Zugfahren in der Region ist kein Vergnügen. Ob Schwarzwaldbahn, Hochrheinbahn oder Gäubahn – alle Zugstrecken in der Region haben ihre Probleme mit Umbauarbeiten, Personalmangel oder maroder Infrastruktur. Aber besonders die Gäubahn, die Singen mit der Landeshauptstadt Stuttgart verbindet, ist schon seit vielen Jahren ein Sorgenkind. Und aufgrund des Umbaus des Stuttgarter Hauptbahnhofs wird es ein Thema sein, das die Menschen in der Region noch über viele Jahre beschäftigen wird. Auch die Politik vor Ort ist nicht glücklich über die Pläne aus Stuttgart.
Doch warum gehören Pendler und Reisende auf gerade dieser Strecke zu den Abgehängten? Wir haben einmal in einer Chronik des Grauens zusammengefasst, warum es auf der Gäubahn so rumpelt.
Was ist überhaupt geplant?
- Die Strecke zwischen Stuttgart und Singen ist wichtig für Pendler und Reisende, um beispielsweise vom Bodensee den Fernverkehr nutzen zu können. Mit den Plänen rund um den Tiefbahnhof in Stuttgart könnte der Süden Baden-Württembergs aber weiter abgehängt werden – noch mehr als ohnehin schon. Denn laut den aktuellen Plänen soll die Strecke über mehrere Jahre gekappt werden. So soll die derzeitige Lösung aussehen – und sie hat weitreichende Folgen für die Region.
- Zukünftig soll aus dem Stuttgarter Hauptbahnhof ein Tiefbahnhof werden. Das würde bedeuten, dass die Regionalzüge aus Singen nicht mehr in den Bahnhof einfahren können. Deshalb müssten Züge vom Bodensee bereits in Stuttgart-Vaihingen enden oder an einem noch nicht vorhandenen Nord-Halt. Wer dann weiter will, muss die S- oder Straßenbahn nehmen. Irgendwann soll die Verbindung über den Flughafen Leinfelden-Echterdingen führen. Hier lesen Sie, was Pendlern ab 2025 droht, wenn der Tiefbahnhof in Betrieb geht.
Was sagen die Schweizer zu den Plänen?
- Auch die Schweizer setzten eigentlich lange Zeit auf die Gäubahn – insbesondere für den Güterverkehr. In einem Staatsvertrag sicherte Deutschland bereits 1996 zu, die Strecke als Teil der Alpen-Transversale zu beschleunigen. Der Gotthard-Basistunnel ist seit 2016 fertig – auf den deutschen Teil der Abmachung warten die Schweizer bis heute und investieren deshalb lieber in andere Strecken wie beispielsweise im Elsass.
- Nur ein Teil der Züge fährt über Singen durch bis nach Zürich. Dass die Schweizer mit der Gäubahn-Situation unzufrieden sind, machte auch schon Peter Flügistaler, Chef des Schweizer Bundesamts für Verkehr, deutlich: „An der Gäubahn kristallisieren sich aus meiner Sicht viele Probleme des deutschen Bahnverkehrs heraus“, sagte er im Interview mit dem SÜDKURIER. Er kritisiert unter anderem die vielen Zuständigkeiten bei der Gäubahn.
- Da die Schweiz ein Problem mit verspäteten Zügen aus Deutschland hat, spitzte sich die Lage in der vergangenen Zeit zu. Aus elf Verbindungen, die aus Deutschland in oder durch die Schweiz führten, wurden im August 2023 fünf. Die anderen Verbindungen enden an der Schweizer Grenze, Reisende müssen umstiegen – weil die Verspätungen deutscher Züge die Schweizer Fahrpläne durcheinander bringen.
Was ist der aktuelle Stand der Gäubahn im Sommer 2023?
- Die Strecke zwischen Horb und Tuttlingen ist nur eingleisig. Kommen sich zwei Züge entgegen, muss einer von beiden auf ein Ausweichgleis fahren und warten. Schon bei kurzen Verspätungen kann es aber dazu kommen, dass der ganze Fahrplan durcheinandergerät – und dies passiert regelmäßig. Immerhin ein kleiner Teil wird nun ausgebaut, führt aber schon jetzt zu einer Unterbrechung der Strecke zwischen Stuttgart und Singen.
- Bis zum Herbst werden Pendler deshalb auf bestimmten Abschnitten auf den Bus umsteigen müssen.
- Darüber hinaus sind noch weitere Arbeiten auf der Strecke geplant. Bahnexperten rechneten bereits im April damit, dass bis Jahresende keine Züge mehr direkt zwischen Singen und Stuttgart verkehren. Grund ist eine weitere Baustelle. Die Bahn selbst nennt keine konkreten Pläne, wie lange gesperrt bleiben soll.
- Das frustrierende für Bahnkunden: Nicht nur auf der Gäubahn kommt und kam es in diesem Jahr zu Sperrungen. Auf den Schienen zwischen Friedrichshafen und Basel gibt es so einige Baustellen.
Was war außerdem los?
- Gegen die Kappung regt sich viel Widerstand. So hatte der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) eine Klage eingereicht. Sie wollen nicht, dass die Verbindung von Singen über Jahre in Stuttgart-Vaihingen enden soll. Doch die Klage wurde mittlerweile abgelehnt.
- Auch in den vergangenen Jahren sorgte die Gäubahn immer wieder für negative Schlagzeilen, weil Fahrplanänderungen für Ausfälle und vor allem Unmut bei den Fahrgästen sorgte, die auf die Bahn dort angewiesen sind. Eine Untersuchung im August 2022 fand heraus: Jeden fünften Tag steht die Gäubahn still – und es wird noch schlimmer.
Wie könnte es weitergehen?
- Neben Widerstand kommt es auch zu kuriosen Ideen, wie die Unterbrechung der Gäubahn kompensiert werden kann. Eine Idee: Die Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn bis nach Singen.
- Wird der Hauptbahnhof in Stuttgart von der Gäubahn abgekappt, könnte das für viele Pendler und Fernreisende zum Problem werden. Deshalb wird über Alternativen nachgedacht. Eine ist es, die Hochrheinbahn zu stärken und damit die Anbindung nach Basel, um dort den Fernverkehr nutzen zu können.
Was sagt die Politik?
- Das sagte im Juni Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur Situation auf der Gäubahn.
- Auch der Singener Gemeinderat kämpft für die Gäubahn und spricht sich gegen die Pläne der Deutschen Bahn aus. „1,4 Millionen Bürger dürfen nicht abgehängt werden“, betont Oberbürgermeister Bernd Häusler.
- Georg Geiger, Vorsitzender der Fraktion der Freien Demokraten im Kreistag, spricht von Versäumnissen des Landes Baden-Württemberg. Seine Kritik: Die Verbindung zwischen Stuttgart und dem Kreis könnte jahrelang durch Verspätungen und Ersatz-Busse geprägt werden, denn nach derzeitigen Plänen würde Konstanz erst 2038/40 vom Ausbau der Gäubahn profitieren.