Es ist erst wenige Tage her, dass der Ort Brienz im Schweizer Kanton Graubünden evakuiert wurde, weil ein großer Bergrutsch droht. Seit zwei Jahrzehnten bewegt sich das Dorf jährlich etwa einen Meter in Richtung Tal, nun könnte es jederzeit soweit sein, dass es unter Felsen begraben wird. Deutlich kürzer, seit etwa 14 Tagen, rutscht auch ein Hang in Hörbranz (Vorarlberg) – doch die Folgen sind ähnlich dramatisch.

„Die Situation ist sehr schwierig“, sagt Andreas Kresser, Bürgermeister von Hörbranz. Eines der Häuser wurde um bis zu sieben Meter versetzt. „Der Hof aus den 1940er-Jahren ist in einem sehr desolaten Zustand“, sagt Kresser. Ein weiteres Haus sei ebenfalls einsturzgefährdet. Die fünf Bewohner mussten ausziehen, die Gemeinde habe bei der Unterkunftssuche geholfen und etwas Langfristiges finden können, erläutert der Bürgermeister.

Erdrutsch zerstört Strom- und Wasserleitungen

Zwei weitere Häuser seien derzeit ebenfalls unbewohnbar, die Strom- und Wasserleitungen seien durch die Erdbewegungen zerstört worden. Eines der Häuser „steht enorm schief“: Von einer zur anderen Ecke gebe es laut Bürgermeister eine Differenz von 96 Zentimeter. „Das ist aus Stahlbeton gebaut, das steht recht massiv“, sagt Kresser. Inwieweit die Häuser noch zu retten sind, müsse laut Kresser ein Statiker beurteilen.

Ein Luftbild macht das Ausmaß des Hangrutsches deutlich.
Ein Luftbild macht das Ausmaß des Hangrutsches deutlich. | Bild: Maurice Shourot

Man habe den Hangrutsch nicht vorhersehen können, sagt der Bürgermeister. Somit sei die Situation eine andere als in der Schweiz. Dem stimmt auch der Vorarlberger Landesgeologe Walter Bauer zu, der im Gebiet ebenfalls vor Ort ist. Wäre das seit langem bekannt gewesen, hätten dort gar keine Häuser errichtet werden dürfen. Den letzten größeren Hangrutsch gab es 1996 etwas nördlich des aktuellen Gebiets. Alle 200 bis 300 Jahre komme ein solches Ausmaß wie jetzt vor.

Instabile Struktur der Felswand

Im Verlaufe der Zeit werden die Risse, die sich durch den Berg ziehen, immer größer, erklärt der Experte, dadurch könne immer mehr Wasser eindringen und das Erdreich in Bewegung setzen. Bauer ist wichtig zu betonen, dass Wasser sich nicht auf jeden Berg gleich auswirke. Dieser Hang in Vorarlberg allerdings „reagiert sehr direkt auf Niederschläge“

Hier liegt Hörbranz.
Hier liegt Hörbranz. | Bild: Maptiler/SK

Laut Bürgermeister Kresser sei das Gebiet, das derzeit in Bewegung ist, die Rutschmasse des ehemaligen Hangs und damit besonders instabil und spröde. „Wir hoffen, dass wir jetzt die Spitze des Eisbergs erreicht haben“, sagt Kresser. Denn derzeit rutscht der Hang etwas langsamer.

Im Vergleich zum Montag, wo er sich um knapp 1,50 Meter pro Tag bewegte, waren es am Dienstag nur noch bis zu 54 Zentimeter. Entwarnung bedeute das allerdings nicht. Denn auch für die kommenden Stunden sind weitere Regenfälle vorhergesagt.

Bürgermeister: „Hangentwässerung ist immens wichtig“

Wie es weitergeht, ist derzeit unklar. „Man kann den Hang nur beobachten“, sagt Kresser. Die Feuerwehr und örtliche Firmen versuchen, die Drainagen und Entwässerungssysteme stetig zu reparieren, die jedoch durch die Hangbewegung stetig wieder eingedrückt wird. „Die Hangentwässerung ist immens wichtig zurzeit“, sagt Kresser.

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Rutschende Hänge sind auch auf der deutschen Seite des Bodensees möglich, sagt das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau des Regierungspräsidiums Freiburg: „Insbesondere die Umgebung im Bereich der Ortschaft Sipplingen ist als ,Sipplinger Dreieck‘, als Gebiet mit zahlreichen Rutschungen bekannt. Außerdem sind die zahlreichen großflächigen Rutschgebiete im Übergang des Bodenseebeckens zum Oberschwäbischen Hügelland besonders hervorzuheben.“

Ein bekanntes Beispiel sei laut Landesamt ein Rutsch südwestlich der Ortschaft Heiligenberg. Wenn es im Zuge des Klimawandels zu mehr Starkregen komme, sie mit verstärkten Hangrutschen zu rechnen, erklärt das Landesamt.