatz von Pfefferspray – sei aus dieser Eskalation entstanden. Die Zirkusmitarbeiter, seine Familie, habe aus Sorge um den herzkranken Mann eingegriffen.
Was der Zirkusdirektor selbst sagt
Der 52-Jährige selbst gibt sich in der Verhandlung wechselhaft. Während der Aussagen der Polizisten rutscht ihm immer wieder ein spöttisches Schnauben heraus, als diese schildern, welche Verletzungen sie davon getragen haben oder wie er einen von ihnen angerempelt haben soll.
Auf dem Gerichtsflur nach der Sitzung mokiert er sich gegenüber einer Begleiterin darüber, wie viele Beamte nötig gewesen seien, um ihn zu Boden zu bringen. „Ganz starke Leute sind das“, rief er den Polizisten hinterher.
Das sagt die Polizei
Seit Jahren gibt es in Lörrach Streit um den Weihnachtscircus – meist blieb es bei Wortgefechten zwischen Tierrechtlern und Zirkusleuten, schildert eine Polizistin. Doch im Winter 2023/24 eskalierte die Lage. Der Zirkus meldete erstmals selbst eine Gegendemo an, die Fronten verhärteten sich.

Polizisten berichteten nun am Donnerstag im Zeugenstand, sie hätten am 3. Januar einschreiten müssen, damit die Aktivisten von der Musik des Zirkus nicht übertönt werden – der Zirkus habe aber nicht leiser machen wollen. Als ein Beamter zur Musikanlage griff, entspannte sich die Situation nicht. Was Verteidiger Kolja Prieß als harmloses Vorbeidrängeln beschreibt, schilderten die Polizisten als Rempler, als Bodycheck, und anschließenden Widerstand.
Der nächste Versuch in zwei Wochen
In der Folge habe man den 52-Jährigen zu Boden bringen und fixieren wollen, um weitere Eskalationen zu verhindern. Es kam anders. Viel Adrenalin sei im Spiel gewesen, mehrere Beamte hätten Schläge abbekommen. Zum Körperkontakt sagte ein Polizist: „Wir sind die Polizei. Sowas müssen wir uns nicht gefallen lassen.“ Der Zirkusdirektor konterte: „Wir auch nicht.“
Der zweite Verhandlungstag endete dann wie der erste. Mit einer Unterbrechung und ohne Urteil. Am 29. Juli um 9 Uhr soll es weitergehen.