Wenn am ersten Montag im Monat die Stammtischler zu ihrem „Mitsingabend“ ins Seniorenzentrum einladen, ist kein Stuhl mehr frei, oft müssen zusätzlich hereingetragen werden. Die Rentnerband mit einem Durchschnittsalter von fast 81 Jahren hat sich längst einen Namen gemacht – nicht nur wegen ihrer musikalischen Leidenschaft, sondern auch wegen ihrer begeisternden Mitsingabende.
Diesmal, im Juli, war der Landtagsabgeordnete Niklas Nüssle dazu eingeladen. Er sollte über Singen als Kulturgut und diese spezielle Art, wie die junggebliebenen Musiker ihren Beitrag zum kulturellen Leben in der Gemeinde dazu leisten, sprechen. Aber der Politiker machte gleich klar: „Heute steht das Singen im Mittelpunkt, nicht das Reden!“
Alle kennen die Lieder auswendig
Im Begegnungsraum des betreuten Wohnens im Seniorenzentrum war die Stimmung wieder einmal prächtig. Die Textbücher waren eigentlich völlig überflüssig, fast alle kannten die von Konny Schlegel angesagten Lieder auswendig.
Schunkeln, klatschen, mitsingen, dafür waren die etwa 60 Senioren gekommen. Ein Blick in die leuchtenden Augen und strahlenden Gesichter zeigte den Gästen, die zum ersten Mal dabei waren: Hier geht es locker zu, hier ist eine Wohlfühloase, die den manchmal tristen Alltag vergessen lässt. Wie heißt es doch so schön im Volkslied von Johann Gottfried Seumes: „Wo man singet, lass dich ruhig nieder… Bösewichter haben keine Lieder.“
Bekannte Schlager und Eigenkompositionen
Auf dem Programm standen an diesem Abend nicht nur bekannte Schlager, sondern auch Eigenkompositionen aus der Feder von Klaus Herm (86). Zum Beispiel „Wutöschinger Wind“ oder „Das Singen macht Spaß“, bei dem Herm einen eigenen Text zur bekannten Melodie von „Kalinka“, des russischen Komponisten Iwan Petrowitsch Larionow geschrieben hat. Für seine gekonnten Soli auf der Handharmonika bekam Herm natürlich Sonderapplaus.

Beim „Badnerlied“ und „Haimet am Hochrhy“ erwies sich Nüssle als textsicher. In seinem kurzen Redebeitrag erzählte er, dass er bei den großen Mitsingabenden in der Klosterschüer und der Alemannenhalle schwitzend am Mischpult saß, um den Einsatz für die Liedtexte, die auf eine große Leinwand projiziert wurden, nicht zu verpassen.
„Singen macht richtig glücklich“
„Beim Singen im Chor schlagen die Herzen schon nach kurzer Zeit im gleichen Takt“, zitierte er eine Studie. Und ergänzte: „Singen macht richtig glücklich“, was ihm, der selbst kräftig mitsang, an seinen entspannten Gesichtszügen anzumerken war.
„Bei uns sind die Pausen für ein Schwätzchen wichtig“, beton Gerd Arnold, der 2005 zu den Gründungsmitgliedern der Stammtischler gehörte. Aus einer Idee für einen Auftritt beim Bunten Abend an Fasnacht in der Horheimer Wutachthalle, wurde eine Rentnerband, die mit ihrem Mix aus Volksliedern und alten Schlagern den Nerv ihres Publikums trifft.
Soundtrack eines erfüllten Lebens
Für Klaus Herm ist es schön, dass die alten Schlager der 1960er- und 70er-Jahre nicht in Vergessenheit geraten, vielleicht sogar an jüngere Menschen weitergegeben werden. Für die Senioren sind die Lieder von Freddy Quinn, Rocco Granata oder Drafi Deutscher jedenfalls der Soundtrack eines erfüllten Lebens. Das war an diesem Abend bis in den letzten Winkel das Raums zu spüren.
Seit etwa elf Jahren organisieren die fünf Musiker an jedem ersten Montag eines Monats Mitsingabende. Dabei ist der soziale Aspekt ein gewollter Nebeneffekt. Die Stimmung ist gelöst, da trauen sich einige Senioren sogar selbst ans Mikrofon, um Witze oder kleine Anekdoten zum Besten zu geben. Für Klaus Herm eine besondere Gemeinschaft, die hier ganz nebenbei entstehe.
Mit Musik und Gesang wird man alt
Ein wenig kokettiert Arnold mit seinem Alter und dem seiner Bandkollegen: „Mit Musik und Gesang wird man alt!“ Er selbst ist 81, Klaus Herm 86 und Sänger Richard Hilpert ist sogar ein Jahr älter. Die beiden „Nesthäkchen“ Raimund Stoll und Konny Schlegel, der auch die Moderation der Abende übernimmt, sind gerade mal 75 Jahre Jung.