Es ist der 1. Juli 2024, genau 0 Uhr, als beim Regierungspräsidium Freiburg ein Antrag zur Genehmigung eines sogenannten Socialclub eingeht. Der Cannabis-Verein PureLeaf aus Konstanz ist früh dran, „vermutlich waren wir der erste Socialclub, der den Antrag eingereicht hat“, sagt Vereinsgründer Julius Auffermann.

Julius Auffermann ist 29 Jahre, hauptberuflich Geschäftsführer einer Spielwarenfirma und hat eigentlich keinen persönlichen Hintergrund mit Cannabis, nicht mal mit dem Rauchen, sagt er jedenfalls. Er und seine Mit-Gründerin Fabienne Lang wollten „aus Überzeugung“ einen Cannabis-Anbauverein gründen und damit „Gerechtigkeit schaffen“. „Die Menschen wurden lang genug schikaniert“, sagt Auffermann.

Im Südwesten sind mittlerweile zwölf solcher Cannabis-Vereine genehmigt. 72 weitere warten noch auf die Genehmigung. Auch PureLeaf hat einen weiten Weg hinter sich, die Genehmigung hätte bereits im Dezember da sein sollen.

„Hochsicherheitsgefängnis für Pflanzen“

Auffermann und sein Team kämpften mit vielen bürokratischen Hürden, von der Aufstellung eines Jugendschutz- und Präventionskonzepts bis zu Satzungsänderungen. Dazu brauchte es den Nachweis eines Sicherheitskonzeptes mit Zaun, Sicherheitstüren, Untergrabschutz: „Sie wollen ein Hochsicherheitsgefängnis für Pflanzen“, sagt Auffermann.

Das war für den Verein zunächst nicht machbar, zumindest nicht wie ursprünglich geplant auf der Reichenau. „Viele Casinos und Banken erfüllen nicht mal den Sicherheitsstandard, den man von uns verlangt“, sagt Auffermann, „und wir als nicht kommerzieller Verein sollten Umbaumaßnahmen in Höhe von sicher 100.000 Euro stemmen?“

Mittlerweile ist aber alles in trockenen Tüchern. Die Genehmigung kommt, eine neue Örtlichkeit für den Anbau ist auch gefunden. Den genauen Ort hält der Verein aus Sicherheitsgründen geheim. In die Anlage wird jetzt Geld für den Umbau gesteckt, dann wird gepflanzt und in rund vier Monaten geerntet.

Union sagt „Nein“ zum „Bubatz“

Doch jetzt ziehen neue dunkle Wolken am Cannabis-Himmel auf. Bereits im Wahlkampf hat die Union stets ein lautes „Nein“ auf die Frage verlauten lassen, ob „Bubatz“ eigentlich legal bleibt, jetzt werden die Forderungen nach einer Rücknahme der Teillegalisierung konkreter.

Einen „gefährlichen Irrweg“ nennt der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge, das Cannabis-Gesetz, welches „rückgängig gemacht“ werden müsse. Auch für Unionspolitiker Günter Krings ist klar, dass die Ziele der Ampel – unter anderem Eindämmung des Schwarzmarktes – verfehlt wurden.

Nachdem der Socialclub aus Konstanz die Genehmigung vom Regierungspräsidium Freiburg bekommen hat, darf der Verein Cannabis anbauen.
Nachdem der Socialclub aus Konstanz die Genehmigung vom Regierungspräsidium Freiburg bekommen hat, darf der Verein Cannabis anbauen. | Bild: Christian Charisius

Für die zahlreichen Anbauvereine in der Bundesrepublik – laut einer Umfrage des ZDF bei den Gesundheitsministerien der Länder dürften das Stand November 2024 rund 400 sein – ein herber Rückschlag, auch finanziell.

Julius Auffermann hat bereits rund 10.000 Euro allein für die Gründung ausgegeben, für den Umzug an den neuen Standort und den Umbau kalkuliert er weitere 50.000 Euro. „Das sind erhebliche Summen, die da zusammen kommen“, sagt Auffermann.

Rücknahme des Gesetzes sei „politische Entscheidung“

Die Neue Richtervereinigung (NRV) warnt bei einer Rücknahme des Gesetzes vor hohen Entschädigungsansprüchen, denn wenn Anbau und Konsum von Cannabis wieder komplett untersagt werden würden, käme das einer Enteignung der Cannabis-Clubs gleich.

„Alles, was die Vereine dann für den Erwerb der Lizenz ausgegeben haben, wird wertlos“, sagt Simon Pschorr, Staatsanwalt und Sprecher der Fachgruppe Strafrecht bei der NRV und ehemaliger Konstanzer Gemeinderat bei der Linken Liste Konstanz.

Letztlich sei die mögliche Rücknahme der Teillegalisierung aber eine politische Entscheidung – „so etwas kommt immer mal wieder vor“, sagt Simon Pschorr. Ob das Szenario aber realistisch ist? Das kommt jetzt auf die Koalitionsverhandlungen an, sagt Pschorr. Mit der SPD in der Regierung sinkt die Wahrscheinlichkeit, laut Pschorr.

Die Planungssicherheit fehlt – und finanzielle Unterstützung

Für Auffermann und sein Team ist das nur ein schwacher Trost. Mit der frühen Antragsstellung hatte man aber einen guten Riecher, sagt Auffermann. „Vereine, die später dran waren, müssen jetzt noch weitere Monate bis zur Lizenz warten und die Luft wird immer dünner“, sagt er.

Er setzt darauf, dass sich sein Verein mit dem Erhalt der Genehmigung auf sicherem Terrain bewegt, die Lizenz ist sieben Jahre gültig. „Dann kann man uns nicht mehr viel absprechen, oder uns werden Kosten zurückerstattet“, überlegt Auffermann.

In der Branche sei er gut vernetzt, pflegt eine Chat-Gruppe mit rund 60 Vorständen aus ganz Baden-Württemberg. Die Planungssicherheit fehlt für viele komplett. Potenzielle Mitglieder treten nur noch ungern in Vereine ein aus Unsicherheit, ob das von ihnen finanzierte Projekt überhaupt zustande kommt. Geld, das den Vereinen dann fehlt, wie jeder Verein finanzieren sich auch die Cannabis-Clubs aus Mitgliedsbeiträgen.

Bereits den Wahlkampf habe man mit Nervosität verfolgt: „Wir haben auf die Grünen gehofft oder zumindest auf die FDP“, sagt Auffermann, „das Ergebnis jetzt macht unsere Arbeit nicht leichter.“ Man fühlt sich verantwortlich für seine Mitglieder, aktuell sind es 100, 80 will man noch aufnehmen. Noch hat Auffermann Zeit, sich für den Fall des Falles Gedanken zu machen – „aber das machen wir dann erst, falls es überhaupt soweit kommt“, sagt der 29-Jährige.