Will er das Automodell loben? Es reagiert jedenfalls auf den gereckten Daumen von Felix Hake, den er vor eine Kamera an der Karosserie hält. Die Fahrertür öffnet sich. Als der Produktmanager seine Hand dreht und einen Daumen nach unten zeigt, schließt sich die Tür.
Diese neue Art, mit dem Fahrzeug zu kommunizieren, ist eine der Funktionen, die der Automobilzulieferer Marquardt aus Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen präsentiert. „Wir haben den Türgriff überflüssig gemacht“, sagt Hake zu der Technologie.
Das Fahrzeugmodell steht auf einer Holzplatte im lichtdurchfluteten Foyer des Entwicklungs- und Innovationszentrums des Unternehmens. Es scheint direkt aus der Zukunft zu kommen. Wobei: „Wir wissen, dass Autos nicht genau so aussehen werden“, sagt Markus Kramer, Innovationsleiter bei Marquardt.
Dennoch gibt das Democar (auf Deutsch etwa Vorführungsauto), wie die Ingenieure es nennen, einen Eindruck davon, wie Innenräume in einigen Jahren aussehen könnten und auf welche Vorzüge sich die Fahrer der Zukunft einstellen dürfen. Eine große Rolle spielt etwa das Licht.
Leuchten reagieren auf den Fahrer
Während Felix Hake und sein Kollege Dominik Schuster ihre Erfindungen vorstellen, strahlt das Modell in allen möglichen Farben. Einmal um die Karosserie herum sind 300 LEDs installiert. Nährt sich der Fahrer mit seinem Mobiltelefon, das hier auch als Schlüssel und über eine App als Fernbedienung dient, reagieren die LEDs auf ihn.
Stefan Reindl, Professor am Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen an der Steige, gibt dem SÜDKURIER eine Einschätzung zu den Marquardt-Innovationen. Zum System des Mobiltelefons als Schlüssel schreibt er, dies „wird Komfortsysteme nicht revolutionieren, dennoch aber zur Weiterentwicklung beitragen.“

Auch im Innenraum des Automodells ist das Licht von Bedeutung. Smarte, also schlaue, Technik ist in die Türen eingebaut: Leuchten und transparente Folien, die auf Knopfdruck eine gleichmäßige Wärme im Auto erzeugen und dazu bunt strahlen. Dazu heißt es von Reindl, dass derartige Innovationen schon lange im Sinne des „Wohlfühlfaktors“ diskutiert werden. „Insofern könnten sich solche Systeme tatsächlich in künftigen Fahrzeugen durchsetzen – eine vernünftige Kosten-/Nutzenrelation vorausgesetzt.“
Abseits des Lichts ist der Innenraum geprägt von vielen Bildschirmen. Einer vor der Frontscheibe, einer rechts neben dem Fahrersitz und zwei kleine, die in rechteckiges Echtglas am Lenkrad verbaut sind. Darüber lässt sich etwa die Musiklautstärke regeln. Die Bildschirme könnten Fahrer aber ablenken, meint Stefan Reindl. „Das wäre fatal und nicht zukunftsgerichtet. Manchmal ist weniger auch mehr“, so der Automobilexperte.
Im Autopilot
Als „fahrendes Wohnzimmer“ stellt sich Felix Hake das Auto der Zukunft vor. Es ist auf autonomes Fahren ausgerichtet. Der Fahrer kann in eine Art Autopilot umschalten. Der Bildschirm unter der Frontscheibe fährt dann nach oben, der Fahrersitz nach hinten. So ließe sich entspannt ein Film während der Fahrt schauen oder – so schlägt es Hake vor – arbeiten.

Wenn der Fahrer aber wegen des Bildschirms vor der Frontscheibe nichts mehr sieht, kann er auch keinen Blickkontakt mit Fußgängern aufnehmen. Das Problem haben die Entwickler erkannt und zu lösen versucht – wieder mit Licht. Der Boden unter dem Auto kann ebenfalls von LEDs mit Warnungen oder Signalen beleuchtet werden.
Strom tanken mit Hologramm
Im Innenraum ist abseits der Lichter die Glattheit der Oberflächen auffällig. Die Bildschirme ersetzen zahlreiche Knöpfe und Hebel, wie es etwa auch in den Autos der Firma Tesla der Fall ist. Das Ziel für das Democar sei es allerdings, die „Oberflächen zum Leben zu erwecken“, wie Felix Hake sagt.

Marquardt versucht sich also an der Kombination von Digitalem und Greifbarem. Der Bildschirm rechts des Fahrersitzes lässt sich mit einem kleinen Knüppel steuern, der sich dort befindet, wo üblicherweise der Schaltknüppel ist. Damit reagiert das Unternehmen nach Eigenaussage auf Ergebnisse aus der Marktforschung: Die Kunden wollen Mechanik, nicht nur Bildschirme mit Berührungs-Funktionen.
Die aufregendste Erfindung von Marquardt befindet sich allerdings nicht im Auto, sondern am Heck. Unter einer kleinen Klappe verbirgt sich hier die Ladebuchse des E-Auto-Modells und daneben ein weiterer Bildschirm – zumindest vermeintlich. Denn das Sichtbare ist lediglich eine Art Hologramm, durch das man mit dem Finger durchsticht. Tatsächlich ist es eine Spiegelung eines verborgenen Bildschirms. Dennoch reagiert der auf die Bewegung, es lässt sich hier etwa der Verschluss des Ladekabels aufheben.
Diese Innovation sieht Automobilexperte Stefan Reindl positiv. Solche Bildschirme würden künftig wohl verstärkt verbaut. Sie würden weniger vom Fahrgeschehen ablenken und dadurch, dass die Bedienung berührungslos abläuft, seien sie zudem hygienisch.
Das Automodell reist um die Welt
Das Democar zeigt Marquardt dabei nicht nur interessierten Journalisten. Vor allem dient es dem Automobilzulieferer dazu, die hauseigenen Innovationen an Kunden, also Autobauer, zu bringen. Seit 2021 gibt es das aktuelle Modell, das Democar 2.0, mittlerweile sei es durch ganz Europa gereist, war in Amerika und Indien.
Einige der Marquardt-Innovationen hätten so bereits Interessenten gefunden, gemeinsam mit den Kunden würden sie nun in Projekten ausgearbeitet. Fünf bis sechs Jahre würde es bis zur Serienreife dauern, wenn die Projekte Erfolg haben.

„Das Ziel ist es, in Serienproduktion zu gehen“, sagt Innovationsleiter Markus Kramer. Beim ersten Democar aus dem Jahr 2018 sei das bei einigen Funktionen bereits gelungen. Der chinesische Automobilhersteller Geely hat beispielsweise die Funktion des Mobiltelefons als Autoschlüssel verbaut.