Während bei Meßkirch über viele Jahre hinweg die mittelalterliche Klosterstadt Campus Galli nach einem alten Plan verwirklicht wird, geht man in nicht weit entfernt davon, in Friedrichshafen, einem nicht minder kühnen Vorhaben nach. Es muss den Vergleich mit dem Klosterprojekt nicht scheuen. Auch hier soll über Jahre hinweg ein Nachbau entstehen, den es – und das ist der Unterschied zu Meßkirch – im Original schon einmal gab: Das gigantische Dornier-Flugschiff Do X, das seinerzeit größte Flugzeug der Welt.

Die Idee zu diesem von den Zeitgenossen als technisches Wunderwerk bestaunten Rekord-Luftfahrzeug hatte der Konstrukteur und Unternehmer Claude Dornier (1884-1969) vor fast 100 Jahren. Immerhin verließen drei Exemplare des zwölfmotorigen Riesen die eigens für den Bau aus dem Seeufer gestampfte Fabrikhalle beim Schweizer Altenrhein.
Die 20er-Jahre waren nicht nur die große Zeit der Luftschiffe, sondern auch die Geburtsjahre der Großflugzeuge aus Metall:
Wie die Zeppeline, so wurde auch das Do-X-Trio letztlich zerstört oder abgewrackt. Was blieb, war die Faszination für die immensen technischen Möglichkeiten, die sich aus geformtem leichten Aluminium im Dienst der Luftfahrt realisieren ließen.
Bauteile kommen aus Ungarn
Vor mehr als acht Jahren fasste Peter Kielhorn (64), Ingenieur und Informatiker aus Friedrichshafen, einen Entschluss, der angesichts seit langem verlorengegangener Baupläne als tollkühn erscheinen musste: Die Do X originalgetreu und im Maßstab 1:1 neu entstehen zu lassen – als nicht flugfähiges Demonstrationsobjekt außerordentlicher Innovationskraft an den Ufern des Bodensees.

Wer dieses Ansinnen als Fantasie abtat, darf nun seine Skepsis überdenken. Denn kürzlich hat das erste Bauteil der neuen Do X die Werkstatt der Firma Ali Storiche 57 im ungarischen Héreg verlassen, die bereits zwei Dornier-Legenden – den „Merkur“ und den „Wal“ – nachgebaut hat.

Der Spant 44 – sechs Meter hoch und mehr als vier Meter breit – ist ein Schlüsselsegment für den Do-Nachbau. Bei einem Haus würde man von der Bodenplatte sprechen. Seine Fertigung in der kleinen Flieger-Manufaktur bei Esztergom nahm rund zwei Monate in Anspruch. Peter Kielhorn kann dieser Zeitung nun auf Nachfrage melden: „Das Bauteil entspricht zu 99,9 Prozent dem ursprünglichen Spant der Do X.“

Wie kann es sein, dass dieser Ur-Spant so perfekt nachgearbeitet werden konnte, dass er eine gleiche Kopie, die heute im Berliner Technikmuseum präsentiert wird, deutlich in den Schatten stellt? Die Antwort: Die riesigen Fortschritte in der Digitalisierung und der dreidimensionalen Darstellung von Werkstücken am Computer sowie der Zugang zu einem alten Foto-Schatz, der sich im Staatsarchiv St. Gallen fand.

Während sich der damalige Verein „Internationales Flugbootmuseum“ Mitte der 90er-Jahre an Bildern und mageren Vorlagen orientieren musste, standen Kielhorn und den um ihn gruppierten mehr als 100 Studenten der Dualen Hochschulen Friedrichshafen, Mosbach und Lörrach 1000 Foto-Glasplatten zu Verfügung, auf denen die Bauteile dokumentiert wurden.
Altes Tabellenbuch hilft weiter
Dazu fand sich in einem Archiv ein altes Dornier-Tabellenbuch für Luftfahrtprofile, eine Art Schatzkarte für in Aluminium verliebte Luftfahrt-Ingenieure. „Da steht alles exakt drin“, sagt Peter Kielhorn. „Alle Profile sind dort spezifiziert.“

So konnten die Studenten und ihr Mentor seit 2014 in kriminalistischer Detailarbeit das ganze Alu-Innenleben der großen Dame digital nachbilden. Eine knifflige Aufgabe, denn zunächst mussten die Originalfotos der Spanten und Rippen digitalisiert, untersucht und die Profile vermessen werden, die dann im Tabellenbuch ausfindig gemacht wurden. Es ist, als würde man ein riesiges Modell aus Lego-Steinen nur mit Hilfe von Fotos und einer Liste der exakten Beschreibung der Bausteine und ihrer Noppen rekonstruieren.
Der Dornier-Studententruppe ist genau das gelungen: Auf dem Computer-Bildschirm lässt sich ihr Flugzeug drehen und von allen Seiten betrachten. In einem grün eingefärbten Labyrinth aus Spanten und Trägern leuchtet rot der Premieren-Spant 44 als Ausgangspunkt für den Nachbau des haushohen Vorschiffs der Do X. Dort thront das Kommandodeck mit Führer-, Navigations- und Maschinenraum über dem Mitteldeck, wo 70 Passagiere den Komfort eines Luxusdampfers genießen konnten.
Die nächsten Schritte
Für Peter Kielhorn steht jetzt fest: „Das Flugschiff kann auf jeden Fall gebaut werden, es ist technisch möglich.“ Alles Weitere sei eine Frage des Geldes. Von dem braucht der „Freundes- und Förderkreis Do X e.V.“ eine ganze Menge. Spant 44 wurde – mit der Vorbereitung der Werkzeuge und der Montageplattform – mit ersten Spenden finanziert. Mehr Geld erfordert der als nächster Schritt geplante Nachbau von Spant 55 und des Mittellängsträgers, der beide Spante verbindet.

Dass von dem Dornier-Flugschiff ein 1:1-Modell angefertigt wird, ist übrigens nicht neu. Bevor man 1927 mit dem Bau begann, wurde in Altenrhein eine Attrappe aus Holz aufgestellt. So konnte man Konstruktionsdetails festlegen und Pläne für die Gestaltung des Innenraums im Stil des Art déco zeichnen. Bar inklusive.

Bis dahin ist es für die Do-Konstrukteure ein langer Weg. Ihr Gesellenstück, Spant 44, wollen sie im Januar in der Friedrichshafener Messe zeigen. Den kompletten und dann fürs Publikum begehbaren Nachbau der Do X will der Freundeskreis zum 100. Jahrestag des Erstflugs am 12. Juli 2029 präsentieren.
Spendenkonto des Freundes- und Förderkreis Do X e.V.:
www.do-x-vision.de/spendenaufruf