Herr Puškarić, was war die Motivation, die Chronik zum 70-Jährigen der Pfarrkirche Wutöschingen zu schreiben?

Marc Puškaric: Solch ein Jubiläum bietet sich an, eine Chronik zu verfassen. Uns war wichtig, nicht nur die Vergangenheit abzubilden, sondern dass wir ein lebendiges Zeugnis ablegen von dem, was tatsächlich in der Kirche stattfindet. Das ist nicht nur der Kirchenbau, das ist nicht nur Institution. Kirche, das sind alle Menschen, die tagtäglich mit ihrem Engagement die Kirche mitgestalten, auch mit ihrem Bekenntnis des Glaubens. Das fand ich spannend, das mal abzubilden. Heutzutage denken viele bei der Kirche an einen Gottesdienst, die Eucharistiefeier. Aber Kirche ist so viel mehr als dieser eine Gottesdienst. Diese Chronik sollte ein lebendiges Zeugnis von allen werden, die aktiv sind. Es gibt eine Rosenkranz-Gebetsgruppe, die Kinderkirche, das Altenwerk, die Fröhlich Frommen Frauen, die sehr aktiven Ministranten, die Lektoren und Kommunionhelfer. Das ist ein lebendiges Zeugnis von allem, was es hier gibt, das wollten wir abbilden. Als wir anfingen, war das Papier weiß, jetzt werden es 140 Seiten Zeugnis unserer Arbeit sein.

Was hat Sie beeindruckt?

Puškaric: Das geht einem schon sehr nah und erfüllt mich mit tiefer Demut. Ich habe da noch nicht gelebt, aber wenn man die Erfahrungs- und Augenzeugenberichte liest, ist das beeindruckend. Es war keine leichte Zeit nach dem Krieg und nicht das vordringlichste Problem, eine Kirche zu bauen. Das erforderte auch eine Menge Kapital. Dann zu sehen, in welcher gemeinschaftlichen Aktion man das hinbekommen hat, das finde ich faszinierend. Diese Faszination haben wir gespürt und gesehen. Das nach außen zu tragen, damit andere das nachlesen können, das war unser Antrieb.

Sie waren ein vierköpfiges Team. Wie haben Sie sich gefunden?

Puškaric: Das hat sich irgendwie zufällig gegeben. Birgit Schulmeister und ich haben das Thema mal aufgegriffen. Dann hat sich Markus Meßmer schnell bereit erklärt, mitzumachen, weil er historisch bewandert ist, was Wut­öschingen angeht. Durch seinen Beruf ist er auch an Architektur interessiert. Relativ bald kam Stephan Ebner dazu, er sammelt alte Fotografien, hat jede Menge Wissen über die Historie. Ich bin da sozusagen ein „New Kid on the Block“ als Zugereister aus anderen Ländern. Die drei anderen haben eine viel längere Verbundenheit. Es waren Leute, wo wir gemerkt haben, die haben Lust, sich zu engagieren. So haben wir uns als Kernteam gefunden. Die letzten Tage haben wir viel per WhatsApp kommuniziert und abgestimmt. Dann haben wir die Chronik an die Druckerei geschickt. Es war sehr viel Arbeit, aber es war genial zu sehen, wie sich jeder eingebracht hat und wir als Team sehr, sehr gut zusammengearbeitet haben.

Wie haben Sie recherchiert?

Puškaric: Wir haben eine Basis, die häufig zitiert wird. Die Chronik von Franz Hoferer. Ein ganz tolles Werk, dem ­wollten wir auch Rechnung tragen. Deshalb wird auf der ersten und letzten Seite ein Auszug der Hoferer-Chronik abgedruckt. Das ist ein ganz toller Schatz, den wir da haben. Wir haben mit Augenzeugen gesprochen, das war uns wichtig, mit ihnen die Vergangenheit aufgearbeitet. So haben wir die verschiedenen Puzzleteile zusammengebracht. Aber wie gesagt, es sollte nicht allein eine Chronik der Vergangenheit werden. Es sind drei große Blöcke: Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. Zukünftiges muss allerdings noch geschrieben werden. Da geben wir einen Ausblick auf die neue Seelsorgeeinheit und haben ein bisschen Inspiration gegeben, dass man aus unserer Sicht trotz aller Herausforderungen positiv in die Zukunft blicken kann. Auch die Gegenwart war uns wichtig. Wir haben mit Leuten aus den Gruppen gesprochen, die jetzt aktiv sind oder die sie früher geleitet haben.

Gab es bei den vielen Interviews Überraschungen oder besondere Geschichten?

Puškaric: Ich war nicht bei allen präsent. Eine Geschichte wurde mir zugetragen und die findet sich auch in der Chronik. Es gab einen Dachdecker-Wettstreit zwischen den erfahrenen Dachdeckern und den Jüngeren. Wie er ausging, steht in der Chronik. So gibt es natürlich manche Kuriositäten, zum Beispiel die der Modelleisenbahn, die ich auch nicht persönlich kennengelernt habe. Wir haben eine Seite mit amüsanten Fakten gestaltet. Es gibt ein kleines Quiz, andere Blickwinkel, Überraschendes und einiges mehr als nur die üblichen Themen einer Chronik. Es sollte eine sehr lebendige, eine sehr frische Perspektive auf das Leben in der Pfarrgemeinde sein. Dem geben wir der Chronik den entsprechenden Raum.

