Natascha Arsic (Tagblatt)

Leicht gebräunt, in Flip-Flops und Shorts gekleidet steht er am Hafenbecken und schaut auf den See. Man könnte meinen, Mariano Grosso habe hier am Bootshafen Seegarten in Kreuzlingen soeben mit seinem Boot angelegt, um auf dem Wasser zu entspannen. Doch die Stickerei auf seinem weißen Poloshirt verrät das Gegenteil: „Hafenmeister“ steht da.

Der Bootshafen liegt eingebettet zwischen dem zweieinhalb Kilometer langen Seeburgpark und dem Schwimmbad Hörnli in der Schweizer Nachbargemeinde von Konstanz. Ein strahlend blauer Himmel, ruhiges Wasser und Lokale laden zum Verweilen ein. Und genau hier, wo andere die Sonne genießen, ihre Freizeit oder Ferien verbringen, befindet sich der Arbeitsplatz des 45-Jährigen.

Im Sommer kommen die Gäste im 5-Minuten-Takt

360 Bootsliegeplätze gibt es insgesamt, 30 davon sind Gästeplätze. Für alle ist Grosso zuständig – von 8 Uhr morgens bis 19 Uhr abends, sechs Tage die Woche.

Für 360 Bootsliegeplätze ist Mariano Grosso zuständig.
Für 360 Bootsliegeplätze ist Mariano Grosso zuständig. | Bild: Reto Martin

Im Fünf-Minuten-Takt kommen an einem heißen Sommertag neue Gäste aus der Schweiz, Deutschland und Österreich an. Sie müssen sich als erstes beim Hafenmeister anmelden. Länge und Breite des Bootes sind entscheidend, damit Grosso ihnen einen passenden Platz zuweisen kann.

Pendeln zwischen Büro und „Böötli“

Dann erklärt er ihnen kurz die Regeln: „Die Benutzung der Duschen und Toiletten sind in den Übernachtungsgebühren inkludiert, um 11 Uhr müssen Sie den Platz freigeben, und zwischen 22 Uhr und 7 Uhr gilt Nachtruhe.“ Die meisten Gäste bleiben ein bis zwei Nächte, dann treiben sie wieder hinaus auf den See zum nächsten Hafen.

Hafenmeister Mariano Grosso erklärt den Gästen die Regeln für Boote, die am Seegarten Kreuzlingen liegen.
Hafenmeister Mariano Grosso erklärt den Gästen die Regeln für Boote, die am Seegarten Kreuzlingen liegen. | Bild: Reto Martin

Grosso ist nicht den ganzen Tag in seinem im maritimen Stil eingerichteten Büro anzutreffen. Er ist auch draußen im Hafen mit dem Fahrrad, E-Scooter oder auf dem Wasser mit einem „Böötli“ unterwegs und schaut nach dem Rechten. Wenn die Leute ihn sehen, rufen sie ihm zu und winken. „Er ist einer der besten Hafenmeister“, sagen sie.

Seit „frischen“ fünf Jahren arbeite er im Bootshafen Seegarten. „Meiner Meinung nach darf man sich erst nach dieser Zeit Hafenmeister nennen. Denn es dauert eine Weile, alles zu lernen“, sagt Grosso. Er ist wie viele, die diesen Beruf ausüben, Quereinsteiger. Zuvor war er 16 Jahre lang in leitender Funktion in der Optikbranche tätig.

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„Ich bin gerne draußen in der Natur und absolvierte eine Ausbildung zum Outdoor-Guide. Als ich dann das Inserat für die Stelle hier sah, wollte ich die Chance nutzen, um weg vom Produktions- und Büroalltag zu kommen“, erinnert er sich. „Mittlerweile kann ich sagen, dass ich hier angekommen bin und den Hafen in- und auswendig kenne.“

Sein Arbeitsort ist dort, wo andere für die Freizeit oder den Urlaub hinkommen: Mariano Grasso im Becken des Kreuzlinger Hafens Seegarten.
Sein Arbeitsort ist dort, wo andere für die Freizeit oder den Urlaub hinkommen: Mariano Grasso im Becken des Kreuzlinger Hafens Seegarten. | Bild: Reto Martin

Glamping auf dem See wird immer beliebter

Dies zeigt sich denn auch daran, dass Grosso den Überblick über die Liegeplätze nie zu verlieren scheint – auch ohne Computer. Etwa 60 bis 70 Boote pro Tag treffen bei schönem Wetter für Übernachtungen ein. Der Hafenmeister findet fast immer einen Liegeplatz für sie. „Während des Seenachtsfests ist am meisten los, dann müssen wir einige Gäste auch mal abweisen.“

Viele kommen jedes Jahr nach Kreuzlingen, um ihre Ferien auf dem Boot zu verbringen. Glamping (kurz für glamouröses Camping) gewinnt weltweit immer mehr an Beliebtheit. Hier campieren die Leute statt auf dem Campingplatz quasi einfach auf dem See. Außenstehenden kommt das Ganze wie eine eigene Welt vor – oder wie Grosso sagt: wie ein Mikrokosmos.

