Weihnachten ist die Zeit im Jahr, in der es die meisten Menschen in die Kirchen zieht. Gleichzeitig rollt die vierte Corona-Welle. Kann man da tatsächlich volle Gotteshäuser riskieren? Nein. So wird es auch nicht kommen. Die Frage ist vielmehr, ob Ungeimpfte mitfeiern sollen.
Nicht überall in Deutschland wird das der Fall sein. So hat etwa das Erzbistum Berlin angeordnet, dass alle Gottesdienste an den Adventswochenenden und Weihnachtstagen unter 2G-Regeln stattfinden. Sachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben verschärfte Corona-Verordnungen erlassen, die 3G vorschreiben. In Baden-Württemberg hält sich die Landesregierung mit Auflagen für die Kirchen zurück. Doch einheitlich geht es auch im Land nicht zu. Die beiden evangelischen Landeskirchen und die zwei katholischen Diözesen machen ihren Gemeinden unterschiedliche Vorgaben.
Am offensten zeigt sich das Bistum Freiburg
Die Katholiken im badischen Landesteil wollen die freie Religionsausübung auch für Ungeimpfte nicht einschränken. Entsprechend sieht das Bistum auch keine Möglichkeit für 3G oder gar 2G vor. „Da ist der Erzbischof sehr klar: Niemand soll ausgeschlossen werden“, sagt Sprecher Marc Mudrak. In einer Zeit mit vielen Gräben sei es an der Kirche, Brücken zu bauen. „Wir wollen die Kirchen bewusst offen halten, dass man zusammenfinden und zur Ruhe finden kann.“ Entsprechend hält man am bisher geltenden Hygienekonzept fest: Mindestens 1,5 Meter Abstand zwischen den Gottesdienstbesuchern, Maskentragen (auch beim Singen) und Kontaktnachverfolgung. Das Konzept habe sich bewährt. „Ein Superspreader-Event hat es in unserem Bistum nicht gegeben“, sagt Mudrak.
„Wir wollen die Kirchen bewusst offen halten, dass man zusammenfinden und zur Ruhe finden kann.“Marc Mudrak, Sprecher des Bistums Freiburg
Ein großer Teil der Kirchengemeinden sei damit einverstanden, mit manchen sei man im Gespräch, so der Sprecher. In Konstanz hält man sich an die Vorgaben aus Freiburg. Gläubige, denen ein Kirchgang gemeinsam mit Ungeimpften zu unsicher sei, müssten eben zuhause bleiben, sagt Dekan Mathias Trennert-Helwig dem SÜDKURIER. Das habe es während der ganzen Corona-Pandemie gegeben. „Das ist legitim.“
Tatsächlich stellten die Gemeinden aber eine große Nachfrage fest. So gab es Mitte der Woche nur noch Restplätze für die Christmette an Heiligabend im Konstanzer Münster.
Rottenburg-Stuttgart lässt Möglichkeit für 2G-Gottesdienste
Etwas mehr Gestaltungsfreiraum lässt die Diözese Rottenburg-Stuttgart, die für weite Teile Württembergs zuständig ist, ihren Gemeinden. Hier besteht die Möglichkeit, Gottesdienste nur für Geimpfte und Genesene zu veranstalten (2G). Man rechne aber damit, „dass es nur sehr wenige Gemeinden geben wird, die sich für die 2G-Option entscheiden“, sagt ein Sprecher der Diözese. Wer 2G-Gottesdienste feiern will, muss nämlich zusätzlich auch Gottesdienste für alle anbieten.
In Friedrichshafen hat man sich deshalb dafür entschieden, auf 2G-Regelungen zu verzichten. „Eher aus praktischen Gründen, weil unsere Ordner in die Knie gehen, wenn sie alle Besucher kontrollieren müssen“, berichtet Dekan Bernd Herbinger. Und parallel zu 2G überall auch noch Gottesdienste für alle anzubieten, sei zudem kaum zu stemmen.
