Lieber Herr Palmer,
das Stockacher Narrengericht hat bekanntlich ein Händchen für prominente Gäste. Am Schmotzigen Dunschdig lassen sich dort regelmäßig Hochkaräter aus dem Politikbetrieb blicken – von Joschka Fischer bis Angela Merkel, von Franz Josef Strauß bis Andrea Nahles – und mehr oder weniger gerne die Leviten lesen.
Zuletzt war coronabedingt Promi-Flaute im Hegau. Dafür legen die Narren diesmal umso energischer los – und laden sich schon auf den Dreikönigstag einen Klartexter ein. Sie nämlich.
Gemäßigt? Gähn!
Die Ankündigung des Narrengerichts kann man nicht anders als ironisch verstehen. „Gemäßigter Ton“, „kein Lautsprecher“, ein „echter Mainstream-Typ, der nirgends aneckt oder missverstanden wird“?
Wer wird denn auch solch einen Langweiler zu sich holen? Man will ja nicht gleich einnicken bei der Veranstaltung. Nein, machen wir das Gegenteil daraus – dann landen wir schon eher beim erwählten Gastredner, der keinem Streit aus dem Weg geht. Anecken – das ist bei Ihnen, Herr Palmer, Teil Ihres politischen Selbstverständnisses, mindestens, wenn nicht Teil Ihrer DNA.

Und so sind wir schon äußerst gespannt, was Sie in Stockach so raushauen werden. Wir rechnen mal mit Tacheles in Sachen Flüchtlingsintegration, giftige Seitenhiebe auf Ihre Grünen, von denen Sie zuletzt verschmäht wurden, noch mehr Seitenhiebe auf die Ampelkoalition. Oder werden Sie den Stadtsheriff mimen, und ungehobelte Stockacher, die sich nächstens daneben benehmen, zur Räson bringen? Mit Gendersternchen um sich werfen? Obacht! Die Narren lassen sich gern foppen, aber nur zu einem gewissen Grad. Beim Humor hört bekanntlich der Spaß auf. Also treiben Sie es nicht zu doll!
Was wir uns aber vor allem fragen: Wie närrisch sind Sie überhaupt? Im evangelischen Remshalden, wo Sie aufgewachsen sind, dürfte die Fasnacht, die da oben auch noch Fasching heißt, ein fremdländischer Import gewesen sein, den man ähnlich wie Halloween um der Kinder willen toleriert und in den Jahresverlauf integriert. Ein bisschen Konfetti, ein bisschen verkleiden, eine bisschen Helau rufen...

Oje, und schon ist es passiert: Helau und Alaaf bleiben mal schön im Rheinland. Hier unten macht man in der Regel mit dem traditionellen „Narri-Narro“ nichts falsch. Die exakten ortsüblichen Narrenrufe sind eine Wissenschaft für sich.
Strählen geht auch ohne Häs
Aber keine Angst! Die Stockacher haben Sie ja nicht eingeladen, um Sie in Sachen Häs, Masken oder Zünfte abzufragen – das hoffen wir zumindest für Sie. Sie brauchen nicht zum Obernarren zu werden, um im Hegau anzukommen.
Sie brauchen eben kein Narrenkostüm zum Strählen – den anderen den Spiegel vorhalten. Sie haben auch ganz ohne bunte Fassade den Mut, ihre Meinung zu sagen. Wir freuen uns drauf!