Glamping, also glamouröses Camping? Das wird auch auf dem Bodensee immer beliebter.
Glamping, also glamouröses Camping? Das wird auch auf dem Bodensee immer beliebter. | Bild: Reto Martin

Beliebte Alternative zu überfüllten Liegestellen in Deutschland

„Die Gäste schätzen die Ruhe hier und die Nähe zu Konstanz“, erklärt der Hafenmeister. Es seien auch schon Gäste an seinen Hafen gekommen, weil es auf deutscher Seite der Grenze keinen freien Platz mehr hatte. Seither kämen sie immer wieder, denn der Bootshafen Seegarten ein „Juwel am See“ sei.

Neben dem Zuweisen der Plätze gehören auch der Unterhalt der Hafenanlage und die Administration zu seinem Arbeitsbereich. „Ich verarzte zudem ab und zu Leute, die kleinere Wunden haben, erledige Reparaturen in der Werkstatt, und mein Büro dient als Fundbüro.“

Bald beginnt das Auswassern von 1000 Booten

Im Frühling, bevor die Hauptsaison losgeht, verbringt er die meiste Zeit mit dem Einwassern von Booten. 1000 sind es jeweils – im nahenden Herbst müssen die dann wieder ausgewassert und gereinigt werden. Es sei noch nie etwas schiefgegangen.

Ohne Kran unmöglich: Ein Boot wird von Mariano Grosso zu Wasser gelassen.
Ohne Kran unmöglich: Ein Boot wird von Mariano Grosso zu Wasser gelassen. | Bild: Reto Martin

Manchmal kommt es vor, dass einzelne Boote im Sommer eingewassert werden, wie an diesem Nachmittag. Dabei ist Präzisionsarbeit gefragt. Nachdem das Boot von der Werft angeliefert worden ist, montiert ein Mitarbeiter zusammen mit dem Hafenmeister die Hebegurte. Dann zieht der Kran das mehrere Tonnen schwere Boot vom Boden hoch, Grosso steuert es vorsichtig per Fernbedienung übers Wasser und lässt es langsam runter.

Präzisonsarbeit mit der Fernbedienung: Mariano Grosso ist zuständig für das Ein- und Auswassern von rund 1000 Booten pro Saison.
Präzisonsarbeit mit der Fernbedienung: Mariano Grosso ist zuständig für das Ein- und Auswassern von rund 1000 Booten pro Saison. | Bild: Reto Martin

Keine Sommerferien? Nur mir der Unterstützung der Familie möglich

Ist die Stimmung im Bootshafen Seegarten immer so ausgelassen? „Natürlich erhalte ich von den rund 2000 Gästen pro Saison auch mal kritisches Feedback. Und das ist gut so, denn daran kann ich wachsen. Der direkte Austausch mit den Leuten gefällt mir sehr an meinem Job“, sagt Grosso.

Er betont, dass er nicht die ganze Arbeit allein macht, sondern unterstützt wird: Eine Reinigungskraft kümmert sich um die sanitären Anlagen, und sein Stellvertreter arbeitet dienstags, wenn Grosso seinen freien Tag hat. Damit andere ihre Ferien hier genießen können, arbeiten die zwei Hafenmeister von Mai bis Ende September durch, Sommerferien gibt es für sie nicht.

Unübersehbar, wer hier arbeitet: Das Büro des Kreuzlinger Hafenmeisters Mariano Grosso.
Unübersehbar, wer hier arbeitet: Das Büro des Kreuzlinger Hafenmeisters Mariano Grosso. | Bild: Reto Martin

„Mir macht das nichts aus, aber für diesen Job ist das Verständnis der Familie sehr wichtig“, so der 45-Jährige. „Meine Frau ist mein Rückgrat, wir sind ein super Team. Ohne ihre Unterstützung könnte ich das nicht machen.“

Und im Winter? Da baut der Hafenmeister ein Stand-Up-Paddle

Und dennoch würde er keinen anderen Job wollen. „Ich bin ein Seebueb und mag es, jeden Tag am Wasser zu sein“, sagt Grosso, der unweit von Kreuzlingen in Altnau aufgewachsen ist. Wenn die Saison durch ist, nutzt er die freien Monate, um Zeit mit seiner Familie nachzuholen und neue Dinge zu lernen. So hat er letzten Winter in der Werft sein erstes eigenes Stand-up-Paddle aus Holz gefertigt.

Was er nach der diesjährigen Saison machen möchte, weiß Grosso noch nicht. Zunächst gilt es, die letzten Sonnenhungrigen zu versorgen – die Nächsten fahren mit ihrer weißen Jacht bereits ein.

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