Herr Schwarz, der Ministerpräsident sagt, er rechnet mit dem härtesten Jahr seiner Amtszeit und meint damit die Wirtschaftslage. Was kommt da auf Baden-Württemberg zu?

Baden-Württemberg steckt aus mehreren Gründen in einer Zange. Zum einen durch verschärfte internationale Wettbewerbsbedingungen, nehmen wir die angekündigten Zölle von den USA. Zum anderen durch hohe Energiekosten. Dazu kommt, dass China inzwischen als Konkurrent auftritt. Ich will aber ganz klar sagen: Wir kriegen das hin und arbeiten daran, dass die Wettbewerbsbedingungen für unsere Unternehmen besser werden.

Wie?

Kein anderes Bundesland investiert so viel in Forschung und Entwicklung wie Baden-Württemberg. Wir sind auf demselben Niveau wie das Silicon Valley und Shenzhen in China. Und die nächsten zwei Jahre bauen wir das weiter aus.

Was ist mit der Automobilindustrie, die ein ganz wichtiger Faktor fürs Land ist. Bosch baut massiv Stellen ab, ZF ebenso. Wie sehr trifft das den Südwesten?

Wir hatten vor Weihnachten die Vertreter der Automobilindustrie – Mahle, Bosch, Mercedes, Porsche, ZF, Audi – sowie Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte bei uns. Drei Punkte gehen wir gemeinsam an. Erstens: Wir brauchen mehr Nachwuchstalente im Automobilbereich und machen technische und naturwissenschaftliche Studienfächer attraktiver. Zweitens: Die EU sollte ihre Fördergelder anders verteilen. Nicht nur in vermeintlich strukturschwache Regionen, sondern auch, dass wirtschaftsstarke Regionen wie Baden-Württemberg profitieren. Und drittens: Der Strom an der Ladesäule muss günstiger werden, damit die Elektromobilität zündet.

Andreas Schwarz, Vorsitzender der Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg, im SÜDKURIER Medienhaus.
Andreas Schwarz, Vorsitzender der Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg, im SÜDKURIER Medienhaus. | Bild: Hanser, Oliver

Strompreis und EU-Fördermittel hat die Landesregierung aber nicht in der Hand.

Nein, beim Strom wäre eine bundesweite Lösung wichtig. Was die EU angeht: Ursula von der Leyen kommt zum Neujahrsempfang der Landesregierung in Brüssel – ich hoffe, dass sie etwas im Gepäck hat.

Mit vergünstigtem Ladestrom ist es nicht getan. Angesichts der Bedeutung, die die klassischen Industriesektoren und der Maschinenbau in Baden-Württemberg haben: Was bieten Sie denen an, dass sie dem Standort treu bleiben?

Erst kürzlich haben wir für die Wirtschaft eine Schnellstraße eröffnet, die alle ausländerrechtlichen Themen und Fragen der Berufsanerkennung klärt – die Landesagentur für Fachkräfte. Das wird auch von den Unternehmensvertretern goutiert. Wichtig ist auch der Bürokratieabbau. Dazu haben wir 170 Vorschläge der Wirtschaft und Kommunen umgesetzt. Mit Invest BW stellen wir einen Fonds mit 149 Millionen Euro zur Verfügung, mit dem sich Unternehmen strategisch neu ausrichten können. Nicht zu vergessen: die Ansiedlungsstrategie. Wir brauchen mehr Raum, um innovative Unternehmen nach Baden-Württemberg zu bringen. Ich erwarte, dass die Landestochter „Baden-Württemberg international“ mehr Tempo bei Genehmigungen in Verwaltungsverfahren reinbringt, sodass Brennstoffzellenhersteller und die Batteriezellenforschung hierher kommen.

Der Fachkräftemangel spielt zunehmend eine geringere Rolle. Stattdessen werden Leute entlassen. Wie sehr beunruhigt Sie das?

