Die Quagga-Muschel könnte noch ungeahnte Vorteile bringen. Der ungebetene Gast breitet sich seit Jahren unaufhaltsam im Bodensee aus. Wie es weitergeht, könnte ein Vergleich mit Gewässern in Nordamerika zeigen. Eine internationale Forschergruppe hat Daten aus vier großen nordamerikanischen Seen mit Daten aus dem Bodensee, Genfersee und Bielersee verglichen.
Jenseits des Atlantik breitet sich die Quagga-Muschel schon seit den späten 1980er-Jahren aus. Im Bodensee wurde sie 2016 zum ersten Mal nachgewiesen. Die Studie zeigt: Die Ausbreitungsmuster stimmen weitgehend überein. Man kann so also einen Blick in die Zukunft wagen. Dabei klingt einiges zunächst positiv. Für die Studie haben Forscher des Wasserforschungsinstituts Eawag, der Universitäten Genf und Konstanz und weiteren Institutionen zusammengearbeitet.
Die Daten zur Quagga-Muschel in Nordamerika zeigen: Der Bodensee muss sich auf größere Muscheln, eine höhere Biomasse pro Fläche und auf einer Verlagerung in größere Tiefen gefasst machen. Genauer: Bis zum Jahr 2045 könnte die Biomasse neun bis 20 Mal so hoch sein wie jetzt. Das hat Auswirkungen auf das Ökosystem. Bei den nordamerikanischen Seen kann man bereits Folgen beobachten.
Klares Wasser dank Quagga-Muschel
Die Quagga-Muschel filtert Phytoplankton, also pflanzliche Kleinstlebewesen, in großen Mengen. Durch deren geringere Verfügbarkeit nimmt die Biomasse und Dichte von tierischem Plankton ab. Dadurch passiert etwas, das eigentlich nach einer guten Nachricht klingt: Die Sichtweite nimmt zu, das Wasser ist klarer.
Das klare Wasser könnte dann mehr Menschen auf und in den See locken: Schwimmer, Taucher und Bootsfahrer. Und wer ein Grundstück direkt am Seeufer hat kann sich noch mehr freuen: Laut mehrerer Studien kann klares Wasser den Wert der Liegenschaften erhöhen – freilich ist deren Wert ohnehin schon hoch.
In eine Quagga-Euphorie sollte man allerdings nicht verfallen. „Die negativen Auswirkungen sind viel größer“, sagt der Forscher Piet Spaak. Als Leiter des Projekts Seewandel untersucht er den Bodensee seit Jahren und war auch an der Studie beteiligt, die den Vergleich mit nordamerikanischen Seen anstellt. Zu diesen negativen Auswirkungen gehören etwa finanzielle Schäden durch die Muschel-Population.
Früher waren andere Muscheln im Bodensee vor allem in Tiefen von bis zu 40 Metern vorhanden. Wasserinfrastruktur, etwa Sammelstationen für Trinkwasser, werden in europäischen Seen in etwa 60 Metern Tiefe platziert. Die Quagga-Muschel erreicht auch diese Tiefe problemlos. Und hier setzt sie schon jetzt der Bodensee-Wasserversorgung zu, deren Kampf gegen die Muschel ist aufwendig und teuer.
Risiko für andere Seen
„Für den Bodensee können wir nichts mehr machen“, sagt Spaak. Denn aufhalten lässt sich die Quagga-Muschel nicht. Darum betont der Experte, wie wichtig es sei, den Eindringling nicht in andere Seen einzuschleppen. Das Problem dabei: Das kann schneller gehen, als man denkt. Die Larven der Quagga-Muschel seien mikroskopisch klein.
„Der Bodensee kann die Quelle für andere Seen sein“, warnt Spaak. Schon kleine Mengen von Bodenseewasser in andere Seen zu bringen, etwa über Boote, Eimer oder Stand-Up-Paddling-Boards, könne ein Risiko darstellen. Deshalb spricht sich der Experte für eine Reinigungspflicht für Boote vor dem Gewässerwechsel aus. Spaak macht klar: „Wenn man eine Quagga-Muschel in einem See sieht, dann ist es zu spät.“ Denn dann seien sie schon in großen Mengen vorhanden.
Das kann nicht zuletzt Folgen für die Fischbestände haben. Ob das für die Fischerei letztendlich gut oder schlecht ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Denn einerseits filtern die Muscheln Nährstoffe aus dem See, die eigentlich für Fische wichtig wären – die Muscheln könnten aber auch selbst wieder zur Nahrung werden. Die tatsächlichen Auswirkungen hängen unter anderem mit dem Klimawandel und Umweltveränderungen zusammen, wie in der Studie eingeräumt wird.