„Sehr geehrte Schulleiter. Angesichts der steigenden Infektionszahlen sind weitere Schritte leider unausweichlich.“ Es ist das Schreiben des Kultusministeriums an die Schulleiter Baden-Württembergs. Ein ähnlich formuliertes Schreiben erreicht am Montagvormittag auch die Kindertagesstätten.
Tenor: Die Schulen müssen ab 16. Dezember – also zwei Tage nach der Ankündigung der Maßnahme – und bis zum 10. Januar schließen, für Abschlussklassen geht der Fernunterricht bis zum 23. Dezember weiter.

Für Schüler von der ersten bis zur siebten Klasse wird eine Notbetreuung eingerichtet. Anspruch auf diese Betreuung haben Kinder von Eltern, die an ihrem Arbeitsplatz als unabkömmlich gelten.
Das gelte für Präsenzarbeit ebenso wie das Homeoffice, heißt es in dem Schreiben. „Das Kultusministerium wird dazu in Kürze eine Orientierungshilfe zur Umsetzung der Notbetreuung übermitteln.“ Am Dienstag dann erreichte sie die Schulen, bestätigte das Ministerium auf Nachfrage.
Matthias Schneider findet dafür deutliche Worte: „Die Notbetreuung so kurzfristig zu organisieren, ist natürlich eine Zumutung“, sagt er dem SÜDKURIER auf Anfrage.
Der Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg (GEW) stellt die Notwendigkeit der Maßnahme zum Schutz von Schülern und Lehrern zwar nicht in Frage, hat aber wenig Verständnis für die späte Entscheidung der Landesregierung, die Winterferien doch früher beginnen zu lassen. „Das Kultusministerium wird aus den Fehlern den vergangenen Wochen hoffentlich endlich lernen“, sagt er dem SÜDKURIER.
Verbände monieren späte Schließung
Dabei hatte die GEW schon im Sommer auf die zu erwartenden Schwierigkeiten hingewiesen. Man brauche „einen vorbereiteten Plan B mit klaren Regeln und Handlungsanweisungen, wenn die Infektionen wieder steigen sollten“, hieß es damals. Getan wurde nichts, das Kultusministerium machte selbst Sommerferien, schien es.
Schon im Herbst kamen Fragezeichen auf, wie das Lüftkonzept als Teil der Infektionsschutzmaßnahmen gegen Corona in der kälteren Jahreshälfte aufrechterhalten bleiben sollte. „Das nächste Schuljahr ist noch lange. Deshalb brauchen wir für Januar bis Juli 2021 endlich einen klaren Zeitplan, wie Schule unter Coronabedingungen funktionieren können“, sagt Schneider.
Die GEW hat klare Vorstellungen, wie das aussehen sollte. Landesweite Richtlinien, ab welchen Inzidenzwerten für alle Schüler Wechsel- oder Fernunterricht stattfinden muss. „Bisher werden schwierige Entscheidungen immer wieder an die überlasteten Schulleitungen delegiert, die das schlechte Krisenmanagement der Landesregierung in Sachen Bildung ausbaden müssen“, moniert Gewerkschaftler Schneider.

Beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) begrüßt man die Maßnahme des Landes, mahnt aber die späte Entscheidung an. „Der VBE hatte aufgrund der Entwicklung der Infektionszahlen schon lange angemahnt, die Schulen zu schließen.“
Bei der Notbetreuung sieht der Verband Schwierigkeiten bei der Umsetzung: So dürften die Gruppen in der Notbetreuung weder zu groß sein noch ständig gemischt werden. Ob dafür die Lehrkräfte ausreichen, ist fraglich.
Der VBE sieht zudem dringenden Nachrüstungsbedarf: „Wo es baulich zwingend notwendig ist, weil etwa nur unzureichende Lüftungsmöglichkeiten vorhanden sind, müssen auch Luftfilter in den Gebäuden installiert werden.“
Anspruch auf Notbetreuung muss nicht nachgewiesen werden
Beim Kultusministerium hält man das Konzept natürlich für umsetzbar. Seit dem Sommer gebe es Qualitätskriterien und Vorgaben für den Fernunterricht seit dem Sommer, erklärte Sprecherin Christine Sattler. Auch die digitale Aufrüstung für Schüler, die Leihgeräte brauchen, sei inzwischen deutlich besser als noch im Frühjahr, ergänzte sie.
Die Notbetreuung, die ja nur im Ausnahmefall in Anspruch genommen werden könne, sollte mit dem vorhandenen Personal umsetzbar sein, betonte die Sprecherin weiter.
Wer Anspruch auf die Notbetreuung hat, ist geregelt: Anspruch auf Notbetreuung haben Kinder, bei denen beide Erziehungsberechtigte oder der Alleinerziehende von ihrem Arbeitgeber am Arbeitsplatz als unabkömmlich gelten. Dies gilt für Präsenzarbeitsplätze ebenso wie für Home-Office-Arbeitsplätze. Auch Kinder, für deren Kindeswohl eine Betreuung notwendig ist, haben einen Anspruch auf Notbetreuung.
Und wer entscheidet, wer die Notbetreuung in Anspruch nehmen darf? Niemand. „Die Maßgabe bei der Notbetreuung lautet deshalb, dass diese nur, wenn es zwingend notwendig ist, in Anspruch genommen werden soll. Nachweise oder andere Maßnahmen mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand sind hier jedoch nicht geplant“, erklärt eine Sprecherin des Kultusministeriums auf Anfrage.

Auch mit der Frage, wie Eltern, die von ihrem Arbeitgeber nicht zur Betreuung der Kinder freigestellt werden, aber auch keinen Anspruch auf Notbetreuung haben, mit den früheren Schulferien umgehen sollen, kann das Ministerium nichts anfangen. Das müssten Betroffene mit dem Arbeitgeber klären.
Beim Sozialministerium dagegen findet sich ein Konzept für Eltern mit Verdienstausfällen wegen Kinderbetreuung. Ein Entschädigungsanspruch besteht demnach aber nur, wenn keine Feiertage oder Schulferien in den Betreuungszeitaum fallen, an denen die Schulen und Kindertagesstätten ohnehin geschlossen geblieben wären.
Regulär hätten die Schulferien am 23. Dezember begonnen. Trotzdem sagt ein Sprecher des Sozialministeriums, dass durch die Schul- und Kita-Schließung vom 16. Dezember bis 22. Dezember durch die Landesregierung nach Auffassung unserer Juristen aber trotzdem in der Regel kein Anspruch auf Entschädigung“ bestehe, weil es ja einen Anspruch auf Notbetreuung bis zur 7. Klasse gebe.
Der Entschädigungsanspruch, der für Sorgeberechtigte von Kindern bis 12 Jahren besteht, „wäre aber denkbar“. Nur wenn eine Notfallbetreuung nicht angeboten werden könne, könnten Betroffene einen Antrag auf Entschädigung stellen, ergänzt der Sprecher.