Mich beunruhigt das sehr, weil wir wissen, dass wirtschaftlicher Wohlstand, ein sicherer Job, ein auskömmliches Einkommen einfach die Basis von allem ist. Aber ich rufe auch dazu auf, dass wir optimistischer in die Zukunft schauen. Dafür lege ich mich ins Zeug.

Inwieweit macht Ihnen die allgemeine Stimmungslage mit Blick auf die Grünen im Bund zu schaffen?

Das ist schon ein Punkt, den wir spüren. Wie schwierig es ist, mit erfolgreicher Landespolitik durchzudringen, wenn Bundespolitik alles überlagert. Aber wir strecken uns hier nach der Decke. Wir tun alles dafür, dass Baden-Württemberg weiter dieser Spitzenstandort bleibt. Die Frage der sicheren Energieversorgung ist etwas, was viele Unternehmen wirklich beschäftigt. Was können wir als Land dafür tun? Windkraft und Photovoltaik zügig ausbauen! Zwei Gigawatt Photovoltaik haben wir 2024 zusätzlich auf die Dächer gebracht – eine extra Großstadt könnte damit versorgt werden. 900 Windkraftanlagen sind in der Planung. Ich wünsche mir auch, dass es noch schneller geht. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Eine große Baustelle bleiben die Netze. Wir haben kein Problem bei der installierten Leistung, aber je weiter wir im Süden Deutschlands sind, desto größer wird das Problem der Netze. Da muss doch Geschwindigkeit rein, oder?

Ein eindeutiges „Ja“. In meinen Augen müssen die Leitungen oberirdisch gebaut werden, alles andere ist nicht finanzierbar.

Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung dieses Artikels fanden sich hier Aussagen von Andreas Schwarz zu einer Milliarden-Kapitalerhöhung des Landes für den Energiekonzern EnBW. Wir haben diese Aussagen gestrichen. Entgegen der Aussage von Andreas Schwarz und eines Fraktionssprechers ist noch keine Kapitalerhöhung bei EnBW vollzogen worden. Die Kapitalerhöhung sei erst Thema bei der Hauptversammlung der EnBW im Mai, wie es jetzt von Seiten der Grünen hieß.

Andreas Schwarz (2.v.l.) im Gespräch mit Chefredakteur Stefan Lutz (2.v.r.) und Mitgliedern der SÜDKURIER-Redaktion (rechts).
Andreas Schwarz (2.v.l.) im Gespräch mit Chefredakteur Stefan Lutz (2.v.r.) und Mitgliedern der SÜDKURIER-Redaktion (rechts). | Bild: Hanser, Oliver

Winfried Kretschmann hat die EU dazu aufgefordert, dass die Strafzahlungen für die CO2-Verstöße der Automobilhersteller ausgesetzt werden. Ist das das richtige Signal, wenn man auf E-Autos setzt?

Weitere Strafzahlungen sind momentan das falsche Signal. Eine Industrie, die in einer Transformation steckt, sollte nicht noch eins auf die Mütze bekommen.

Die Fahrzeughersteller haben schon auch wahnsinnig geschnarcht, was E-Mobilität und autonomes Fahren angeht. Wie viel Selbstkritik wird Ihnen da gespiegelt?

Niemand rüttelt am Ziel, dass die Automobilindustrie und die Mobilität klimaneutral werden müssen. Es hat bei diesem Gespräch vor Weihnachten auch keiner gefordert, die Landesregierung müsse sich jetzt wieder für Verbrennungsmotoren starkmachen. Alle sind auf diesem Weg. Nur geht es nicht so schnell mit der E-Mobilität voran, wie ursprünglich geplant. Deswegen kann ich keine Schelte betreiben. Die Entwicklung führt zu einer schwierigen Lage. Bosch hat viele junge Ingenieurinnen und Ingenieure eingestellt und muss sie jetzt wieder vor die Tür setzen.