Wer Ron Tenne in den vergangenen Jahren auf dem Gelände der Universität Konstanz sah, der erlebte einen tief entspannten Physiker. Er unterhielt sich gerne mit Studenten, fachsimpelte mit den Kollegen von der Physik und trank im Sommer gerne ein Bierchen im Biergarten der Hochschule.

Ron Tenne: 7. Oktober habe sein Leben verändert

Tenne ist noch immer ein fröhlicher Mann, sein schwarzer Dutt lässt ihn jünger wirken, als er tatsächlich ist. Doch hat sich ein Schatten über das heitere Gemüt dieses Israeli gelegt. „Der 7. Oktober hat mein Leben verändert“, sagt der Forscher. Der brutale Überfall der Hamas auf Israel, das Massaker im Kibbuz und die vielfache Geiselnahme legt die Axt an das Selbstverständnis eines Landes.

Der 41-Jährige hat in seiner Heimat studiert und mit einer Promotion abgeschlossen. Seit drei Jahren arbeitet Ron Tenne in seinem Spezialfach weiter. An der Universität Konstanz befasst er sich mit ultraschneller Optik, der Quantenoptik. Er fand damals schnell Kontakt innerhalb seiner Arbeitsgruppe.

Nun nähert sich seinem beruflichen Ziel: Er strebt zurück nach Israel, um dort eine Professor zu erhalten. Zurzeit bewirbt er sich in seiner Heimat an den einschlägigen Hochschulen und hofft, dass er zum Zuge kommt.

Eine Frau weint am Grab von Yonat Or, der am 7. Oktober im Kibbuz Be‘eri nahe der Grenze zum Gazastreifen getötet worden war.
Eine Frau weint am Grab von Yonat Or, der am 7. Oktober im Kibbuz Be‘eri nahe der Grenze zum Gazastreifen getötet worden war. | Bild: Ilia Yefimovich

So weit der planbare Teil seines Lebens. Israel war für ihn immer „ein Land, in dem man sicher lebt.“ Das sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. An Auswanderung dachte er nie – anders als manche seiner Landsleute, die mit der Dauerbedrohung nicht fertig werden. Für Tenne setzte der 7. Oktober ein Datum, an dem alte Gewissheiten einstürzten. Das hat auch mit der Familiengeschichte zu tun.

Seine Vorfahren engagierten sich als Zionisten. Sie wanderten in den 20er Jahren in ihr Gelobtes Land aus. Sie stammen aus Polen und Rumänien und erlebten Verfolgungen. „Für meine Großeltern waren Pogrome an der Tagesordnung“, weiß Ron aus der Chronik seiner Familie. In Palästina erwarben sie Land und wollten einen Staat aufbauen, in dem Juden leben können. Seit dem 7. Oktober ist dieser Wunsch nach relativer Sicherheit zerschellt.

Ron Tenne aus Konstanz sieht sich als Patriot

Das wirkt sich auch auf sein Verhalten in Konstanz aus. Wenn er einen Anruf auf Israel erhält, geht er schnell beiseite. „Ich achte darauf, dass ich in der Öffentlichkeit nicht Hebräisch spreche“, sagt er. Sonst würde er unnötig Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Interesse von Leuten wecken, die Israel feindlich gesonnen sind.

Ron will friedlich leben, das ist alles. Das Tragen einer Kippa kommt für ihn nicht infrage, da er aus einer säkularen Familie stammt.

Ron Tenne sieht sich als Patriot, er steht in der Pflicht, seinem Land zu helfen. Auch seine Konstanzer Erfahrungen sollen ihm im Nahen Osten nutzen. In Deutschland fühlt er sich wohl. Nach den USA gilt die Bundesrepublik noch immer als einer der wertvollsten Standorte für die Forschung.

Deshalb hat er sich für Konstanz beworben. „Wissen ist unsere Ressource“, sagt er. Denn Israel verfügt über keine bemerkenswerten Bodenschätze, und es ist ein kleines Land. Umso wichtiger sind die klugen Köpfe, die bei der Verteidigung des Landes helfen.

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Dass er dreieinhalb Jahre bei der Armee war, sagt er nebenbei. Das ist selbstverständlich dort, während die Wehrpflicht in vielen westeuropäischen Staaten bereits abgeschafft wurde. Für Israel wäre das undenkbar, es käme einem Selbstmord gleich.

Wenn Ron in das Land zurückkehren wird, um sich an Unis vorzustellen und eine Lehrprobe zu geben, dann ist das ein „eine verrückte Situation“. Während das Land in einen Zweifrontenkrieg steckt, geht das tägliche Leben irgendwie weiter.