Gab es Begebenheiten oder Geschichten, die besonders prägend waren?

Puškaric: Wie viel Kraft auch der damalige Pfarrer brauchte, diese Vision gegen alle Widerstände durchzusetzen, das ist schon beeindruckend. Es war keine Zeit, in der sich alle gefreut haben, dass jemand auf die Idee kam, eine Kirche zu bauen. Es gibt da eine Geschichte über die Glocken. Die sechste Glocke kam erst später, weil man für die anderen fünf plötzlich ganz günstig Glockenmaterial kaufen konnte. Für die Sechste hat das Geld aber nicht mehr gereicht. Solche Dinge zeigen, dass man immer wieder sehr kreativ und erfindungsreich sein musste, um diesen Kirchenneubau zu realisieren.

Haben sie bei Ihren Forschungen so was wie die Seele der Gemeinde entdeckt?

Puškaric: Also ich glaube, die Seele der Gemeinde, und das habe ich versucht, in unserem Vorwort zu sagen, ist wirklich jeder einzelne der Gemeinde. Deshalb war es uns wichtig, der Gemeinde ein Gesicht zu geben. Dabei hat uns Annette Maier-Rösch geholfen. Sie hat Mitglieder der Gemeinde, die dazu bereit waren, fotografiert. Auf zwei Seiten haben wir ein Mosaik von all diesen Menschen gestaltet. Dort ist zu sehen, wie bunt die Gemeinde ist und dass sie wirklich aus jedem einzelnen Mitglied besteht. Es ist nicht wichtig, welche Funktion man hat, sondern dass man bereit ist, sich für die Gemeinschaft einzubringen. Das war für mich so beeindruckend, als wir nach Wutöschingen gezogen sind. Und das war für mich auch die Motivation, mich zu engagieren, weil ich das Gefühl hatte, das ist wirklich eine Gemeinde, eine Gemeinschaft, und da bringen sich alle mit dem jeweiligen Engagement ein, was sie können. Ich glaube, die Seele der Gemeinde ist wirklich diese Vielfalt.

Sehen Sie da noch mehr Potenzial?

Puškaric: Es finden immer wieder Dinge statt, wie zum Beispiel das Passionsspiel, das seit zwei Jahren wieder aufgeführt wird. Auf die Zukunft gesehen, glaube ich, müssen wir sogar noch ein bisschen mutiger werden, neue Formen zu probieren. Die Kirche wird umgebaut und modernisiert. Das Patrozinium ist der letzte Tag, an dem die Kirche geöffnet ist, danach wird sie voraussichtlich bis Weihnachten geschlossen sein. Der Raum vorne am Altar wird auch geändert, dort wird es die Möglichkeit geben, andere Formen der Nutzung zu haben. Man muss neue Formen finden, in denen Menschen in der Kirche zusammenkommen können, andere Formen von Veranstaltungen zu ermöglichen. Das ist meine persönliche Auffassung.

Was ist bei der Vorstellung der Chronik am 20. Juli geplant?

Puškaric: Es wird ein großes Patroziniumsfest, die Chronik ist da nur ein kleiner Bestandteil. Wir haben uns ehrlich gesagt noch nicht überlegt, wie wir die Vorstellung machen. Wichtig war, sie rechtzeitig fertig zu kriegen. Im Vordergrund steht der Gottesdienst, der um 10 Uhr beginnt, danach das Pfarrfest. Es wird Turmführungen geben, der Musikverein spielt, der Männergesangsverein und der Kirchenchor sind dabei. Ich finde es so faszinierend, dass die Vereine auch eine Gemeinschaft bilden. Wenn ein Verein ein Jubiläum feiert, tragen andere dazu bei, daraus ein buntes und lebendiges Fest zu machen.

Die Pfarrgemeinde wird bald aufgehen in der Großpfarrei An der Wutach. Was wünschen Sie sich für Wutöschingen?

Puškaric: Dass wir uns nicht in irgendeiner Weise verlieren in der größeren Organisation. Wenn ich das richtig interpretiere, wird es noch mehr auf das lokale Engagement ankommen und noch mehr auf uns hier vor Ort. Es wird darauf ankommen, dass wir aktiv, mit viel Freude und Engagement das Gemeindeleben hier gestalten. Immer mit der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass man selbst aktiv ist und nicht auf jemand anders wartet. Aber da ist mir angesichts der Situation, in der wir momentan in unserer Gemeinde sind, nicht bange. In der Seelsorgeeinheit ergeben sich auch Möglichkeiten, Dinge gemeinsam zu machen. Ich sehe das eher positiv, was den Standort Wut­öschingen angeht. Und das in vielfältiger Form, sodass Menschen Lust haben, daran teilzunehmen.

Fragen: Gerald Edinger