Um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, hat Herbinger seine Schäfchen darauf hingewiesen, dass sie möglichst mit FFP2-Masken zum Gottesdienst erscheinen. Durch den Abstand und die Höhe der Kirchenräume hält Herbinger die Gefahr von Ansteckungen beim Gottesdienstbesuch aber für gering. „Da fliegt das Aerosol nach oben weg.“ Gesungen wird etwas weniger, nur noch bei einem oder zwei Liedern pro Messe singen die Gläubigen mit. „Da singt dann stattdessen mal nur ein Kantor oder die Trompete spielt.“ „Stille Nacht“ falle aber auch dieses Weihnachten nicht aus.
Abgestufte Vorgaben je nach Alarm- und Warnstufe bei der württembergischen Landeskirche
In extremen Hotspots in Württemberg dürfen derzeit nur noch Geimpfte und Genesene Präsenzgottesdienste in evangelischen Kirchen besuchen. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mindestens 800 fänden dort regelmäßig keine Gottesdienste mehr statt, teilte die Evangelische Landeskirche in Württemberg Ende November mit. Im Moment ist das allerdings Theorie, weil das derzeit auf keinen Landkreis mehr zutrifft.
Die Landeskirche hat entsprechend der Warn- und Alarmstufen des Landes ein komplexes Konzept ausgearbeitet, welche Regeln wann einzuhalten sind. Für Weihnachten gilt, was bisher bei Alarmstufe II gegolten hat: Gottesdienste in geschlossenen Räumen sind auf 30 Minuten begrenzt, Singen ist nicht erlaubt, zwei Meter Abstand sind empfohlen, 2G-Gottesdienste sind zusätzlich möglich und 50 Prozent der Plätze bleiben frei. „Wir haben die Option 2G einfach deshalb eingeführt, weil wir auch den Menschen etwas anbieten wollen, die etwas ängstlicher sind“, erklärt ein Sprecher dem SÜDKURIER. In den größeren Gemeinden werde in der Regel beides angeboten – 2G und null G.
Ungeimpfte ausgrenzen – geht das in Ordnung? Oder wäre das sogar erforderlich? Es gibt beide Positionen:
2G plus aber auch Null G bei der badischen Landeskirche
In Baden hat die Evangelische Landeskirche nach der Ausrufung der Alarmstufe II ebenfalls schärfere Regeln angeordnet. In vielen Kirchen gilt: Wer einen Gottesdienst besuchen will, muss geimpft oder genesen sein und ein negatives Testergebnis vorzeigen (2G plus). Ungeimpfte dürfen demnach nur noch an Gottesdiensten „in besonders geeigneten Kirchen“ teilnehmen, die zum Beispiel besonders groß oder gut belüftbar sind.
Zu Weihnachten allerdings will die badische evangelische Landeskirche allerdings flächendeckend Weihnachtsgottesdienste mit „Null G“ anbieten. „Damit machen wir deutlich: Unsere Gottesdienste sind zugänglich ohne Schranken“, sagte der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh am Montag. Solche Angebote werde es neben 2G-Gottesdiensten für Geimpfte und Genesene „in allen Regionen und gut erreichbar für alle“ geben.
Wie sieht das in der Praxis aus? Wolfgang Rüter-Ebel, evangelischer Dekan in Villingen, berichtet von einer „gemischten Landschaft“ im Schwarzwald-Baar-Kreis. „Es gibt Gemeinden, die nichts mehr in Präsenz machen, andere veranstalten ihre Gottesdienste nur draußen, andere drin, aber mit Abstand.“
Seine Stadtgemeinde in Villingen wird an Heiligabend zwei Outdoor-Gottesdienste feiern, außerdem gebe es digitale Angebote. Die Option 2G oder 3G sei zum einen „ein Haufen Geschäft“ und zum andern unattraktiv, weil Leute weggeschickt werden müssten. Die Mischung aus digitalen, Draußen- und Drinnenangeboten sieht Rüter-Ebel aber positiv. „Es ist eine Gratwanderung. Man möchten den Menschen wenigstens ein bisschen was bieten. Gleichzeitig wollen wir in der Pandemie verantwortungsvoll und solidarisch handeln.“ Die eine richtige Lösung gebe es da nicht. Immerhin sei es dieses Jahr besser als im letzten: „Da ging im Lockdown gar nichts.“