Der Überfall der Hamas auf Israel Anfang Oktober hat zu einem Exodus von Führungskräften deutscher Firmen aus dem Land geführt. „Alle Geschäftsführer deutscher Unternehmen haben inzwischen das Land verlassen“, sagte Michel Weinberg, selbst Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer (AHK Israel) in Tel Aviv, dem SÜDKURIER.
Betroffen seien mindestens 15 Top-Manager, die inzwischen die Heimreise angetreten hätten und ihre Unternehmen nun von Deutschland aus leiteten. Mit den Belegschaften vor Ort stünden sie in engem Austausch.
Insgesamt beträfen die dramatischen Ereignisse vor Ort aber eine weitaus größere Zahl an Firmen. „Geschäftliche Kontakte zu Israel haben allein in Baden-Württemberg hunderte Unternehmen“, sagte Weinberg. Allerdings verfüge die überwiegende Mehrzahl der Firmen nicht über eigene Niederlassungen und daher auch kein eigenes Personal in dem Land.
Weinberg, der seit 44 Jahren in Israel lebt und seit mehr als einem Vierteljahrhundert die Interessen der AHKs in Israel vertritt, bezeichnete die Lage als beispiellos. „Es war noch nie so dramatisch“, sagte er. Das letzte Mal, dass deutsche Geschäftsführer das Land aufgrund der sicherheitspolitischen Lage verlassen haben, sei über 30 Jahre her. „Damals wegen des Zweiten Golfkrieges“ in den Jahren 1990 und 1991, sagte Weinberg.
RRPS: Sicherheit der Mitarbeiter „oberste Priorität“
Diejenigen deutschen Firmen, die eigenes Personal in Israel vor Ort haben, haben die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Von dem in Friedrichshafen am Bodensee ansässigen Großmotorenbauer Rolls Royce Power Systems (RRPS) heißt es beispielsweise, nach aktuellem Stand seien alle Mitarbeiter in einem sicheren Umfeld. Der Mutterkonzern der Motorenmarke MTU ist eines der regionalen Unternehmen mit eigener Niederlassung in Israel. „Unsere oberste Priorität ist die Sicherheit unserer Mitarbeiter und deren Familien, die sich in Israel befinden“, sagte ein RRPS-Sprecher.
Takeda schickt Mitarbeiter ins Homeoffice
Auch ein weiteres baden-württembergisches Unternehmen hat sich infolge der neuerlichen Eskalation in Nahost umorganisieren müssen. Um die Sicherheit vor Ort zu erhöhen, arbeiteten inzwischen alle der rund 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Takeda-Ländergesellschaft vor Ort im Homeoffice, sagte eine Sprecherin des Pharma-Riesen. Der japanische Konzern hat Standorte unter anderem in Konstanz und Singen. Das globale Sicherheitsteam von Takeda arbeite eng mit einem Team in Israel zusammen, um sich über Sicherheitsmaßnahmen auszutauschen.
Ist die Versorgung gefährdet?
Doch Sorge um die Mitarbeiter in Israel ist nicht alles, was Takeda aktuell beschäftigt. Der Konzern ist ein führender Hersteller für biopharmazeutische Medikamente – aber auch von Mittlen zur Behandlung von beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes, Schmerzen oder Osteoporose.
Können diese Medikamente dennoch weiterhin geliefert werden? „Wir prüfen aktiv, damit wir die Versorgung weiterhin sicherstellen und aufrechterhalten können“, sagte die Pressesprecherin. Aktuell sei der Bestand noch ausreichend, um den normalen Bedarf kurzfristig zu decken. Man beobachte die Situation in der Region allerdings kontinuierlich, um die Versorgung weiterhin zu gewährleisten, so die Sprecherin.